Zwischen Wassermangel und Wasserreichtum liegen mitunter nur 2.000 Kilometer. In Nordafrika wird um jeden Tropfen gekämpft. Der Mensch kann ohne Wasser nicht überleben. Ohne dieses Element wäre auch keine der heutigen Zivilisationen entstanden. Wasser ist der Anfang von allem – nicht umsonst geraten Astronomen in Verzückung, wenn sie auf einem fernen Planeten Wasser entdecken. Zeit für ein wenig mehr Achtung vor einem vertrauten Element.
In Kapstadt hätte beinahe die „Stunde Null" geschlagen: Drei Jahre kein Regen – die Stadt saß auf dem Trockenen. Fast. Ein wenig Wasser war noch da, es wurde gespart und rationiert, was das Zeug hielt. 50 Liter pro Kopf und Tag gab es ab Februar schließlich noch – zum Vergleich: Ein Berliner verbraucht im Schnitt 115 Liter. Und schon das gilt als eher wenig. Die Kapstadter haben inzwischen das Warten auf den Regen aufgegeben, zu unsicher wäre das in Zeiten des Klimawandels. Stattdessen bauen sie ihre Wasserversorgung ganz neu auf, arbeiten parallel mit der Entsalzung von Meerwasser und der Aufbereitung von gebrauchtem Wasser, mit Regenwasser und Grundwasser.
So manchen haben die Meldungen von der südlichen Hälfte der Erdkugel nachdenklich gemacht: Wie ist das eigentlich bei uns, könnte uns so etwas auch passieren? Schließlich wird ja auch hier, direkt in Berlin und im trockenen Brandenburg, regelmäßig die Waldbrand-Warnstufe fünf in ausgedörrter Landschaft ausgerufen …
Nein, noch gibt es keine Notstandsmeldungen für Berlin. Auf der anderen Seite ist es, genügend Wasser hin oder her, dennoch eine riesige Herausforderung, eine 3,7-Millionen-Stadt mit Trinkwasser zu versorgen – selbst wenn man unbedenklich für ein erfrischendes Bad in die Berliner Seen springen kann. Vielleicht ja demnächst sogar wieder in Teile der einst viel zu verschmutzten Spree mitten in Mitte … Zur Bereitstellung sauberen Wassers kommt eine weitere Aufgabe, die leicht in Vergessenheit gerät: die Entsorgung. Nicht nur von gebrauchtem Wasser aus den Haushalten, sondern auch vom ganz normalen Regen. Während man sich andernorts über die frischen Tropfen von oben freut, wird der Regen in einer zugebauten und zugeteerten Stadt leicht zum Problem. Und wo er zusammen mit Schmutzwasser in Mischwasserkanälen entlanggurgelt, schwappt die ganze Brühe bei heftigen Wolkenbrüchen in die Gewässer. Damit danach nicht die Fische kieloben schwimmen, sind Filteranlagen und Rückhaltebecken nötig. Und es kümmert sich eine Regenwasser-Agentur mit ums Nass von oben.
Gereinigt, gefiltert, geklärt und natürlich permanent überprüft wird das Trinkwasser, das aus öffentlichen Brunnen oder dem Wasserhahn kommt. Dass Menschen aus anderen Ländern, seien es Touristen oder Zuwanderer, sich an gekauften Wasserflaschen sinnlos krumm schleppen, zeigt, wie ungewöhnlich so eine Qualität im weltweiten Vergleich ist. Dass wir hier unbedenklich das „Wasser aus der Wand" trinken können, war aber beileibe nicht immer so: Latrine oder offener Rinnstein gleich neben den Wasserpumpen stanken nicht nur zum Himmel, sie führten auch zu hygienisch unhaltbaren Zuständen. Immer wieder auftretende Epidemien zwangen die Planer Ende des 19. Jahrhunderts zum Kanalisationsbau für die rasant wachsende Stadt. Damit war der Grundstein der heutigen Wasserversorgung gelegt.
Und wie sieht es aus, wenn wir selbst mal woanders am Ufer stehen? Zumindest in Sachen „Sprung ins kühle Nass" europaweit überraschend gut. An den großen Badeseen von der Müritz über Comer See und Lac d’Annecy bis zum Balaton lassen zwar saisonal manchmal ein paar Wasservögel zu viel ihre Hinterlassenschaften im Wasser, aber mancherorts krault man sogar durch Trinkwasser. Ein Zustand, von dem man in vielen südostasiatischen Ländern wahrscheinlich noch nicht mal träumen kann. Und wir alle sind mit Schuld: Jeder Pulli, den wir am Leibe tragen, hat unglaubliche 3.500 Liter Wasser verschlungen – schon bei der Produktion. Was in Bäche und Flüsse zurückschwappt, ist eine Brühe mit Farben, Giftstoffen, Krankmachern. Verloren für die oft bettelarme Bevölkerung. Allmählich entstehen hier bei uns Initiativen, die von unserem Reichtum etwas an diejenigen zurückgeben wollen, die unsere Billigklamotten auf Kosten der eigenen Gesundheit herstellen. Ein Tropfen auf den heißen Stein – aber ein Anfang.
Weltweit sieht es generell gar nicht gut aus. Wasser ist ein rares Gut, vielerorts zu rar, um Mensch und Tier zu tränken. Die Konflikte ums durchsichtige Gold spitzen sich dramatisch zu. Ohne Wasser kein Leben – Grund genug, das Arsenal gegen den ungeliebten Nachbarn aufzustocken. Gegen jeden, der einem im ganz wörtlichen Sinne das Wasser abgraben könnte.
Probleme, die weit weg scheinen. Eines ist ziemlich klar: Uns ist in all unserem sprudelnden und säuberlich geklärten Überfluss selten klar, wie privilegiert wir sind.