Das Mammutverfahren um die beantragte erste Phase für die Grubenflutung steht erst am Anfang. Die Landesregierung betont ebenso „rote Linien" für eine Genehmigung wie ein rechtsstaatliches Verfahren. Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) über Gutachten, Verpflichtungen und Verfahren.
Frau Rehlinger, nachdem das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass die Genehmigung des Grubenwasseranstiegs aus dem Jahr 2013 so nicht hätte erteilt werden dürfen, ist der Vorwurf der Kumpanei zwischen Landesregierung und der RAG wieder lauter geworden. Was ist da dran?
Der Vorwurf ist als völlig haltlos zurückzuweisen. Hier arbeiten die Bergbehörden nach Recht und Gesetz. Punkt.
Die Verfahren, um die es hier geht, sind hochkomplexe Verfahren. Dass das bei gerichtlichen Überprüfungen auch schon mal anders gesehen wird, ist, wie auch in anderen ähnlichen Verfahren, nicht ganz unüblich.
Derzeit laufen die Verfahren um den Anstieg des Grubenwassers bis minus 320 Meter NN. Wie ist da der Stand der Dinge?
Bei der Anzahl von Einwendungen im Planfeststellungsverfahren (s. Infokasten) hat das Oberbergamt erst einmal eine technische Erfassung vorzunehmen, in einem zweiten Schritt eine inhaltliche Sortierung von möglicherweise gleich gelagerten Einwendungen, damit man dann auch in eine thematische Befassung mit den Einwendungen eintreten kann. Derzeit sind wir im Stadium gegen Ende der Sortierung und dem Einstieg in die Befassung.
Die Pläne der RAG sind ja schon länger bekannt. Warum schlagen die Wellen jetzt so hoch?
In der Tat sind die Pläne nicht neu, insbesondere das, was jetzt gerade beantragt ist. Diese erste Phase des Konzepts steht im Einklang mit dem Grundmodell des KPMG-Gutachtens, auf das der Erblastenvertrag Bezug nimmt. Darüber hinaus hat das Unternehmen weitergehende Vorstellungen entwickelt für eine zweite Phase. Die ist aber ausdrücklich derzeit nicht beantragt und damit auch nicht Gegenstand der behördlichen Prüfung. Es geht also nur um die erste Phase. Aber auch das schlägt in einigen Bereichen hohe Wellen, weil es Besorgnisse von Bürgerinnen und Bürgern gibt, wofür ich erst einmal Verständnis habe. Denn es ist auch eine ganze Reihe von Fragen ungeklärt, auch für uns, die Politik und die Behörden. Genau diese Fragen sind Gegenstand des Genehmigungsverfahrens. Am Ende wird dann zu entscheiden sein, ob die Besorgnisse ausgeräumt werden können oder nicht. Denn oberster Grundsatz des gesamten Verfahrens und damit letztlich auch die Rote Linie ist: Es kann nur das genehmigt werden, was keine Gefahr für Natur, Umwelt, Wasser, Trinkwasser und Mensch darstellt.
Die „Rote Linie" ist von der Landesregierung immer wieder betont worden. Aber kann man garantieren, dass die Natur nicht irgendwann auf eine andere Idee kommt als das, was jetzt begutachtet ist?
Na ja, die Entscheidungen werden auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen: Physik, Chemie, Geologie. Und am Ende muss zweifelsfrei festgestellt werden können, dass Gefahren ausgeschlossen sind.
In solchen Verfahren stehen ja auch oft die Gutachten selbst in der Kritik. Wie kann man sicherstellen, dass man auf der solidest möglichen Basis entscheidet?
Wir arbeiten mit Gutachtern zusammen, die seit vielen Jahren, teilweise Jahrzehnten, ihr Expertenwissen an vielen Stellen eingebracht haben. Wenn sie Gefälligkeitsgutachten geschrieben hätten, hätte das Leben sie Lügen gestraft. Es geht ja hier nicht um Interpretationsspielräume, sondern es geht um naturwissenschaftliche Gesetze, die ziemlich eindeutig sind.
Interpretationsspielräume gibt es aber anscheinend beim Erblastenvertrag hinsichtlich der Frage, ob ewig gepumpt werden muss oder nicht. Was ist denn nun geregelt?
In dem Vertrag zwischen dem Saarland, Nordrhein-Westfalen und der RAG-Stiftung ist im Grunde geregelt, wer die Erblasten nach Ende des Bergbaus finanziert, wer welche Kosten zu tragen hat und wie viel Rückstellungen dafür zu bilden sind. Dem zugrunde lag ein Gutachten mit verschiedenen Modellen der Wasserhaltung. Das Grundmodell des Gutachtens deckt genau das ab, was jetzt auch beantragt worden ist.
… gemeint ist das KMPG-Gutachten…
… ja. Gleichzeitig ist der Auftrag an die RAG AG erteilt worden, ein Konzept für eine optimierte Wasserhaltung zu erstellen. Jetzt kann man darüber streiten, ob eine „optimierte Wasserhaltung" auch das Aufgeben der Wasserhaltung einschließt. Es steht allerdings dem Unternehmen offen, eigene Vorstellungen dazu zu entwickeln. Beantragt ist jetzt ein Ansteigen auf minus 320 Meter NN.
Kritiker fordern von der Politik, dass sie das Unternehmen in Bezug auf eine Zusage an die damalige Landesregierung anweist, ewig zu pumpen. Warum geschieht das nicht?
Es handelt sich hier um Verfahren, die bei den Bergbehörden anhängig sind, und das wird nach Recht und Gesetz bearbeitet. Das muss uns nicht gefallen, aber jeder Antragsteller hat ein Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren. Und ich betone ausdrücklich, auch im Blick auf die, die ihre Sorge und Nöte formulieren: Das ist ein ergebnisoffenes Verfahren. Es könnte so oder so ausgehen. Letztendlich muss jede Entscheidung einer gerichtlichen Überprüfung standhalten.
Es gibt ja die Vermutung, dass die RAG-Stiftung unter den niedrigen Zinsen leidet und deshalb hinter den Plänen das Motiv steht, Geld
zu sparen. Ist da was dran?
Es liegt nicht an mir, über die Motive der RAG-Stiftung und der RAG AG zu spekulieren. Für die Genehmigungsbehörden spielen die finanziellen Betrachtungen der Stiftung und des Bergbauunternehmens nicht die geringste Rolle. Das hat keinen Einfluss auf die Entscheidung.
Eine Komplettflutung hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Wäre das Saarland ein Test für Nordrhein-Westfalen?
Richtig ist, dass die Entscheidungen im Saarland als erstes anstehen. Es gibt aber völlig unterschiedliche Situationen, auch im Verfahren. Das Oberbergamt führt ein transparentes Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung und einer maximalen Öffentlichkeitsbeteiligung durch, was in Nordrhein-Westfalen bislang nicht der Fall ist.
In diesem Verfahren wird sehr viel Misstrauen deutlich, gegenüber dem Unternehmen, den Behörden und den Erklärungen der Politik, das kaum überwindbar scheint.
Es geht um einen verantwortlichen Umgang mit möglichen bergbaulichen Folgeschäden. Niemand, der das jetzt zu entscheiden hat, hat dafür jemals die Ursache gesetzt. Die einzige Möglichkeit, dass man das hätte vermeiden können, wäre, niemals Bergbau im Land betrieben zu haben.
Der aber war die Grundlage für den Wohlstand im Land. Fakt ist, dass die Akzeptanz und Toleranz gegenüber den negativen Begleiterscheinungen massiv gesunken ist. Im positiven Sinn ist die Sensibilität gewachsen, was im Sinne der Nachhaltigkeit zu begrüßen ist. Wir sollten unseren nachfolgenden Generationen nicht allzu viele Probleme hinterlassen, sondern möglichst keine. Und deshalb sollte es so sein, dass alle sicher Trinkwasser in Anspruch nehmen können.