Wo in harter körperlicher Arbeit einst Eisen geschmolzen wurde, ist heute Kopfarbeit gefragt. In der Alten Schmelz St. Ingbert entsteht eine offene Hightech-Werkstatt in einem globalen Netzwerk sogenannter FabLabs. Mitinitiator ist Musiker und Akademiker Alfons Blug.
Herr Blug, erklären Sie doch mal in wenigen Worten, was ein FabLab ist.
Es ist eine weltweite Bewegung offener Werkstätten. Die Idee dazu entstand 2002 am Massachusetts Institute of Technology in den USA. FabLabs machen moderne digitale Produktionsverfahren wie 3D-Druck, Laserschnitt oder CNC-Fräsen der Öffentlichkeit zugänglich. Weltweit gibt es rund 360 solcher Werkstätten, davon etwa 60 in Deutschland. Wir sind im Oktober 2017 mit neun Gründungsmitgliedern an den Start gegangen, unter ihnen Geschäftsführer von Technikunternehmen und Professoren aus benachbarten Hochschulen und Instituten.
Was machen die Leute in so einem FabLab konkret?
Wir haben zum Beispiel eine Planungsgruppe, die sich regelmäßig samstags zwischen 10 und 15 Uhr trifft. Dort besprechen wir beispielsweise, welche Projekte wir verfolgen, woher wir die Materialien beziehen, wie wir an Gelder kommen oder wie wir unser Netzwerk erweitern. Darüber hinaus gibt es die einzelnen Projektgruppen, die sich selbst organisieren und ihre Ideen entwickeln und umsetzen. Die Mitglieder und Interessierte bilden sich über Diskussionen und Veranstaltungen selbst weiter.
Ende April hatten wir unseren ersten Workshop, der auch für die Öffentlichkeit zugänglich war. Weitere sind im Herbst geplant.
Im FabLab arbeiten Menschen mit Ideen und Menschen, die entsprechende Maschinen bedienen können, zusammen und zwar ohne Gewinnorientierung. Die Idee und deren Umsetzung stehen im Vordergrund und nicht das Ziel, gleich viel Geld damit zu verdienen.
Geben Sie mal ein Beispiel!
Wir haben jemanden aus dem Bereich Jugend forscht, der daran tüftelt und forscht, wie man Strom innovativ erzeugen kann. Er kommt mit seiner Idee aber nicht weiter, da er über keine entsprechenden Werkzeuge, Materialien und Mittel verfügt, keine Räumlichkeiten besitzt und auch kein Netzwerk hat. Da sind wir behilflich. Sollte seine Idee irgendwann zum Zuge kommen, wird vereinbart, dass ein gemeinsam ausgehandelter Teil des eingenommenen Geldes an uns zurückfließt. Aber wir verfolgen auch eine andere Philosophie.
Die da wäre?
Es gibt zwei Typen von FabLabs in Deutschland. Ein Drittel ist an Hochschulen angesiedelt. Diese sind in der Regel auf Start-up-Unternehmen im Umfeld der Hochschulen ausgerichtet. Zwei Drittel sind freie FabLabs, die in Vereinsarbeit gemanagt werden so wie hier in St. Ingbert. Unser Anspruch ist es, auch Menschen aus dem nichtuniversitären Bereich die Möglichkeit zu bieten, ihre Ideen von A bis Z zu entwickeln und umzusetzen. Wir wollen sie befähigen, etwas eigenständig auf die Beine zu stellen, ohne fremdgesteuert zu sein. Es ist also nicht nur reine Nachwuchsförderung, sondern wir verstehen uns als Initiative zur Förderung von Innovations- und Gründergeist. In der Philosophie spricht man von „Empowerment", also der Entwicklung von Eigeninitiative und Risikobereitschaft. In Deutschland erwartet man zu viel von der Politik, anstatt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. So wird vielfach beklagt, dass sich zu wenig junge Menschen, insbesondere Mädchen, für die sogenannten Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) begeistern. Hier ist noch mehr Initiative gefragt, nicht immer nur Bedenken vorschieben und jammern. Die Menschen könnten viel mehr, wenn man es ihnen zutraut, sie ermutigt und sie einfach nur mal machen lässt.
Woher nehmen Sie mit bald 80 Jahren diese Power? Sie sind schließlich auch kein Techniker.
Zugegebenermaßen habe ich viel von meinem Sohn Thomas gelernt. Einigen dürfte er sicherlich als Musiker bekannt sein. Als er sich selbstständig gemacht und einen Verstärker entwickelt hat, habe ich hautnah mitbekommen, wie schwierig es ist, eine geniale Idee erfolgreich zum Laufen zu bringen. Trotz vieler Hindernisse und wenig konkreter Hilfe ist es ihm letztendlich gelungen.
Aber es gehört zudem zu meinem Selbstverständnis, nicht nur über Dinge zu reden, sondern sie auch zu machen. Das FabLab ist Ausdruck dieses Eigensinns – „Net nur schwätze, mache!"
Am Herzen liegt mir außerdem die Nachhaltigkeit. In unserer heutigen Konsumgesellschaft wird produziert, verbraucht und dann weggeschmissen. Wir sind in unserem FabLab der Meinung, dass auch zusätzliches Know-how durch Reparaturen entsteht. Etwas wird auseinandergenommen und neu zusammengesetzt für eine neue höhere Wertigkeit. Hier schlagen wir die Brücke zur Regionalität. Wie schaffen wir es beispielsweise, die Landwirtschaft im Biosphärenreservat an der technologischen Entwicklung – insbesondere im IT-Bereich – auch für eine nachhaltige Produktion und Vermarktung zu gewinnen? Es geht nicht nur darum, landwirtschaftliche Produkte nach ökologischen Gesichtspunkten zu erzeugen, sondern sie auch entsprechend zu vermarkten – moderne Ökologie mit neuen technischen Entwicklungen zu verknüpfen. Wir versuchen, die Dinge im FabLab ganzheitlich zu sehen.
Hört sich gut an, aber ohne Moos nichts los. Wie finanzieren Sie sich?
Wir sind auf Spenden angewiesen, ob Geld oder Sachspenden. Auch nach unserem Selbstverständnis ist es so, dass wir von der Politik nicht allzu viel erwarten dürfen. Aber uns wäre schon geholfen, wenn wir in nächster Zeit in das leer stehende technische Büro auf dem Campusgelände Alte Schmelz einziehen könnten. Dort hätten wir mehr Platz und Raum für unsere Werkstätten. Sach- und Geldspenden von Unternehmen sind natürlich ebenfalls gerne gesehen.
Mit welchen Institutionen kooperieren Sie?
Es gibt die Uni des Saarlandes, die HTW, die Hochschule Kaiserslautern-Zweibrücken, Schulen sowie einige Unternehmen und natürlich die Initiative Alte Schmelz e. V., die 1997 gegründet wurde. Sie hat sich zur Aufgabe gestellt, das gesamte Ensemble Alte Schmelz denkmalgerecht zu sanieren und zu revitalisieren, einer zukunftsorientierten Nutzung zuzuführen, ohne das historische Gesamtbild zu zerstören. Schließlich steht das Ensemble unter Denkmalschutz. Es geht uns insbesondere darum, bei jungen Menschen Freude am Tüfteln und Forschen für eine nachhaltige technische Entwicklung zu fördern. All unsere Ideen sind Beweise für bürgerschaftliches Engagement auf dem Weg zum notwendigen Strukturwandel.