Seitdem die Pläne der RAG zur Grubenwasserhaltung bekannt geworden sind, laufen Bürgerinitiativen und die Grünen Sturm dagegen. Der Verein „Pro H2O Saar" will den Protest überparteilich bündeln. Hubert Ulrich, Ex-Grünen-Chef und einer der Sprecher, über Kumpaneien und drohende Gefährdungen.
Herr Ulrich, die RAG ist jetzt noch einmal in die Offensive gegangen, informiert die Öffentlichkeit über ihre Pläne, nachdem sie sich bis zur Einspruchsfrist zurückgehalten hat. Wie kommt das bei Ihnen an?
Die RAG tut das, was sie eigentlich seit Jahrzehnten hier macht: Sie versucht, die Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen. Die RAG agiert hier im Saarland – in Nordrhein-Westfalen ist das ganz ähnlich – nach wie vor wie ein Staat im Staate. Bestes Beispiel ist das jüngste Gerichtsurteil gegen die RAG: Der Grubenwasseranstieg, der unter Heiko Maas (Anm.: damals Wirtschaftsminister im Saarland) 2013 genehmigt wurde, war demnach nicht rechtmäßig. Es muss weiter gepumpt werden. Das Gericht hat im Prinzip die Argumente vorgebracht, die wir Grüne im Landtag drei Jahre lang vorgetragen haben. Und jetzt tut die RAG so, als ob quasi nichts vorgefallen wäre. Der Gipfel ist aber die aktuelle Äußerung der RAG, dass sie demnächst die Genehmigung für die Phase I (Anm.: Anstieg bis -320 Meter NN) von der Landesregierung erwartet. Gegen dieses Verfahren haben rund 7000 Menschen im Saarland Einwendungen eingelegt. Zudem gibt es auch in der Sache viele Probleme, darunter die Gefahr einer Trinkwasserverunreinigung, die Gefahr von Erderschütterungen, Hebungen oder Senkungen. Es können bis zu 600.000 Menschen im Saarland betroffen sein. Vor diesem Hintergrund erweckt ein solcher Satz bei mir den Eindruck, dass es eine gewisse Kumpanei zwischen den Bergbehörden, den zuständigen Ministerien und der RAG gibt, wenn man bereits im Vorfeld davon ausgeht, dass die Genehmigung erteilt wird. Das erinnert an die Vorgehensweise unter Heiko Maas 2013. Falls doch eine Genehmigung erteilt wird, dann wird es sicher Klagen dagegen geben. Die RAG sollte also nicht davon ausgehen, dass das alles so vonstatten geht, wie sie sich das vorstellt.
Während des Landtagswahlkampfs vor gut einem Jahr hatte man noch den Eindruck, dass die Pläne noch kein wirkliches Thema sind. Das hat sich inzwischen geändert. Worauf führen Sie das zurück?
Wir haben die Pläne seit 2012, als wir von der Absicht der kompletten Flutung erfahren haben, im Landtag thematisiert. Und wir haben vor dem Hintergrund der jetzt vom Gericht verworfenen Genehmigung zur Flutung des Bergwerks Saar einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Ziel war es, die von uns vermutete Kumpanei zwischen RAG und Landesregierung zu belegen. Zwar haben die Betroffenen gemauert. Allerdings ergaben sich für die Kumpanei durchaus Anhaltspunkte. Spätestens das Ergebnis jetzt vor Gericht spricht Bände. Im Wahlkampf hatte das Thema nicht das Gewicht wie heute. Mittlerweile aber wehren sich viele saarländische Kommunen gegen einen Grubenwasseranstieg. Und immer mehr Menschen im Saarland wird klar, dass es hier um eine sehr ernsthafte Gefahr für unser Trinkwasser geht. Nicht heute, nicht morgen, aber in zehn, vielleicht erst in zwanzig Jahren. Das Planfeststellungsverfahren wurde von der RAG ganz bewusst hinter die Landtagswahl gelegt. Denn den Akteuren war sehr bewusst, dass da eine Menge Sprengstoff drinsteckt.
Die RAG argumentiert mit Hinweis auf das Gutachten von Prof. Wagner, dass es bei dem jetzt beantragten Anstieg bis -320 Meter keine Gefahr für das Trinkwasser gibt, wegen der Abstände und der geologischen Struktur. Wo ist also das Problem?
Die Hauptgefahren für das Trinkwasser entstehen beim Komplettanstieg, den die RAG ja anstrebt. Man sollte aber auch die Gefahren für die direkten Bergbaubetroffenen sehen, die bereits bei einem Teilanstieg bestehen. Das sind zum Beispiel Erderschütterungen, Hebungen, Senkungen. Aber das Gutachten hat Passagen, die selbst uns überrascht haben. Im Raum Saarbrücken, insbesondere Scheidter Tal, bestehen selbst bei der ersten Phase über sogenannte Kapillarwirkungen Gefahren für das Trinkwasser. Die sind zwar nicht wahrscheinlich, aber sie sind gegeben. Es gibt aber auch das Problem mit Radon-Austritt, auch schon bei – 320 Meter. Aber die größte Gefahr besteht tatsächlich bei der zweiten Phase, dem Komplettanstieg.
Warum dann der große Widerstand gegen den jetzigen Antrag?
Man muss wissen, dass die Landesregierung bei Prof. Wagner nur ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, das einen Anstieg bis auf -320 Meter betrachtet. Die weiteren Auswirkungen durfte er ja interessanterweise gar nicht untersuchen, weil man offenbar Angst hatte, dass dann Dinge drinstehen würden, die die Sachlage klarmachen. Die Trinkwassergefährdung ist übrigens nur das eine Problem. Ebenso gravierend ist die schon seit Jahren laufende Einleitung des Grubenwassers in den Fischbach, den Sinnerbach und somit auch in die Saar. Diese Einleitungen sind hochproblematisch. Minister Jost hat vor Kurzem – auch nach der Wahl! – die Gutachten dazu vorgestellt. Und da kam heraus, dass es massivste Grenzwertüberschreitungen, insbesondere bei PCB gibt. Meiner Einschätzung nach ist das eine Umweltstraftat, und es wundert mich, dass die saarländischen Ermittlungsbehörden bis zum heutigen Tag nicht tätig geworden sind.
Es wird aber auch gesagt, dass lediglich ein Prozent der PCB-Belastung aus dem Bergbau stammt.
Es kommt darauf an, wo sie messen und wie sie messen. Die RAG hat ja bis 2011, bis Staatssekretär Klaus Borger richtige PCB-Untersuchungen mit der Filtermethode hat machen lassen, eigene Untersuchungen mit der Zehn-Liter-Methode gemacht. Man hatte bis dato mit einem Eimer eine Probe von zehn Litern Wasser genommen und dann kein PCB gefunden. Mit dieser Methode können sie aber kein PCB messen, das wusste die RAG, das wissen alle Fachleute. So führt die RAG die Behörden und die Öffentlichkeit an der Nase herum. Die RAG gibt ja immer nur das zu, was man ihr nachweisen kann. Die PCB-Problematik ist von uns im Landtag aufgedeckt worden. Bis dahin gab es eine große Vertuschungskumpanei.
Das Unternehmen argumentiert nun, dass nach ihren Plänen bei dem Anstieg rund 70 Kilometer Gewässer nicht mehr belastet würden, weil dort dann nichts mehr eingeleitet wird.
Wenn die Pläne genehmigt werden, dann wird zunächst kein Grubenwasser in den Fischbach, den Sinnerbach und die Saar eingeleitet. Da passiert erst mal lange nichts, weil nichts abgepumpt wird. Und damit muss die RAG auch kein Wasser reinigen. Vor der Wasserreinigung drückt sich der Konzern schon lange. Mit dem Grubenwasseranstieg kommt man erst einmal für etwa zwei Jahrzehnte um die Problematik herum. Im Übrigen ist ja durch unsere Initiative inzwischen bekannt, dass es an der Uni ein Unternehmen gibt, das sagt: Technisch ist die Reinigung kein Problem. Sie kostet etwa zwei bis drei Millionen Euro pro Jahr. Aber auch da zeigt sich wieder die Beißhemmung der Regierung, und wie dieser Konzern geschont wird. Anstatt die RAG klar anzuweisen, diese Technik jetzt zu bauen, wird immer wieder auf Zeit gespielt.
Nun sagt die RAG, dass im Erblastenvertrag das „ewige Pumpen" nicht ausdrücklich drinstehen würde.
Das dauerhafte Abpumpen ist darin vereinbart. Der ehemalige saarländische Ministerpräsident Peter Müller und heutige Bundesverfassungsrichter, der bekanntlich kein Grünes Parteibuch hat, hat im Untersuchungsausschuss vor einem Jahr klipp und klar erklärt: ‚Ich habe mit denen vereinbart, dass hier ewig gepumpt wird’. Das kann man im Protokoll nachlesen. Und als Jurist weiß dieser Mann wohl genau, was er sagt. Diese Aussage von Peter Müller ist ein Schlag ins Gesicht der Landesregierung und RAG mit Blick auf deren Aussagen. Der Vertrag beruht auf dauerhaftem Pumpen, das sagt der ehemalige MP, der den Vertrag unterzeichnet hat. Das ist der Geist des Vertrages.
Unsere Hauptkritik am Vorgehen der Landesregierung besteht darin, dass sie nicht klar zum Erblastenvertrag steht, wie wir das noch zu unserer Zeit gemacht haben. Die Landesregierung sagt jetzt: Die RAG hat einen Rechtsanspruch, wir müssen erst mal prüfen, was die beantragen, dann sehen wir mal. Und nur wenn dann alle Zweifel ausgeräumt sind, genehmigen wir das. Ich gehe davon aus, dass die RAG Gutachten vorlegen wird, wie sie es braucht. Das ist ja ein bekanntes Vorgehen. Das Paradebeispiel, wie so etwas läuft, ist die Atommülldeponie Asse. Dort haben Gutachten gesagt, dass kein Wasser eindringen könnte. Es hat nicht lange gedauert, dann konnte man dort baden.
Die Landesregierung betont, dass die RAG einen rechtsstaatlichen Anspruch auf Prüfung des Antrags hat. Was spricht dagegen?
Es ist doch schon verräterisch, dass die Landesregierung dem Konzern nie gesagt hat: Wir haben die klare Vereinbarung, dass dauerhaft gepumpt wird. Wenn die RAG das nicht will, soll sie dagegen klagen. Das ist nie geschehen. Allein das macht doch klar, dass es von Anfang an Absprachen gab. Wer glaubt, dass die vom Staat finanzierte RAG ihr Handeln mit der Politik nicht abstimmt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.
Dass in solchen Fragen jede Seite Gutachten vorzeigen kann, die die jeweils eigene Position unterstützen, kennen wir ja aus vielen strittigen Verfahren. Das macht es nicht gerade leicht, zu einer objektiven Einschätzung zu kommen.
Fakt ist, dass die RAG 2007 eine Vereinbarung mit dem Saarland getroffen hat, das Grubenwasser nicht bis ganz nach oben ansteigen zu lassen. Hintergrund war der Schutz des Trinkwassers. Das hat das Unternehmen doch getan, weil es selbst eine reale Gefahr gesehen hat. Damals waren aber die Zinsen auch für die Stiftung der RAG noch andere. Sie waren nämlich deutlich günstiger. Das hat sich inzwischen geändert, das ist die einzige echte Veränderung, die es gab. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Sie spielen auf die Finanzierung der Ewigkeitslasten durch die RAG-Stiftung und die Dauerniedrigzinsen an?
Richtig. Das Zinsniveau ist das Problem der RAG-Stiftung. Man muss sich aber auch klarmachen, die 17 bis 20 Millionen Euro, die das Pumpen im Saarland pro Jahr kostet, sind nicht das Hauptproblem. In Nordrhein-Westfalen reden wir da von einer Summe von 200 bis 250 Millionen pro Jahr. Vor diesem Hintergrund wird die Absicht klar: Wir hier im Saarland sind das Versuchskaninchen. Wenn es hier im Saarland klappt, ist das die Blaupause, um damit in NRW zu argumentieren: Wenn es im Saarland geklappt hat, können wir die Pumpen in NRW auch abstellen, und dann wird richtig Geld gespart. Darum geht es.
Jetzt haben wir aber erfahren, dass ewiges Weiterpumpen wie bisher auch keine Lösung ist, um mit den Folgen des Bergbaus und der Schadstoffbelastung umzugehen.
Diese Schadstoffe kann man herausfiltern, das muss die RAG leisten. Diesen Schaden hat der Konzern angerichtet, und macht das auch dauerhaft weiter. Es kann nicht sein, dass unsere Gewässer weiter belastet werden. Es gibt technische Möglichkeiten, die kosten Geld, aber wir müssen das Trinkwasser als eines der wichtigsten Güter, die wir haben, und auch unser Oberflächenwasser schützen.
Als Barbara Meyer-Gluche von den Grünen das Unternehmen ins Gespräch gebracht hat, das eben diese Technologie anbietet, gab es Kopfschütteln. Das Unternehmen sitzt schließlich vor der Haustür. Warum ist man nicht früher auf die Idee gekommen?
Entweder fehlt es der Landesregierung an Kompetenz oder am Willen. Beides wäre ein Problem. Bei der RAG gibt es sicherlich die Kompetenz, aber man wollte es nicht. Und das Unternehmen hier an der Saar ist ja nicht das einzige, das dazu in der Lage ist. Die RAG hat immer wieder, auch im Landtag, behauptet, da müssten erst neue Anlagen entwickelt werden. Das hat so ganz einfach nicht gestimmt.
Wie geht es nach ihrer Einschätzung jetzt weiter?
Es gibt eine Menge Einwendungen, die müssen erst einmal geprüft werden. Das ist eine Menge Arbeit, warten wir mal ab, was dabei rauskommt. Und wenn dann eine Genehmigung käme, wird es Klagen geben, meine wird dabei sein.