Jedes Jahr pilgern Millionen von Menschen zu den Musikfestivals, die quer durch die Republik veranstaltet werden. Wir stellen einige der Top-Events vor.
Sich von den Zwängen des Alltags befreien, die Augen schließen und tanzen, Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen. Märchenwelten durchschreiten, die Pupillen wandern lassen, ein Meer an Impressionen genießen. Kindlich in unsterbliche Melodien eintauchen, den Körper im Takt mitschwingen fühlen, die Freiheit mit allen Poren inhalieren. All das sind Gründe, Tickets für Musikfestivals wie „Rock im Park", „Melt" oder „Southside" zu bestellen. Manchmal fällt die Entscheidung nicht leicht. Jahr für Jahr steigen die Preise – und lohnen soll es sich auf jeden Fall.
Rock küsst Idylle
Im Süden der Republik bekommt man für sein Geld feine Unterhaltung geboten; etwa beim „Taubertal Festival", das dieses Jahr vom 10. bis zum 12. August Acts wie In Flames, Kraftklub, Broilers, Feine Sahne Fischfilet oder die Beatsteaks über die Bühne rauschen lässt. Volker Hirsch, Veranstalter des Festivals und Geschäftsführer der Konzert-Agentur Karo, nennt die Nähe zwischen den Bands und dem Publikum als wichtigen Faktor für den Erfolg. Er veranstalte demgemäß die „Clubshow unter den Festivals". Das beschauliche Szenario wirkt wie von einer Postkarte kopiert. Neben dem Festivalgelände plätschert ein Bach, in dem auch schon Marteria („Lila Wolken") – der auch dieses Jahr auftreten wird – seine Füße erfrischt hat, im Hintergrund grüßt die weltbekannte Rothenburg, das Publikum macht es sich auf grünen Hängen gemütlich. Die Gelassenheit geht bisweilen so weit, dass der Veranstalter, wie er berichtet, vor einigen Jahren vergaß, einen Headliner mit dem Shuttlebus aus dem Restaurant abzuholen: „Die Band ist dann ganz entspannt zu Fuß ins Tal gelaufen und gerade noch rechtzeitig gekommen, um pünktlich den Auftritt zu starten." Die Atmosphäre ist friedlich bis familiär – es kommt kaum zu Streitereien oder Gewalt. Trotzdem gilt die Stimmung als gigantisch – in den ersten Reihen wird eine „Ramba-Zamba-Party" abgefackelt, inklusive grobkörniger Tanzschritte und flugzeuglautem Chorgesang. Wer abends gerne länger feiert, fährt mit dem Taxi zum wenige Kilometer entfernten Steinbruch – dort wird bis in die Morgenstunden weitergezappelt.
Fast alles umsonst
In Karlsruhe steigt vom 20. bis 22. Juli in der Günther-Klotz-Anlage, nahe der Europahalle, ein Festival, dessen Name hinter internationalen Marken wie „Rock am Ring" oder „Tomorrowland" zwar zurücksteht, dennoch aber unglaubliche Menschenmassen anzieht: „Das Fest". Projektleiter Sven Varsek verweist auf das altersunabhängige Spektrum, das den Event ausmacht: „‚Das Fest‘ wird auch nach mehr als 30 Jahren seinem Ruf als Familienfestival gerecht. Denn hier kommen alle Generationen auf ihre Kosten, und das zum Großteil kostenfrei. Lediglich für den Zugang zum Bereich vor der Hauptbühne ist ein Ticket erforderlich. Dort erlebt man bekannte Acts wie zum Beispiel Mando Diao oder die Simple Minds – heuer die namhaftesten Bandverpflichtungen." Durch die Kulisse des „Mount Klotz", der große Hügel gegenüber der Hauptbühne, fühlen sich die 40.000 Festivalbesucher wie in einem riesigen Amphitheater: „Selbst manche Musiker sind geflasht, wenn dieser ‚Fleischberg‘ –
so nannte ihn Jan Delay – bei ihren Songs zum Beben kommt oder sich abends in ein glitzerndes Lichtermeer verwandelt." Neben der Hauptbühne schallen von der Kultur-, Feld- und DJ-Bühne saftige Beats lokaler Helden, europäischer Nachwuchskünstler oder weltbekannter Plattenbischöfe. Im Sportpark werden Trendsportarten zum Ausprobieren angeboten. Wo sieht Varsek ‚Das Fest‘ in zehn Jahren? „‚Das Fest‘ steht gut da. Ganz Karlsruhe und die gesamte Region freuen sich auf ‚ihr‘ Festival. Und wenn es dann soweit ist, feiern 250.000 Menschen ein fröhliches Happening. Im Hintergrund steht das Organisationsteam jedes Jahr vor der großen Aufgabe, den eigenen ‚Spirit‘ zu pflegen, parallel dem Zeitgeist zu folgen und sich selbst zu erneuern." Gerade heute sei es wichtig, als Veranstalter für Kontinuität und Beständigkeit zu sorgen. So gelte es einerseits, ein Ohr am Puls der Zeit zu haben, um innovative Neuerungen frühzeitig zu erkennen und in den Festivalablauf zu implementieren, andererseits drehe man bei anstehenden Veränderungen nur an kleinen Schrauben, um die Grundstruktur des Festivals zu erhalten.
Europa grüßt
Von regional zu international. Im Dreiländereck Österreich-Ungarn-Slowakei findet vom 14. bis 17. Juni das „Nova Rock"-Festival statt. Auf den Pannonia-Fields in Nickelsdorf werden dann über 100 Bands den Grund zum Beben bringen. Die Toten Hosen starten als Headliner am Donnerstag. Einen Tag später wird die kalifornische Heavy-Metal-Band Avenged Sevenfold auftreten: Am Samstag gehört die Hauptbühne Volbeat und am Sonntag den Hard-Rock-Veteranen Iron Maiden. Doch nicht nur lauter, melodischer oder schneller Rock stehen auf dem Programm, auch Hip Hop, Elektronisches und Pop haben Platz. Eine besondere Überraschung ist der Late-Night-Act: Otto Waalkes; er war mit seinen Friesenjungs schon 2011 im Burgenland und hat dort für mächtig Gekicher gesorgt. Daneben gibt es ein Wiedersehen mit Wendi’s Böhmischer Blasmusik beim traditionellen Frühschoppen. Ewald Tatar, Intendant des Festivals, zieht eine Anekdote aus dem Hut: „2006, als Guns n‘ Roses zu Gast waren, waren alle sehr gespannt, welche zusätzlichen Sachen für Axl Rose zu besorgen wären, ob er pünktlich in Wien landet und ob er es auch zu angegebener Zeit auf die Bühne schafft. Es war eine absolute Punktlandung, alles klappte genau und er hatte nur einen Sonderwunsch: Marillenknödel." Apropos Kulinarik: Wer gerne schlemmt, sollte einen Besuch in der Burgenland-Arena einplanen – eine Genuss-Terrasse zentral am Kerngelände mit Sonnenschutz und Sitzmöglichkeiten. Kredenzt werden burgenländische Spezialitäten mit Zutaten aus der Region, etwa Spanferkel, gefüllte Paprika, Gulasch, Schupfnudeln, Schnitzel-Semmeln sowie regionale Weine und Säfte.
Wenn Platten hüpfen
Der „World Club Dome" in der Commerzbank Arena Frankfurt wird in diesem Jahr zum zehnten Mal ausgetragen. Vom 1. bis zum 3. Juni lautet auf über 700.000 Quadratmetern das Motto: „Hollywood Edition". Wie jedes Jahr gibt sich die Elite der internationalen DJs die zur Musiknote geformte Klinke in die Hand. An den Reglern der Mainstage stehen unter anderem Martin Garrix, Nicky Romero, Robin Schulz, Steve Aoki, Tiesto, Axwell & Ingrosso und Lost Frequencies. Eine besondere Neuerung: die Zombie Stage. Dort werden düstere bis morbide Takte angeschlagen. Fans der Genres Psy-Trance, Gabber und Co. dürfen sich etwa auf Angerfist, Brennan Heart, Neelix, Miss K8 oder Le Shuuk freuen. Rund um das Stadion sind Stände aufgebaut, an denen kühles Bier, duftende Pizza oder Merchandise-Artikel angeboten werden. Auf einer kleinen Lichtung, versteckt zwischen Bäumen und Sträuchern, wird Hochprozentiges ausgeschenkt – hier kommt echte Gartenparty-Stimmung auf. Wer Lust auf eine Erfrischung hat, kann sich im nur wenige Gehminuten entfernten Schwimmbad auf Tauchstation begeben.