Langfristig sollen die Pumpen abgestellt werden, das Wasser soll aus den Gruben überlaufen und in die Saar fließen. Beantragt ist jetzt eine erste Phase, die das Unternehmen für weitgehend unproblematisch hält.
Sie ist durchaus ein kleines Schmuckstück, die neue Repräsentanz der RAG an der Saar, ganz in der über 250-jährigen Tradition. In der aufwendig sanierten ehemaligen Maschinenhalle in Ensdorf inszeniert das Unternehmen mit einigem technischen Aufwand einer interaktiven Ausstellung zwischen dem sorgsam gehüteten letzten Stück Kohle aus saarländischem Boden bis zu Modellen der geplanten Grubenwasserhaltung. „Dem Wandel Raum schaffen", titelt das Unternehmen in einer Broschüre.
Im Veranstaltungsraum davor stellen sich Spitzenrepräsentanten des Unternehmens bohrenden Journalistenfragen. Eine Informationsoffensive, die nach knapp 7000 Einwendungen gegen die Pläne zur Grubenflutung geboten ist.
Anstieg würde Entlastungen bringen
Letztendlich ging und geht es um die Pläne, die bereits 2014 als „Konzept zur langfristigen Optimierung der Grubenwasserhaltung" vorgelegt worden war. Das sei, betont der Regionalvertreter der RAG im Saarland, Uwe Penth, „nicht einfach eine Idee der RAG", sondern letztlich Konsequenz aus dem „Erblastenvertrag". Der regelt zunächst, wer für die Nachbergbau-Folgen zuständig ist und die Kosten zu tragen hat. Dass der zu einem „ewigen Pumpen" verpflichtet, ist für die RAG nicht ausgemacht. „Ewig Grubenwasser zu pumpen, ohne Alternativen zu prüfen, ist künftigen Generationen gegenüber nicht vertretbar", heißt es in einer Informationsbroschüre des Unternehmens.
Die „Alternativen" sehen nun eine Komplettflutung in zwei Phasen vor. Im Konzept aus 2014 heißt es bereits in der Zusammenfassung etwas technisch formuliert: „Im Endzustand sieht das Konzept die Annahme des Grubenwassers aus der Gesamtprovinz an den saarnahen Standorten Duhamel und bei Bedarf Luisenthal und das drucklose Einleiten der Grubenwässer in die Saar frühestens im Jahr 2035 vor". Wobei „drucklos" nichts anderes heißt, als dass die Pumpen abgestellt sind und das Grubenwasser aus dem gefluteten Bergwerk direkt in die Saar fließt.
Gleichzeitig räumte die RAG bereits damals ein, dass die „angedachte langfristige Optimierung…risikobehaftet ist". Deshalb, so die Ankündigung, werde man die notwendigen Genehmigungen „sukzessive" beantragen. Die jetzt mit einer sogenannten „Planerischen Mitteilung" beantragte Phase 1 sieht den Anstieg des Grubenwassers auf -320 Meter NN vor. Erst später soll dann Phase 2 mit dem vollständigen Volllaufen folgen.
In der Phase 1 soll aus den sogenannten „Wasserprovinzen" Reden und Duhamel eine werden, wenn nämlich durch den Anstieg des Grubenwassers auf -320 NN das gesamte Wasser unterirdisch durch Verbindungsstollen aus der Wasserprovinz Reden (Reden, Göttelborn und Dilsburg) zum Pumpstandort Duhamel fließt. Das würde, so die RAG-Pläne, rund 70 Gewässerkilometer von Grubenwasserbelastungen befreien. Derzeit werden in Reden knapp 14 Millionen Kubikmeter Grubenwasser gefördert und in den Sinnerbach und Klinkenbach in die Saar abgeleitet.
Entsprechend würden diese Gewässer von PCB- und anderen Schad- und Giftstoffen, die mit dem Grubenwasser eingetragen werden, entlastet. Die jüngsten Untersuchungen des Umweltministeriums haben ergeben, dass im Sinner- und Fischbach die Grenzwerte für Umweltgifte, insbesondere PCB, um ein Vielfaches überschritten werden. Nach den RAG-Plänen wären diese Gewässer frei von Grubenwasserbelastungen, man würde sich „stufenweise den natürlichen Gegebenheiten nähern", argumentiert das Unternehmen.
Zugleich widerspricht die RAG der Befürchtung, dass dann sämtliche Schadstoffe konzentriert direkt in die Saar gepumpt würden. Auf dem unterirdischen Weg im ansteigenden Wasser würden schwerere Schadstoffe nach unten sinken. Damit käme eine deutlich geringere Fracht in Duhamel an.
Nach den jüngsten Messergebnissen ist der Druck auf das Unternehmen gewachsen, für eine Reinigung zu sorgen, bevor das Grubenwasser in Bäche und Flüsse eingeleitet wird. In Nordrhein-Westfalen hatte das Umweltministerium im vergangenen Jahr die Errichtung von Pilotanlagen gefordert, um die notwendige Technik zu erproben. Ziel sollte nach Angaben des Ministeriums sein, mehr als 90 Prozent gefährlicher Stoffe, vor allem PCB, aus dem Grubenwasser zu filtern. Nach aktuellem Stand der Planung soll die Pilotanlage im Sommer fertig sein, mit Ergebnissen rechnet die RAG Anfang kommenden Jahres. Erkenntnisse daraus werde man natürlich auf das Saarland übertragen, betonte Joachim Löchte, bei der RAG zuständig unter anderem für Gesundheits- und Umweltschutz.
Langfristige Pläne risikobehaftet
So lange wollte Saar-Umweltminister Reinhold Jost nicht warten. Er hat eine ursprünglich bis Jahresende laufende Frist verkürzt und fordert vom Unternehmen bis Jahresmitte ein Konzept zur Reduzierung der Umweltgifte vorzulegen. Umgesetzt werden müsste es bis Ende des Jahres, denn dann laufen die Wasserbescheide zur Einleitung von Grubenwasser in Fließgewässer aus.
Vorsorglich hat das Ministerium selbst einen Probelauf mit kleinen Testanlagen der saarländischen Firma Blue Filtration veranlasst, um im Zweifel „gegenüber der RAG etwas in der Hand zu haben", wird der Minister zitiert. Denn, so eine Vermutung, das Unternehmen habe womöglich darauf gesetzt, möglichst schnell eine Genehmigung für die erste Phase der Flutung zu bekommen, wodurch sich (s.o.) die Belastung der Oberflächengewässer reduzieren würde.
Für die jetzt beantragte Phase 1 sieht die RAG keine Auswirkungen auf das Trinkwasser. Mit -320 Meter NN, was etwa 500 Meter unter der Erdoberfläche entspräche, würde der Grubenwasserspiegel weit unterhalb der Trinkwasserreservoirs liegen, die zudem durch eine wasserundurchlässige Tonschicht getrennt wären. In keinem Gebiet sei die Trinkwassergewinnung berührt, betont die RAG unter Verweis auf ein Gutachten des Hydrogeologen Prof. Jürgen Wagner. Der hatte allerdings auch genauere Untersuchungen zum Scheidter Tal empfohlen.
Dass es zu Erderschütterungen kommen könnte, wird nicht ganz ausgeschlossen. Durch den Anstieg des Wassers könnten vorhandene Spannungen gelöst werden, allerdings keine neue entstehen, wie zu Zeiten des aktiven Abbaus. Und auch das Problem des Gasaustritts hält die RAG für überschau- und beherrschbar. Zwar werde sich der Gasaustritt zunächst erhöhen, diese würden aber durch die vorhandenen Absauganlagen sowie eine zusätzliche in Sinnerthal abgesaugt. Die Radonwerte blieben, so die RAG, unterhalb der vom Bundesamt für Strahlenschutz empfohlenen Grenzwerte.
Dass Skepsis und Misstrauen, gegenüber dem Unternehmen aber auch gegenüber Gutachten, tief sitzen, ist mitten in der ersten Sortierungsphase der zahlreichen Einwendungen gegen diese Pläne deutlich geworden. Zehn Jahre ist es nun, als das Saarland am 23. Februar 2008 vom bis dahin schwersten bergbaubedingten Beben erschüttert wurde. Damit war das vorgezogene Ende des Kohleabbaus im Saarland besiegelt. Wie lang die „Ewigkeit" der Folgen dauert, ist noch nicht ausgemacht.