Schon über eine Million Krimis mit dem Privatermittler Georg Dengler sind über die Ladentische der Republik gegangen. Autor Wolfgang Schorlau, der demnächst zur Lesung nach Saarbrücken kommt, berichtet über seinen jüngst erschienenen Roman „Der große Plan".
Herr Schorlau, Glückwunsch, es läuft gut für Sie und Ihren Privatermittler Georg Dengler: Die Verfilmung „Fremde Wasser" lief Mitte Mai erfolgreich im ZDF (5,5 Millionen Zuschauer), Ihr neues Buch „Der große Plan" über die Hintergründe der vermeintlichen Griechenland-Rettung durch die EU ist auf Platz zwei der Spiegel-Bestsellerliste. Hatten Sie mit einem derartigen Erfolg gerechnet, als Sie vor fast 20 Jahren beschlossen, Autor zu werden?
Ein Bucherfolg ist nicht planbar – weder vom Autor noch vom Verlag. Ich dachte, wenn ich vom Schreiben nicht verhungere, dann ist es Glück genug.
Zumal Sie ja gleich ein neues Genre geschaffen haben. Sie werden zwar meist als „Autor politischer Kriminalromane" deklariert, eigentlich haben Sie aber das Genre des „globalisierungskritischen Krimis" praktisch neu erfunden.
Ja, das kommt der Sache schon näher. (grinst)
Gab es denn dafür Vorbilder? Oder gibt es Autoren, die Sie beeinflusst haben?
Der verstorbene Philipp Roth gehört sicherlich mit zu den Autoren, von denen ich viel gelernt habe. Doch in dem, was ich mache, gibt es wenige, die Ähnliches machen. Sie haben Recht; man könnte das „globalisierungskritisch" nennen. Aber mein ursprünglicher Plan war auszutesten: „Wieviel Realität verträgt Literatur?" Und diese Schraube versuche ich immer weiter anzuziehen.
Bei dem mit bereits über 150.000 verkauften Exemplaren sehr erfolgreichen NSU-Krimi „Die schützende Hand" hatten Sie erstmals mit einem Rechercheur zusammengearbeitet. Für den im März erschienenen Roman „Der große Plan" hat Ihnen unter anderem der investigative Journalist Eckehard Sieker zugearbeitet, der auch für das Satire-Format „Die Anstalt" recherchiert und Fakten checkt. Das ist ein ungewöhnlicher und durchaus neuer Weg für einen Autoren – aber dauert es dann auch länger, bis ein Buch fertig ist?
Ja, das dauert länger. In „Der große Plan" stecken natürlich historische und ökonomische Dimensionen drin, das muss erst einmal recherchiert und verstanden werden. Das war nicht ganz einfach.
Was sagt denn ein Verlag dazu, wenn sich auf den Seiten 263 bis 268 Ihres neuen Buches weitgehend nur schwarze Kästchen befinden, mit denen Sie den Wert aller Derivate der Welt, also Finanzinstrumente von Banken, Hedgefonds, Versicherungen, Rentenfonds und reichen Privatpersonen, im Größenvergleich darstellen? Da ist doch nicht nur Freude und Verständnis angesagt, oder?
Ursprünglich hatten wir eine andere Darstellung, da zog sich das über elf Seiten hin. Das war denen dann doch zu viel. Aber ich bin ganz stolz darauf, ich glaube, es ist der erste Kriminalroman mit Schaubildern. Die Kästchen vermitteln einen bildlichen Eindruck der Reichtums-Unterschiede. Ich finde das so überzeugend, dass ich es auch bei den Lesungen präsentiere. Und dann geht immer ein Raunen durch den Saal …
Dieses akribische Arbeiten – und Sie sind einer von sehr wenigen Autoren, Schriftstellern, Journalisten, die im Nachwort „Finden und Erfinden" die Quellen angeben, aus denen sie Informationen bezogen haben – führte in diesem Fall aber zu einer Verzögerung – das Buch hat mehr Seiten als die Vorgänger, war auch nicht zum geplanten Termin fertig.
Ja, die Verzögerung ergab sich dadurch, dass mir erst sehr spät die historische Dimension der deutsch-griechischen Beziehungen klar geworden ist. Erst als ich in Griechenland recherchiert habe und mir Griechen dann Geschichten von ihren Familien erzählten, habe ich erfahren, dass während der deutschen Besetzung zehn Prozent der griechischen Bevölkerung an den Folgen der deutschen Besetzung gestorben ist. Das war mir vorher nicht klar.
Ein Aspekt, der auch in der deutschen Öffentlichkeit zumindest in den vergangenen Jahrzehnten keine Rolle gespielt hat.
Der Grad der Zerstörung, auch der gesamten Infrastruktur, der Lebensmittelversorgung, während der drei Jahre deutscher Besatzungszeit in Griechenland während des Zweiten Weltkriegs, war auch mir vorher nicht bekannt. Ich musste das Buch umschreiben, und das führte dann zur Verschiebung des Erscheinungsdatums.
Naja, der Verlag hat den Verkaufspreis für das seitenstärkere Buch gleich mal von 9,99 Euro auf 14,99 Euro angehoben. Schaden wird das aber wohl kaum, denn Ihre Bücher werden bereits verfilmt, nach und nach. Die Handlung in „Fremde Wasser", in dem es um Wasserprivatisierung geht, wurde von Cochabamba in Bolivien nach Griechenland verlegt. Warum?
Mit dem vorgesehenen Etat waren die Dreharbeiten in Cochabamba nicht zu machen. Von daher haben die Filmemacher den Plot nach Griechenland verlegt, was näher ist, wo allerdings ebenfalls die Wasserversorgung ein Problem ist. Ich bin der Meinung, dass „Der große Plan" deswegen als nächster Roman verfilmt werden sollte. So könnte auch dieses einseitige negative Bild von Griechenland durchbrochen werden, das in praktisch allen Medien vorherrscht. Denn wie alle einseitigen Bilder ist auch das Bild vom „faulen Griechen" falsch. Eigentlich eine Schande – aber nicht für die Griechen, sondern für uns, weil wir diesen Mist glauben!
Sie sind ein starker EU-Kritiker, aber auch ein großer Europa-Befürworter. Was muss sich Ihrer Ansicht nach ändern, damit zum Beispiel die EU den Menschen dient?
Ich glaube, in erster Linie müsste die deutsche Regierung ihre Haltung ändern. Deutsche Regierungen konnten sich bisher nur ein Europa unter deutscher Dominanz vorstellen – und das ruft in Europa anti-europäische Bewegungen hervor, die eigentlich anti-deutsche Strömungen sind. In meinem Buch plädiere ich ja für eine Art europäischen Zahlungsausgleich, für eine gerechtere Verteilung.
Wenn man Ihnen eine eigene Fernsehshow anböte. Würde Ihnen das gefallen?
Nein. Ich finde das, was ich im Moment tue, sehr schön. Es gibt einen schönen Blues von B.B. King: „I love the life I live" (Auf Deutsch: „Ich liebe das Leben, das ich lebe."). Das gilt für mich.