Red Bull Salzburg hat den österreichischen Fußball aus dem Dornröschenschlaf erweckt und schaffte mit dem Einzug ins Europa-League-Halbfinale den größten internationalen Erfolg eines rot-weiß-roten Teams seit 22 Jahren. Sind die Bullen jetzt auch für die Königsklasse gerüstet?
Am Donnerstag, 3. Mai, endete um kurz vor Mitternacht die europäische Traumreise des FC Red Bull Salzburg in dieser Saison – und es war ein Ausscheiden, das der österreichische Meister so nicht verdient hatte. Am Ende machte eine Ecke für Olympique Marseille in der 116. Minute, die der Kreativität des Schiedsrichtergespanns um Sergej Karasew entsprungen war, den Unterschied zugunsten der Südfranzosen.
Die Ehre, als erste österreichische Mannschaft seit Rapid Wien 1996 ein Europapokal-Finale bestreiten zu dürfen, wurde den Salzburgern damit zwar nicht zuteil, aber für den österreichischen Fußball war der Triumphzug der Schützlinge von Marco Rose dennoch ein Meilenstein. Ab der Saison 2018/19 darf die Alpenrepublik nämlich dank seiner verbesserten Position in der Fünf-Jahres-Wertung einen Fixstarter in die Gruppenphase der Champions League entsenden. Ein Projekt, für das RB Salzburg schon lange mit den Hufen scharrt.
Nach fünf nationalen Meisterschaften in Folge, sowie deren neun seit dem Einstieg von RB vor mittlerweile 13 Jahren, sind die Bullen reif für die Königsklasse – auch wenn sie in mittlerweile zehn Anläufen in der Champions League mal mehr und mal ein klein bisschen weniger blamabel gescheitert sind. Egal ob gegen HNK Rijeka oder F 91 Düdelingen aus Luxemburg, kein Kieselstein war sportlich so klein, dass die Salzburger nicht doch in der Lage gewesen wären, darüber zu stolpern – von wegen RB Salzburg hätte keine Tradition.
Doch befreit vom Druck des „Endlich-in-die-Champions-League-einziehen-Müssens" zeigten die Bullen in der Europa League bereits in der Vergangenheit Jahr für Jahr, wozu sie fußballerisch in der Lage sind, und dominierten ihre Gegner zumindest während der Gruppenphase.
In dieser Saison aber lösten die roten Bullen eine Fußball-Euphorie aus, die es in dieser Form an der Salzach zum letzten Mal während der Europameisterschaft 2008 gab. Im Stadion Wals-Siezenheim, dort wo sich während der Bundesliga-Spiele teilweise nur 4.000 unentwegte Fans verlieren, meldete man bei der großen Sensation gegen Borussia Dortmund, Lazio Rom oder auch gegen Olympique Marseille endlich mal wieder ausverkauft. Schon jetzt hat Salzburg für die kommende Spielzeit mehr als 4.000 Dauerkarten verkauft (Vereinsrekord) und freut sich zudem über ebenfalls rekordverdächtige neun Millionen Euro, die dank Prämien in die Vereinskasse gespült wurden.
In mittlerweile zehn Anläufen gescheitert
Im Vergleich zu den Transfereinnahmen, die nun noch auf die Bullen zukommen könnten, sind das aber eher Peanuts. Nachdem bisher die Red-Bull-Philosophie nur in der Filiale in Leipzig so richtig zu funktionieren schien, erntet man nun auch im Salzburger Land die Früchte der jahrelangen Aussaat von zig Millionen Euro.
Doch ganz so einfach ist es dann auch nicht: Geld war in den letzten Jahren schließlich auch schon da, doch nun scheint RB mit Marco Rose auch einen Trainer gefunden zu haben, der aus jungen Talenten Spieler von europäischem Format gemacht hat. Vor seinem Engagement in Leipzig war der ehemalige Mainzer Verteidiger und gebürtige Leipziger nur Fußball-Insidern bekannt. Bereits seit 2013 arbeitete er als Jugendtrainer in Salzburg, hat ein Gespür für den Umgang mit den Stars von morgen, lebte das Kooperationsmodell mit dem Farmteam FC Liefering in der Zweiten Liga und hat mit den Jungbullen 2017 die Uefa Youth League gewonnen.
Ein Erfolg, der durchaus als Kampfansage an die Konkurrenz verstanden werden darf. Darüber hinaus hat Rose die RB-Philosophie von gnadenlosem Pressing- und Umschaltverhalten um ein entscheidendes Detail weiterentwickelt, das gerade im österreichischen Fußball überlebensnotwendig ist. Weil es die Salzburger im Liga-Spielbetrieb, ähnlich wie der FC Bayern, Real Madrid oder der FC Barcelona, fast ausschließlich mit Gegnern zu tun bekommen, die den Mannschaftsbus vor dem eigenen Tor parken, ist die Förderung von Kreativität und Überraschungsmomenten im Ballbesitz unerlässlich. Salzburg ist taktisch variabel, kann sich auf verschiedene Szenarien einstellen, den Gegner dominieren oder auch mal abwarten, und hat zudem auch in Sachen individueller Qualität eine ganze Menge zu bieten. Da wäre zum Beispiel Mittelfeldrenner Xaver Schlager, der das Zeug dazu hat, Österreichs erfolgreichster Export-Schlager seit Udo Jürgens zu werden, der Marktwert des jungen Diadie Samassekou ist auf mehr als 15 Millionen Euro angestiegen, und auch bei „Young Guns" wie Südkoreas Sturm-Ass Hee-Chan Hwang oder Hannes Wolf steigen die Aktien stetig.
Dass als nächster Karriereschritt der Wechsel zum Schwesterverein nach Leipzig folgt, ist weiterhin möglich, aber keinesfalls in Stein gemeißelt. „Natürlich tausche ich mich mit Ralf Rangnick aus. Er hat damals in Salzburg das Fundament gelegt. Aber die Entscheidungen treffen alleine wir. Auch Dietrich Mateschitz ist nicht involviert. Wir sind die Verantwortlichen, und wir werden dafür eingesetzt, den Verein gut zu führen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir sind ein eigenständiger Verein und scouten auch in ganz anderen Bereichen als RB", sieht sich Sportdirektor Christoph Freund immer wieder genötigt zu dementieren, dass er in seinem Handeln eingeschränkt ist.
„Die Entscheidungen treffen alleine wir"
Bei der jüngsten Bilanz gibt es allerdings auch keinen Grund, dem Erfolgsmanager ins Handwerk zu pfuschen. Salzburg produziert Rohdiamanten, schleift diese und macht sie zu Geld – sei es durch Titelgewinne oder durch Transfererlöse – ist dabei aber spätestens seit dem Einzug ins Europa-League-Halbfinale weit mehr als ein reiner Ausbildungsverein – so betitelte Trainer Oscar Garcia seinen ehemaligen Arbeitgeber kurz nach seinem Abgang im Jahr 2016. Jetzt griffen die Fans in einem Plakat eben dieses Zitat wieder auf und fragten: „Nur ein Ausbildungsverein!?" „Ich sehe uns nicht so", sagte Rose vor dem Europa-League-Achtelfinale gegen Dortmund und verwies auf die gute Mischung im Team: „Wir haben das mit jungen und alten Spielern geschafft. Also auch mit Andi Ulmer und Andi Walke. Das Thema, dass uns Spieler verlassen, werden wir in Österreich alle immer wieder haben – auch wir als Red Bull, wo wir wahrscheinlich sogar noch die besten Argumente haben."
Zur neuen Saison kommt noch ein großer Routinier dazu: Zlatko Junuzovic wechselt von Werder Bremen zurück in seine Heimat und wird einer der Topverdiener, um mit RB endlich die Champions League anzugreifen. Es wäre der nächste, überfällige Schritt in der Entwicklung der roten Bullen, die in Österreich übrigens längst kein grundsätzliches Feindbild mehr sind – im Europapokal stand das ganze Land hinter der Rose-Truppe. In diesem Jahr müssen sie auf dem Weg zur Königsklasse noch mal in der Qualifikation ran, starten diesmal aber erst eine Runde später und müssen auf dem Weg in die Gruppenphase „nur" zwei Hürden nehmen – immerhin eine Chance weniger, sich zu blamieren.