Türkisblaues Meer und ganzjährig wie im Paradies? Schön wär’s! „Wenn es nicht gleich läuft, hilft dir kein Mensch", sagt Auswanderer Jens Becher. Inzwischen reisen Leute extra für seine Grillkurse nach Mallorca. Aber der Weg bis dahin war steinig.
Sonne, Strand, weiß getünchte südeuropäische Häusergassen – jeder hatte im Urlaub wohl schon einmal den Traum, sein Leben in Deutschland hinzuschmeißen und auszuwandern. Sandra Hänsel (39) und ihr Mann Jens Becher (44) haben es vor fünf Jahren „einfach gemacht": Die Eheleute kündigten ihre Jobs in Leipzig und betreiben seither eine Eventfinca in Porto Colom auf Mallorca. Auf dem riesigen Gelände kann man feiern, es gibt Musik- und Kunstveranstaltungen, Koch- und Grillkurse.
Seit das Ehepaar auf Mallorca lebt, haben sie vieles von den Höhen und Tiefen durchlebt, die ein Start in einem fremden Land mit sich bringen kann. Trotz häufiger finanzieller Probleme, Sprachbarrieren und zum Teil betrügerischer Geschäftspartner steht für die beiden aber fest: „Wir werden auf jeden Fall hier bleiben."
Ein ganz normaler Montagmorgen im Fischerdörfchen Porto Colom im Südosten der Ferieninsel Mallorca. Der Himmel ist blau, das Thermometer hat schon um 9 Uhr die 20-Grad-Marke geknackt. Sandra Hänsel, Jens Becher und das dreijährige Töchterchen Sofia sitzen auf der Terrasse, genießen ihr Frühstück und den Blick aufs gut zwei Kilometer entfernte Mittelmeer. Es leuchtet türkisblau wie im Reisekatalog. „Hier ist es einfach herrlich! So wollten wir es eigentlich schon immer haben", sagt Becher. Inzwischen kann er zufrieden lächeln – doch das war nicht immer so: „Wir mussten immer wieder derbe Rückschläge hinnehmen und uns nach oben zurückboxen." Eine Erfahrung, die viele Auswanderer machen, selbst wenn das neue Leben „nur" im europäischen Ausland spielt. Becher: „Wenn deine Geschäftsidee nicht gleich zündet oder es einfach nicht läuft, hilft dir kein Mensch."
Rückblende: 2013 beschließen Hänsel und Becher, ihr Leben in Leipzig aufzugeben. „Da hatten wir einfach einen emotionalen Tiefpunkt in Deutschland und wollten mit etwas ganz Neuem beginnen." Becher, seines Zeichens gelernter Konditor, hatte sich in Deutschland nach mehreren Jobs beim Fernsehen einen Namen als Showkoch und Grillmeister gemacht. Irgendwann ging es dennoch bergab: „Meine Grillakademie in Leipzig musste ich damals aufgeben. Die Geschäfte liefen einfach nicht mehr." Gerade in dieser Zeit kam das Angebot eines namhaften Grillgeräteherstellers – der wollte eine Grillakademie auf Mallorca aufbauen. Dem Ehepaar war sofort klar: „Das machen wir!"
In Porto Colom fanden die beiden eine Finca, die ihren Ansprüchen genügte. „Das Gelände ist riesig, die Gebäude waren in gutem Zustand – da haben wir sofort zugeschlagen", erinnert sich Becher. Schnell bauten sich die beiden einen guten Ruf auf, Kurse und Veranstaltungen waren ausgebucht. Deutsche Boulevard-Zeitungen und das TV-Auswandererformat „Goodbye Deutschland" (Vox) begleiteten und lobten das neue Leben.
Keine drei Jahre später kam der herbe Rückschlag: Der Grillgerätehersteller verlängerte den Vertrag nicht. Eine fatale Lage: „Von einem Tag auf den anderen mussten wir uns etwas anderes überlegen. Wir hatten ja mittlerweile einen enormen Kostenapparat aufgebaut. Miete, Mitarbeiter, Raten – da kommen jeden Monat gut 15.000 Euro an Ausgaben zusammen."
Rückschlag – und wieder aufstehen
Ihren Mallorca-Traum wollten die beiden aber so schnell nicht aufgeben, sie beschlossen, es mit einem eigenen Konzept zu versuchen. Becher: „Da waren wir ja zum ersten Mal wirklich ganz alleine auf uns gestellt. Und wir haben schnell gemerkt, dass viele Spanier nicht wirklich gut auf Deutsche zu sprechen sind." Klar, wenn die Insel Sommer für Sommer von Touristen überschwemmt wird. „Die wollen verständlicherweise ihre spanische Identität hochhalten." Das beginnt bei der Sprache: Alle Behörden verlangen, dass man Spanisch spricht. Sämtliche Formulare – zum Beispiel eine Gewerbeanmeldung – müssen ebenfalls in Spanisch ausgefüllt werden.
Mit der Sprachbarriere taucht für viele Auswanderer, so auch für Hänsel und Becher, ein weiteres Problem auf: „Plötzlich versuchen dir ganz viele Deutsche, die schon länger auf der Insel sind, zu helfen. Die meisten wollen dabei nur ihr eigenes Portemonnaie vollmachen." Dass Becher Mallorca eine „Pirateninsel" nennt, ist gar nicht witzig gemeint: Die heutigen Piraten treten als Geschäftsleute, Versicherungsvertreter oder irgendwelche Spezialisten auf. „Manche prahlen damit, dass sie große Veranstaltungen planen. Am Ende wollen sie nur einen Vorschuss kassieren, das Event findet aber nie statt."
Doch das sächsische Ehepaar lässt sich davon nicht abschrecken, überspringt eine Hürde nach der anderen. „Wir wollten ja was erreichen, da muss man auch alles geben." Die Idee: Das Gelände soll bleiben, aber zur Eventfinca umgebaut werden. Die beiden planen neben Musik- und Kunstveranstaltungen auch Showkochen und Grillkurse, ebenso Caterings und Hochzeitsfeiern auf der ganzen Insel. „Da trifft man dann gleich die nächsten Piraten, die versuchen, dir zu schaden." Hänsel und Becher wurden mehrfach von Eventausstattern und Lieferanten sitzen gelassen. „Die kamen einfach nicht, und wir haben nie wieder was von ihnen gehört."
Probleme, die auch Rechtsanwalt Jörn Freudenberg aus Oranienburg bei Berlin kennt – zu ihm kommen immer wieder frustrierte Auswanderer. Auch die Geschichte von Hänsel und Becher hat er im Fernsehen mitverfolgt. „Das ist ein ganz typisches Muster", sagt er. „Das Problem: Kommt es zum Betrugsfall, gilt meist Landesrecht, und die Behörden vor Ort sind zuständig." Da seine Rechte durchzusetzen sei teuer und könne Jahre dauern. Freudenberg erinnert sich noch an den Fall eines Hamburger Gastronomen: „Der Mann stand verzweifelt in unserer Kanzlei, hatte für einen versprochenen Mietvertrag in Palma eine Vorleistung von fast 20.000 Euro geleistet." Die Räume hat er allerdings nie bezogen. „Der angebliche spanische Vermieter entpuppte sich als Makler, die Vorauszahlung war lediglich seine Provision." Der Gastronom sei mittlerweile längst zurück in Deutschland.
Zumindest das wird auf Bechers Eventfinca nicht passieren. „Wir haben mithilfe eines befreundeten Anwalts einen soliden Mietvertrag über 15 Jahre abgeschlossen", erzählt der Auswanderer. Mittlerweile läuft es ganz gut, Finca und Cateringservice seien gut ausgelastet. „Das Beste dabei: Auch Spanier gehören zu unseren Kunden. Das sichert uns das Geschäft in der Nebensaison im Winter." Bestimmt hat dazu beigetragen, dass sich Sandra Hänsel und Jens Becher inzwischen auf Spanisch mit ihren Gästen verständigen können.
Und die Grillkurse, für die Becher mal bekannt war? „Das mache ich jetzt in Eigenregie", erzählt der Grillmeister. Er ist zu Recht stolz: „Viele Leute reisen extra aus Deutschland dafür an."