Der 8. Juni 1948 gilt als Geburtstag einer weltberühmten Sportwagen-Marke. Vor 70 Jahren erhielt das erste Automobil unter dem Namen „Porsche" seine Zulassung. Wenig später wurde das Modell 356 in Serie als Coupé oder Cabrio produziert.
Es war an einem Dienstag, als die Landesbaudirektion Kärnten einem Roadster die Betriebsgenehmigung erteilte. Damals dürfte wohl niemand geahnt haben, dass mit diesem offenen sportlichen Zweisitzer am 8. Juni 1948 die Erfolgsgeschichte des inzwischen milliardenschweren Automobil-unternehmens Porsche seinen Anfang nehmen würde. Es war ein Prototyp, von dem nur ein einziges Exemplar in einer einstigen Sägemühle im österreichischen Gmünd gebaut wurde. Dorthin war im November 1944 wegen der starken Luftangriffe auf Stuttgart Ferdinand Porsches Konstruktionsbüro, das im Auftrag der NS-Führung für die Entwicklung des KdF-Wagens und den Aufbau des Volkswagenwerkes bei Fallersleben verantwortlich war, verlegt worden.
Nach Ende des Krieges war der in Böhmen geborene Automobil-Konstrukteur Ferdinand Porsche gemeinsam mit seinem Sohn Ferdinand „Ferry" Anton Ernst Porsche wegen verschiedener ihnen vorgeworfener Delikte wie Demontage des Peugeot-Werks in französische Gefangenschaft geraten. Ferry wurde schon nach drei Monaten entlassen, sein Vater erst im August 1947 nach 22 Monaten auf Kaution und endgültig 1948 nach einem Freispruch vor einem ordentlichen französischen Gericht.
Ferry Porsche, der 1931 in das väterliche Unternehmen eingetreten und 1944 zum Geschäftsführer aufgestiegen war, rief den Betrieb in Gmünd schon im Juli 1946 wieder ins Leben. Dabei konnte er auf die Dienste eines erfahrenen Mitarbeiters vertrauen. Schließlich hatte der Österreicher Erwin Komenda sein Können als früherer Chefingenieur von Daimler-Benz und seit 1931 in gleicher Funktion und zusätzlich als Leiter der Karosseriebauabteilung in der Firma von Ferdinand Porsche hinlänglich unter Beweis gestellt. Eine erste Konstruktionszeichnung eines Zweisitzer-Sportcoupés aus der Feder Komendas entstand schon 1946. Offiziell lief das Projekt Porsche Typ 356 am 11. Juni 1947 an. Am 17. Juli 1947 hatte Komenda schon die vorläufige Gestaltung von Karosserie und Rahmen fertig.
Fraglos sehr zur Freude von Ferry Porsche, der mit diesem Auto seinen Traum vom sportlichen Fahren Realität werden lassen wollte: „Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden: einen kleinen, leichten Sportwagen, der die Energie effizient nutzt. Also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen." Beruhend auf dieser Aussage wurde Ferry Porsche in vielen Publikationen fälschlicherweise als alleiniger Konstrukteur des Wagens dargestellt. Hinter der schnell legendär gewordenen Nummer „356" verbarg sich übrigens kein Geheimnis oder ein tieferer Hintersinn. Vielmehr hatte das Porsche-Konstruktionsbüro bis zum Gmünd-Roadster seine Projekte über die Jahre schon bis zur Zahl 355 durchnummeriert.
Ur-Porsche steht heute im Porsche-Museum
Etwa zur gleichen Zeit wie Ferry Porsche arbeitete der italienische Automobilhersteller Cisitalia an der Konstruktion von Sportwagen. Es sollte sogar wenig später zu einer Kooperation beim ambitionierten „Cisitalia 360", auch „Porsche-Cisitalia" genannt, kommen. Aber die eigentlichen Vorbilder für den Gmünd-Roadster sollten die stromlinienförmigen Sportwagen mit Aluminium-Karosserie der Wanderer-Werke werden, die von der Auto Union nach 1933 bei den beliebten Langstreckenfahrten eingesetzt wurden. Und vor allem der „Berlin-Rom-Wagen", der häufig auch „VW Typ 60K10" oder „Porsche Typ 64" genannt wird.
Bei dem von Ferdinand Porsche zusammen mit Erwin Komeda anlässlich einer für September 1939 geplanten Fernfahrt Berlin-Rom entwickelten Sportwagen handelte es sich um ein Projekt, das wegen des Kriegsbeginns nicht über drei Prototypen hinauskommen sollte. Die aerodynamische Aluminium-Karosserie verdeckte alle vier Räder, unter dem schmalen Dach waren zwei schräg hintereinander versetzt angeordnete Sitzplätze installiert. Unter dem Blech steckte die Technik des Volkswagens, der Motor konnte dank vergrößerter Ventile, Doppelvergaser und erhöhter Verdichtung auf 50 PS aufgemotzt werden, was Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 160 Kilometern pro Stunde erlaubte.
Der Porsche 356/1 wurde in Gmünd mit einfachen Mitteln komplett in Handarbeit unter Verwendung von Volkswagen-Teilen hergestellt. Schon dieses frühe Modell wies die wichtigsten äußeren Kennzeichen aller Porsche-Klassiker bis hin zum „911" auf, nämlich runde Frontscheinwerfer auf konvex gewölbten Kotflügeln, abfallendes Heck oder abgerundetes Heckfenster. Der 585 Kilogramm wiegende Zweisitzer, dessen AluminiumKarosserie von einem Stahl-Gitterrohrrahmen samt Vorder- und Hinterachse des VW-Käfers getragen wurde, wurde von einem luftgekühlten, auf 35 PS getunten Vierzylinder-Volkswagen-Boxermotor angetrieben. Er brachte es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 135 Kilometern pro Stunde, die vier Trommelbremsen wurden über einen Seilzug betätigt.
Porsche-Senior packte den Motor ins Heck
Der Prototyp, dessen Antrieb hinter dem Fahrer, aber vor der Hinterachse eingebaut war, womit er an die von Ferdinand Porsche konstruierten Auto Union-Silberpfeile anknüpfte, ging kurz nach Fertigstellung für 7.000 Franken in den Besitz des Schweizer Unternehmers Ruprecht von Senger über. Dieser hatte sich dank Mitfinanzierung des Projekts schon 1947 das Vorkaufsrecht für das Auto gesichert. Heute kann die Ikone im Zuffenhausener Porsche-Museum besichtigt werden, da Ferry Porsche den 356/1 im Jahr 1953 zurückgekauft hatte.
Dass der Gmünd-Roadster letztlich ein Einzelstück blieb und mit seinem Mittelmotor nie in Serie kommen sollte, hatte vor allem mit der Rückkehr von Ferdinand Porsche aus der französischen Kriegsgefangenschaft zu tun. Er fand zwar den 356/1 seines Sohnes ganz zufriedenstellend. Doch machte sich der Tüftler gleich daran, einen zweiten Prototypen auf die Räder zu stellen. Er ließ von Komeda ein Gmünd-Coupé entwerfen, bei dem der Vierzylinder-Boxermotor ins Heck hinter der Hinterachse verfrachtet worden war, um mehr Platz und Komfort im Innenraum zu erhalten. Nach Verkürzung des Radstandes und Frisierung des Motors auf 40 PS wurde das Projekt 356, nun allerdings in der Version 356/2, endgültig auf die Erfolgsspur gebracht.
In Gmünd wurden bis 20. März 1951 genau 50 Fahrzeuge vom Typ 356/2 zusammengebaut. Wenig später konnte Porsche im Sommer 1951 den ersten Rennsport-Erfolg als Klassensieger in Le Mans feiern. Zu diesem Zeitpunkt war Ferry Porsche mit der Firma schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt und hatte in Stuttgart-Zuffenhausen in Kooperation mit dem Karosseriewerk Reutter mit der Serienproduktion des 356 mit Kastenrahmen aus Stahlblech begonnen. Das erste Zuffenhausener Coupé wurde am Gründonnerstag 1950 fertiggestellt. Wobei finanziell sehr hilfreich war, dass Ferdinand Porsche noch rechtzeitig vor seinem Tod im Januar 1951 lukrative Vereinbarungen mit den Verantwortlichen des Wolfsburger Volkswagen-Werkes ausgehandelt hatte. Vor allem die Lizenzgebühr von 0,1 Prozent des Bruttolistenpreises pro verkauftem Käfer, was 1950 bei einer VW-Standardausführung einem Betrag von fünf Mark entsprach, sollte viel Geld in die Kasse der schwäbischen Dr. Ing. h. c. F. Porsche KG spülen.
Luftgekühlter Vier-Zylinder-Boxermotor
Der Porsche 356, der sowohl als Coupé als auch als Cabrio mit vier Motorversionen angeboten wurde, war so etwas wie der Traumwagen der noch jungen Bundesrepublik. Knapp 10.000 Mark, damals ein Vermögen, kostete das Auto mit dem hellbeigen Bakelit-Lenkrad in den ersten Jahren. Leicht erkennbar sind die ersten Porsche 356, die immer noch viele Serienteile von VW enthielten und deren Motoren Weiterentwicklungen des Käfer-Originals waren, an der zweigeteilten Windschutzscheibe aus Sekuritglas mit Mittelsteg – erst ab dem Modelljahr 1952 wurde eine einteilige Scheibe mit einem Knick in der Mitte eingebaut. Das Ur-Modell des 356 wurde bis 1955 gebaut. Danach folgten drei Modellserien, die zur besseren Unterscheidung mit den Buchstaben A, B und C gekennzeichnet wurden.
Der 356 A wurde von 1955 bis 1959 als Coupé, Cabriolet, Speedster, Roadster namens „Convertible D" und als „Hardtop" mit nicht abnehmbarem Dach angeboten. Die kleinstmotorige Basisversion mit 60 PS versuchte man den Ladys schmackhaft zu machen und hatte sie daher ganz offiziell „Dame" getauft. Für Tempo-Enthusiasten wurden ab 1955 die Carrera-Modelle entwickelt. Porsche 356 B wurde von Herbst 1959 bis 1963 als Coupé, Cabriolet/Hardtop und Roadster produziert. Porsche 356 C mit den Varianten Coupé, Cabriolet und Hardtop-Cabriolet wurde serienmäßig mit Scheibenbremsen ausgestattet und war preislich zwischen 15.000 und 25.650 DM für die Carrera-Versionen angesiedelt. Allen Typen gemeinsam war der luftgekühlte Vierzylinder-Boxermotor im Heck und der Hinterrad-Antrieb. Insgesamt wurden vom Porsche 356 77.766 Exemplare verkauft, bevor er 1965 zugunsten einer weiteren Sportwagenlegende der Marke, dem Porsche 911, eingestellt wurde. 2015 wurde ein bunt lackiertes 356er-Cabriolet aus dem Besitz von Janis Joplin zum Rekordpreis von 1,8 Millionen Dollar versteigert.