Frank Sinatra war ein Popstar, der gern im Rampenlicht stand. Er hatte aber auch eine dunkle Seite. Er war jähzornig, konnte furchtbar schimpfen und ließ gelegentlich sogar die Fäuste sprechen. Bis heute halten sich außerdem die Gerüchte, er hätte Verbindungen zur Mafia gehabt.
Frank Sinatra war ganz sicher eine der herausragenden Persönlichkeiten der Popmusik im 20. Jahrhundert. Seine Fans lagen ihm zu Füßen und sammelten über die Jahre jeden noch so kleinen Schnipsel über ihr Idol. Die größte Papiersammlung über den Sänger liegt jedoch beim amerikanischen FBI, dem Federal Bureau of Investigation – der zentralen Sicherheitsbehörde der USA. Mehr als 2.400 Seiten an Akten über Sinatra lagern dort, nachdem es die Behörden über viele Jahrzehnte offensichtlich als notwendig erachtet hatten, den Künstler ganz genau im Auge zu behalten.
Abseits der Bühne oft ein echtes Ekel
Bis heute halten sich die Gerüchte, Frank Sinatra habe engen Kontakt zur amerikanisch-italienischen Mafia gehabt, der Cosa Nostra. Er selbst hat diese Vorwürfe Zeit seines Lebens stets von sich gewiesen; schließlich konnte ihm nie ein Verbrechen nachgewiesen werden. Zwar musste Sinatra 1972 sogar vor Gericht erscheinen, um zu erklären, weshalb er einst 55.000 US-Dollar in eine Pferderennbahn investiert hatte, die von der Mafia kontrolliert wurde – doch auch diese Spur verlief sich letztlich im Sand. Falls Sinatra wirklich ein dunkles Geheimnis hatte, dann nahm er es 1998 mit ins Grab.
Fakt ist, dass Frank Sinatra abseits der Bühne eine ziemlich unangenehme Person sein konnte. „Er konnte ununterbrochen die erniedrigendsten Schimpfworte über dich ausgießen, schreien, brüllen, dir Karten ins Gesicht werfen. Man musste einfach dastehen und es ertragen", erzählt Count Guido Deiro in der zweiteiligen Dokumentation „Sinatra – Star der Mafia" von Christopher Olgiati. Deiro war damals Croupier in Las Vegas, wo Sinatra regelmäßig auftrat. Die Moderatorin Barbara Walters beschimpfte der Sänger einmal als die „hässlichste Nutte" auf den Bildschirmen; zur Journalistin Maxine Cheshire sagte er: „Du bist nicht mehr als eine Hure", während er ihr zwei Dollar in ihr leeres Glas stopfte. Manchmal beließ es Sinatra auch nicht bei Worten, sondern ließ seine Fäuste sprechen. All das ließ den amerikanischen Journalisten John Smith im Jahr 2005 in der Dokumentation „Sinatra: Dark Star" zu dem Schluss kommen, dass Sinatra wohl „im Herzen ein Gangster" gewesen war.
Aber war er auch mit der Mafia im Bunde? Wir werden es vielleicht nie erfahren, schließlich ist in diesen Kreisen Verschwiegenheit Trumpf. Doch es spricht tatsächlich einiges dafür. Sinatra war ein gern gesehener Gast, wenn die Mafia ein neues Geschäft eröffnete. „Wenn die Mafia in Chicago einen neuen Laden aufgemacht hat, wer ist dann wohl am ersten Abend dort aufgetreten? Frank Sinatra", berichtet der ehemalige Geschäftsführer eines Casinos, Ed Becker. Ohne gute Kontakte Sinatras in die Unterwelt wäre das wohl – vor allem in dieser Häufigkeit – nicht vorgekommen.
Hinzu kommt, dass er auch persönliche Beziehungen in einige der einflussreichsten Mafia-Gruppen jener Zeit hatte. Sein Onkel Babe Garavante etwa, der schon 1921 wegen Mordes verurteilt worden war, stand in Verbindung mit Willie Moretti, einem der Anführer des New Yorker Genovese-Clans; außerdem war Sinatras erste Ehefrau Nancy auch noch mit einem von Morettis engsten Vertrauten verwandt. Erst 2005 kam zudem ans Licht, dass Sinatras Vater Anthony Martin in Wirklichkeit gar nicht aus dem sizilianischen Palermo stammte, wie es bis dahin geheißen hatte, sondern aus dem kleinen Dorf Lercara Friddi ganz in der Nähe. Zufällig war das auch der Geburtsort von Charles „Lucky" Luciano – dem obersten Boss der Genovese-Familie.
Sinatra verfluchte Schriftsteller Puzo
Für Luciano soll Frank Sinatra 1946 einmal 3,5 Millionen Dollar Bargeld transportiert haben, und dabei wäre er wohl beinahe vom Zoll ertappt worden. So wird zumindest sein früherer Kollege Jerry Lewis im Buch „Sinatra: The Life" der beiden Autoren Anthony Summers und Robbyn Swan zitiert. Lewis, ehemaliges Mitglied des berühmten Rat Pack – der Künstlergruppe um Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr. –, berichtet darin, wie Sinatra in eine Kontrolle geraten sei und aufgefordert wurde, die Tasche zu öffnen, in der das Schwarzgeld versteckt war. Nur dem großen Gedränge sei es zu verdanken gewesen, dass der Zollbeamte den Sänger nach einem nur oberflächlichen Blick in die Tasche durchwinkte. Ein Jahr später wurde Frank Sinatra in Havanna in Begleitung von „Lucky" Luciano gesehen. Dieser hatte führende Bosse zu einem Treffen zusammengerufen, die sogenannte Havanna-Konferenz, um Geschäfte zu besprechen – Sinatras Konzert in der kubanischen Hauptstadt diente dabei als Vorwand. Der Journalist Robert Ruark wunderte sich schon damals: „Ich bin ehrlich gesagt verwirrt, warum Frank Sinatra, der Fetisch von Millionen, seinen Urlaub in der Gesellschaft von verurteilten Straftätern und ausgesprochenen Ganoven verbringt."
Ein Foto von 1976 zeigt Sinatra Arm in Arm mit Gregory DePalma – der New Yorker Polizei bekannt als führendes Mitglied der Mafia-Familie Gambino. Deren Oberhaupt Carlo Gambino ist ebenfalls auf dem Bild zu sehen. Solche Aufnahmen regten natürlich die Fantasie an. Vielleicht war es also kein Zufall, dass die Rolle des Sängers Johnny Fontane in Mario Puzos Roman „Der Pate" – später verfilmt von Francis Ford Coppola – doch sehr an Frank Sinatra erinnerte.
Dort gibt es die berühmte Szene, in der Fontane dem Mafiaboss Don Vito Corleone sein Leid klagt. „Ich weiß nicht, was ich tun soll! Meine Stimme ist schwach", jammert er. „Aber wenn ich die Rolle bekäme in diesem Film, dann wäre ich ganz schnell wieder oben!" Das Problem: Der Produzent will ihm die Rolle nicht geben. Der Gangster sagt daraufhin: „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann." Kurz darauf erwacht Filmproduzent Jack Woltz in seiner Villa, besudelt mit dem Blut vom abgeschlagenen Kopf seines geliebten Rennpferds. Woltz hatte in der Nacht Besuch von Corleones Männern bekommen und lenkt ein – Fontane bekommt die Rolle. Frank Sinatra tobte, als er von Puzos Werk erfuhr. „Verrecke. Verschwinde und verrecke!", rief er dem Schriftsteller zu, als er ihm auf einer Feier in Hollywood begegnete.
Schließlich kursierte auch zu seiner Person das Gerücht, dass er die Mafia benutzt haben soll, um seine Karriere voranzutreiben und das sogar mehrfach. Zu Anfang seiner Karriere hatte er einen Vertrag im Orchester von Tommy Dorsey unterzeichnet, nach dem er diesem lebenslang ein Drittel aller Einnahmen geschuldet hätte sowie weitere zehn Prozent dessen Agenten. 1943 versuchte Sinatra aus dem Knebelvertrag herauszukommen, doch Dorsey lehnte zunächst ab. Später gab er nach – auf Druck der Mafia? Beweise gibt es keine, doch Mafiosi Willie Moretti soll sich im kleinen Kreis damit gebrüstet haben, dass er Dorsey zusammen mit einigen Kollegen einen Besuch abgestattet hatte.
Steckt die Mafia hinter Kennedys Tod?
Auch bei der Auswahl Sinatras für die Rolle des Angelo Maggio im Film „Verdammt in alle Ewigkeit" soll die Mafia ihre Finger im Spiel gehabt haben und Druck auf Regisseur Fred Zinnemann ausgeübt haben. Allerdings könnte Sinatra auch einfach deswegen berücksichtigt worden sein, weil er die Rolle so sehr wollte, dass er von sich aus auf einen Großteil der Gage verzichtete.
„Popstars waren für die Mafia immer eine lohnenswerte Geldanlage. Einerseits sorgten die Unterhaltungskünstler selbst für reichlich frisches Geld und andererseits für die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Hintermänner." So hat es Michael Pilz einmal formuliert, Kulturredakteur bei der Zeitung „Die Welt". Doch auch ein Politiker wie John F. Kennedy versuchte, Sinatras Ruhm für seine Zwecke einzusetzen. Sinatras öffentliche Unterstützung war jedoch nicht der Hauptgrund, weshalb Kennedy im Wahlkampf den Kontakt zum Sänger suchte: Vor allem wollte er mit seiner Hilfe Verbindung zur Mafia aufnehmen, um so den Wahlkreis in Chicago zu sichern. Dies gelang, und am Wahlabend saßen Mafiosi und Kennedy-Unterstützer gemeinsam am Tisch und feierten. Die Freude war indes nur von kurzer Dauer. Nachdem Kennedy seinen Bruder Robert zum Generalstaatsanwalt ernannte, sagte dieser dem organisierten Verbrechen den Kampf an. Bis heute gibt es daher die Theorie, die Mafia wäre verantwortlich für die Ermordung John F. Kennedys. Beweise gibt es dafür keine. Ebenso wenig wie zur Verstrickung Frank Sinatras in irgendwelche unlauteren Geschäfte. Daran konnten auch 2.400 Seiten beim FBI nichts ändern.