Unbeeindruckt vom VIP-Glamour zeigte die Nummer drei der Tenniswelt, Alexander „Sascha" Zverev, dass ihm das entspannte bayerische Lebensgefühl, besonders unter strahlend-blauem Himmel, so guttut, dass er sich sichtlich motiviert zum zweiten Turniersieg in Folge bei den Offenen Bayerischen Meisterschaften aufschwang.
Vor den Augen von Papa, Oma und Prominenten „boostete" sich der 21-Jährige für die großen Sandplatzturniere in Madrid, Rom und Paris und erklärte München zum perfekten Pflaster für den Davis Cup sowie zur Einstimmung auf die French Open.
Kein „Eviva España" tönte als Dauerbeschallung einer Kombo wie beim Davis-Cup-Viertelfinale in Spanien in einer Stierkampf-Arena. Auch kein Blasmusiker war zu sehen. Bayerische Rhythmen gab es nur vom Band, während sich der frisch gekürte, nunmehr zweimalige Sieger der Offenen Bayerischen Meisterschaften in München, Alexander, genannt Sascha Zverev, in seine gerade gewonnene, zweite Lederhose hinter einem Umkleide-Paravent am Center Court schraubte und anschließend im oberbayerischen Outfit der modischen Machart „a weng zeng", mit weggelächeltem, kaum merkbarem Unbehagen, zu seinem neuen BMW-Roadster schritt.
„Große Freude für euch zu spielen"
Auf der VIP-Tribüne und am Court applaudierten „Wetten-Dass"-Guru Thomas Gottschalk, Schauspielerin Veronica Ferres, ihr „Gründershow"-Gatte Carsten Maschmeyer, Oberbürgermeister Dieter Reiter und der schwitzende, bayerische Innen- und Integrationsminister Joachim Herrmann. Sie erlebten live mit, wie Neu-Single und Model Lena Gerke (30) als Beifahrerin diente, die Zverev, mit 21 Jahren bereits siebenfacher Titelträger auf der ATP World-Tour, in diesem Moment aber viel weniger interessant fand als seinen blitzenden Elektro-plus-Verbrennungsmotor-Hybrid.
Zverevs Herz war frisch nach dem Sieg vielfach ausgelastet. Mit dem Rücken-an-Rücken-Sieg in München, dort „wo alles begann" vor einem Jahr, auf der Rennstrecke zum „neuen deutschen Superstar", wie ihn der im Finale unterlegene Philipp Kohlschreiber, selbst dreimaliger Titelträger am Aumeister, neidlos bescheinigte. Auf dem Weg vom Clubhaus zum Court hatte Sascha vor Matchbeginn gemäß seines üblichen glücksbringenden Rituals seine Mama Irina und Hund Lövik geküsst, die sich anschließend zum Spaziergang während des nervenzerrenden Matches aufmachten und erst zur Siegeszeremonie an den Court kamen, wo Papa, Oma, Physio Hugo Gravil und Team Zverev mitfieberten, lautstark „Allez, Allez" riefen.
Auch Sascha ließ seine Emotionen raus, ohne zerschmetterte Schläger, nur mit wohlfeilen Worten und charmanten Verplappereien. Mehrfach stellte er seine Rückkehr nach München, an den Aumeister, in Aussicht. Selbst für den Davis Cup hält er die besondere Club-Atmosphäre, die „echte Tennis-Anlage", wie es sie für Profi-Turniere nur noch selten gebe, für bestens geeignet, damit die deutschen Davis-Cup-Spieler, die auf dem Iphitos-Gelände regelmäßig Höchstform zeigten, vor heimatlicher Kulisse Großes leisten könnten. Im neuen Tennis-Boom-Boom dürfen sich die Deutschen also freuen auf diverse Wiederkehren des legitimen Boris-Becker-Nachfolgers, der ihn bei den BMW Open im Training von oben, vom Schiedsrichterstuhl aus, als „Head of Men’s Tennis" im Deutschen Tennisbund (DTB) ein wenig coachte.
Die Fans dürfen sich freuen auf die Rückkehr des Tennis-Booms nach Deutschland und des gebürtigen Hamburgers nach Süddeutschland, immer bewusst frühzeitig, mit Extra-Zeit im Gepäck. Nach München, auf die hoch gelegenen Sandplätze, mit den hoch fliegenden Bällen, die Zverev als Mittel einsetzte, um einen anderen BMW-Open-Liebling und Shootingstar Yannik Hanfmann im grandiosen Dreisatz-Achtelfinale doch noch zu knacken. Ebenso den Next-Gen-Weltmeister, den Südkoreaner Hyeon Chung, im Halbfinale. „Es macht mir so eine große Freude, in Deutschland zu spielen, es macht mir so eine große Freude, für Euch zu spielen, und deshalb will ich wieder kommen", posaunte Sascha, der übrigens Hamburg zum Hartplatz-Turnier umgestalten will, um auch dorthin wiederzukehren.
Seine Oma knuddelte am Rand Hund Lövik, der Papa strahlte, als er einmal mehr für seine Trainerqualitäten gelobt wurde, ebenso wie der anfeuerungsstarke Physio Hugo Gravil. Und die Mama, die auch eine „unglaubliche" Oma sein werde. – „Ups", da hatte sich Sascha ganz charmant verplappert, dass sein Bruder Mischa (30), im vergangenen Jahr Nummer 25 der Weltrangliste, und dessen im November angetraute Frau Eltern werden. „Wusstet Ihr das nicht?", zeigte sich Sascha in der Pressekonferenz auf FORUM-Nachfrage unschuldig. „Sie ist im vierten Monat, spätestens in Madrid hätte man das eh gesehen." Wie auch immer, den 21-Jährigen freute es nach seinem guten Einstieg in die Sandplatzsaison sichtlich, künftig auch als Onkel punkten zu dürfen.
Bruder und Vater als Trainer
Für Mischa, der in diesem Jahr erst mit einer Grippe und dann immer wieder mit frühen Turnier-Ausstiegen haderte, zudem im Training auf Sand mit Blei in den Beinen kämpft, wird die Dauertour um die Welt sicherlich schwieriger werden. Babys mögen es ruhig und vertraute Umgebungen. Der Tenniszirkus der ATP-Profis passt schwer dazu. Doch eine Lösung bahnt sich an: Da auch Papa Alexander Senior ein wenig müde wirkt, könnten sich Bruder und Vater als Trainer beim bislang jüngsten Familienspross Sascha abwechseln. Ihn mal der eine, mal der andere zu den Turnieren begleiten. Bruder Mischa ist einer, mit dem sich Sascha außerhalb des Courts gut versteht. Das ist Alexander Juniors Grundbedingung auch an einen Supercoach, sollte er irgendwann einmal „Probleme haben". Als zusätzliche Trainer könne er sich aber nur den achtfachen Grand-Slam-Sieger Ivan Lendl oder Boris Becker vorstellen.
Becker und Zverev sehen die French Open entspannt, wenn auch als weitere Chance, den Code zum Siegen in der zweiten Woche eines der vier wichtigsten Tennisturniere der Welt zu knacken. Becker in München: „Es ist eine Frage der Zeit, bis er dieses Quäntchen Erfahrung und diese Konstanz in einem Grand-Slam-Turnier bekommt. Das kann in Paris schon passieren."
Dranbleiben, konzentriert bleiben, Kräfte einteilen für die langen Matches, darum geht es. Und um die Selbstsicherheit, von der sich Sascha als neuerlicher BMW-Open-Sieger wieder ein paar Tonnen aus dem schweren Sand geholt hat. Knapper Achtelfinal-Sieg in einem „mindestens Top-20-Duell, wenn nicht noch viel besser", so Zverev, gegen Yannik Hanfmann, den ehemaligen College-Spieler, der mit 26 Jahren Zverev in seinem Spiel sehr ähnlich ist, wenn auch in den Aufschlägen noch nicht so stark. Klarerer Zweisatz-Sieg über Chung, als Sascha nach einem 0:3-Rückstand im ersten Satz Durchhaltequalitäten zeigte und beschloss, „den Satz nicht wegzuschmeißen". Zverevs Münchner Fazit, aus dem er Vorfreude auf die folgenden Sandplatz-Masters und die French Open gewinnt: „Ich habe mich von Match zu Match gesteigert."
„Von Match zu Match gesteigert"
Logo, denn Traumbedingungen herrschten in München bei 23 Grad und strahlender Sonne zum Finale der 103. Offenen Bayerischen Meisterschaften. Ein gut gelaunter und extrem lockerer Philipp Kohlschreiber, der erfolgreichste BMW-Open-Spieler aller Zeiten, hatte Sascha mit Varianten um die Rücken-an-Rücken-Titelverteidigung bringen wollen. Von Weltranglistenplatz 34 auf 28 konnte sich der Augsburger steigern, wichtige Punkte für seinen Start bei den French Open holen. Zum Sieg langte es mit 3:6, 3:6 nicht. „Das Ergebnis war ein bisschen unfair Philipp gegenüber. Er hat wahnsinnig gespielt", sagte Sascha Zverev nach seinem Zweisatz-Sieg in 71 Minuten und bedankte sich bei dem dreifachen Turniersieger, dass er ihm den 2018er-Triumph gewährt habe, ihn „gewinnen lassen konnte". Publikumsliebling „Kohli", sechsmaliger Finalteilnehmer, gratulierte herzlich und meinte, mit Blick auf seinen eigenen Titelrekord, der nicht übertroffen werden sollte: „Jetzt reicht’s."
Kohlschreiber hatte nach seinem Halbfinal-Sieg gegen Maximilian Marterer aus Nürnberg, einen weiteren der aktuellen deutschen Shooting-Stars, von denen es acht erfahrene und junge Heroen in München ins Achtelfinale schafften und einige Aussichten auf Paris haben, gesagt: „Ich war jetzt 14 Mal in München dabei. Ich hoffe, dass es 20 werden." Der Augsburger, der jüngst wieder nach Oberhaching zu Trainer Lars Uebel gewechselt ist, will noch einmal in die Top Ten und spielt wie entfesselt. Das erklärte er gegenüber der FORUM-Reporterin so: „Ich spüre, dass ich lockerer geworden bin, dass der Muskeltonus etwas lockerer geworden ist. Wenn ich mal irgendwann aufhöre, kann ich sagen, he, Du warst auch mit 34 noch derjenige, der am meisten gelaufen ist bei den Turnieren." Die Botschaft des deutschen Urgesteins vor den French Open, trotz der Verletzungsmiseren einiger Ü-30-Profis: „Ich bin immer noch heiß. Fit bleiben, dann ist immer noch etwas drin."