Erst wurde heftig um das Ende des Bergbaus gestritten, jetzt geht ein mindestens ebenso heftiger Streit um den Umgang mit den Hinterlassenschaften einher. Die hat man nicht ohne Grund als „Ewigkeitsaufgabe" eingestuft. Im Saarland gibt es eine verschärfte Auseinandersetzung um Grubenwasser.
Autobahnen im Saarland lahm gelegt. Nichts gehr mehr. Und ein ganzes Land unterstützt die Proteste oder zeigt zumindest großes Verständnis. Es war der heiße März 1997, in dem der Streit um die Subventionen für den deutschen Steinkohlebergbau eskalierte und vielen klar war, dass es eine entscheidende Etappe um die Existenz des Bergbaus insgesamt sein würde. Dessen Ende wurde dann auch tatsächlich zehn Jahre später (2007) endgültig besiegelt. Ein Jahr später (2008) beschleunigte das schwere bergbaubedingte Beben in der Region um Saarwellingen das Ende der Bergbauära im Saarland. Die letzte Kohle wurde im Juni 2012 gefördert.
Neue Erkenntnisse, anderes Bewusstsein
Das Beben beschleunigte aber auch einen Mentalitätswandel, der schon zuvor im Gange war. Der in den 250 Jahren aktiven Bergbaus gewachsene Stolz geriet in die Defensive. Ein Viertel Jahrtausend hatten die Gefahren im Bergbau und der Kampf um das schwarze Gold die Menschen zusammengeschweißt und eine Haltung entwickelt, wie sie nur in Bergbauregionen zu finden ist, wo die Menschen auch über Tage das leben, was unter Tage überlebensnotwendig ist. Dass das Saarland bis heute die höchste Vereinsdichte hat und beim ehrenamtlichen Engagement Spitze ist, ist kein Zufall.
Gleichzeitig mit den Auseinandersetzungen um die Subventionen wurde immer deutlicher, dass der Wohlstand durch den Bergbau seinen Preis hat, nicht nur einen finanziellen. Die Folgen für die Umwelt, die zuvor in Kauf genommen wurden, wurden zunehmend Thema. Ein grundsätzlich geändertes Bewusstsein für die Umwelt, gepaart mit einem Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnisse schärfte die Aufmerksamkeit für Langzeitfolgen. Und deren Probleme treten jetzt nach dem Ende des aktiven Bergbaus umso deutlicher zutage.
Dabei stehen einer einigermaßen sachlichen Diskussion auch andere „Altlasten" im Weg. Da ist zum einen das Bergrecht. Um Genehmigungen nach diesem Bergrecht wird immer wieder juristisch gefochten. Die jüngste Auseinadersetzung geht um die 2013 nach einem „Sonderbetriebsplan" erteilte Genehmigung für einen Grubenwasseranstieg auf minus 400 Meter NN, den das Verwaltungsgericht Saarlouis auf Klage der Gemeinde Nalbach als unrechtmäßig angesehen hat. Die RAG hat den Spruch wie erwartet angefochten.
Da ist zum anderen gewachsenes Misstrauen. Ein Ausdruck davon war der Untersuchungsausschuss in der vergangenen Legislaturperiode im Landtag. Der sollte auf Antrag der Grünen herausfinden, ob es Absprachen bei Genehmigungen zwischen RAG, Behörden und der Landespolitik gab (und gibt). Ex-Grünen Chef Hubert Ulrich spricht von „Kumpanei", räumt aber ein, dass der Ausschuss dies nicht hat nachweisen können.
Diskussion gibt es auch um den sogenannten Erblastenvertrag, der die Nachbergbau-Folgen regelt. Die RAG argumentiert, sie sei damit zwar in der Pflicht unter anderem für die Wasserhaltung. Ein „ewiges Pumpen" sei dort aber nicht zwingend vorgeschrieben. Dagegen steht, dass es aber offenbar neben den schriftlichen Festlegungen eindeutige mündliche Absprachen genau in dieser Richtung auf höchster Ebene gegeben hat, an die sich das Unternehmen halten müsse. Die Landesregierung betont allerdings, dass das Unternehmen, wie jedes andere auch in einem Rechtsstaat, zunächst einmal einen Anspruch darauf habe, dass seine Anträge behördlich und im Zweifel juristisch geprüft werden.
Von Skepsis bis Misstrauen
Und schließlich erleichtert die Auseinandersetzung um jedes Gutachten nicht gerade eine sachliche Diskussion. In Nordrhein-Westfalen sorgte ein Gutachten über in Bergwerken eingelagerten Giftmüll für große Besorgnis, ein aktuelles Gutachten geht davon aus, dass von den Einlagerungen keine Gefahr ausgeht. Im Saarland spielen solche Einlagerungen offenbar keine Rolle. Ähnlich gelagert ist die Diskussion um PCB, das bis zum Verbot im Bergwerk eingesetzt wurde. Die einen sind alarmiert durch vielfach überschrittene Grenzwerte, die anderen verweisen darauf, dass nur ein Prozent der gesamten PCB-Belastung der Gewässer aus dem Bergbau kommt.
PCB kann auch als klassisches Beispiel dafür dienen, wie ein einst als ideal angesehener Stoff durch weitere Erkenntnisse als hochgiftig enttarnt (und schließlich verboten) wurde. Skeptiker verweisen in solchen Zusammenhängen auch regelmäßig auf Asse hin. Für das dort einst geplante Atommülllager bescheinigten Gutachten ideale Voraussetzungen, bis allen Gutachten zum Trotz eben doch Wasser eingedrungen war. Entsprechend kritisch werden jetzt auch Gutachten beurteilt, die Grundlage des laufenden Genehmigungsverfahrens für die sogenannte Erste Phase mit einem Anstieg des Grubenwassers auf minus 320 Meter NN sind.
Die Landesregierung hat in diesem Verfahren immer wider betont, es werde keine Genehmigung geben, wenn nicht zweifelsfrei Gefahren für Leib, Leben, Umwelt und damit auch das Trinkwasser ausgeschlossen werden könnten. Darauf hat auch Ministerpräsident Tobias Hans in seiner ersten Regierungserklärung bestanden. Nach allen Erfahrungen kann das mit dem „zweifelsfrei" in diesem Fall im wahrsten Wortsinn naturgemäß ein Problem werden. Denn diese Natur kann, erst recht wenn der Mensch zuvor derart massiv eingegriffen hat, schon mal ein unerwartetes Eigenleben entwickeln. Siehe Saarwellingen oder Asse.