Badelatschen und Zehensteg-Modelle haben diesen Sommer in der Herrenschuhmode anderen Sandalen-Modellen wie Trekking-Tretern oder eleganten Riemen-Klassikern den Rang abgelaufen.
Nur der Vandale trägt Sandale" – dieses Verdikt aus der Stil-Kolumne der „Süddeutschen Zeitung" wurde schon vor knapp drei Jahren ausgesprochen. Und obwohl die sommerlichen Bequemtreter längst den Streetstyle erobert haben und auch die Designer Saison für Saison mit immer ausgefalleneren und hochwertigeren Varianten aufwarten, hält die Kontroverse um die Herren-Sandalen unverändert an.
Alles geht diesen Sommer – vom Knöchel abwärts
Mal ganz abgesehen davon, dass die Kämpfer des germanischen Stamms der Vandalen bei ihrem Eroberungszug durch das Imperium Romanum im Rahmen der Völkerwanderung wohl kaum dieses Schuhwerk getragen haben dürften. Denn Sandalen mit flachen Sohlen trugen ihre Feinde, die römischen Soldaten, genauso wie einige Jahrhunderte zuvor ein gewisser Jesus von Nazareth. Und daraus wurde viel später der despektierliche Name „Jesuslatschen" abgeleitet.
Für die „SZ" war und ist die Sandale nichts anderes als die „leitmotivische Fußbekleidung des Kleinbürgers". Und zudem ein Urlaubs-Lieblingsaccessoire für den Weg vom Hotel zum Strand. Die sportliche Sandalenvariante sollte ausschließlich dem Wandern oder Radfahren, Flip-Flops allenfalls dem Umrunden des Pools oder dem Saunagang vorbehalten sein. Als Hausschuh könne die Sandale ganz bedingt geduldet werden. Aber ansonsten keinesfalls außerhalb des heimischen Bereichs: „Der Fuß des Mannes gehört in Gesellschaft, zumal im Arbeitsleben, bedeckt. Daran ändert auch die Tatsache, dass die alten Römer sowie Jesus Sandalen trugen, nichts. Wer über Wasser laufen kann oder ein Weltreich schafft, der möge auch im Büro sowie in der Fußgängerzone Sandalen tragen. Alle anderen sollten es nicht tun und sich auch bei ihren Schuhen nicht auf Sokrates oder Jesus berufen."
Auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte sich etwa zeitgleich mit der „SZ" kritisch mit den Herrensandalen auseinandergesetzt. Allerdings war man der Meinung, dass es sich eigentlich gar nicht mehr lohne, gegen die Treter zu wettern, weil diese sich, vor allem dank des überraschenden Hypes um die Birkenstock-Klassiker, längst überall durchgesetzt hätten. „Erwachsene Menschen, für die es kaum vorstellbar wäre, im Badeanzug oder in Schwimmshorts durch die Stadt zu laufen, tragen wie selbstverständlich Flip-Flops, Birkenstocks, Zehensandalen oder Adiletten. Zumindest vom Knöchel abwärts ist echte Ferienstimmung angesagt." Allein schon aus den gigantischen Absatz- und Umsatzzahlen von Birkenstock könne abgeleitet werden, dass die Latschen längst nicht mehr nur als Haus- oder Ferienschuhe genutzt würden.
Das Verdienst der viele Jahre lang mitleidig belächelten Birkenstocks am aktuell scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug der Herren-Sandalen in der Modewelt kann kaum hoch genug gewürdigt werden. Schließlich hat die Sandale, natürlich auch in der Damenschuhmode, den mutwillig unvorteilhaft bekleideten Fuß salonfähig gemacht – und zugleich den Weg bereitet für einen weiteren, fast ebenso umstrittenen Schuh, nämlich die Badelatsche oder oft auch Adilette genannt. Im Sommer 2017 war die inzwischen auf den vornehm klingenden Namen „Pool Slides" umgetaufte Latsche nach Angaben des großen britischen Online-Fashion-Händlers Lyst das meistverkaufte Schuhmodell. Dabei galten Badelatschen, besonders in Gestalt der Adilette, in der Öffentlichkeit jahrzehntelang als modisches Kapitalverbrechen schlechthin. Mark Zuckerberg, der berühmteste Badelatschen-Träger, wurde noch 2011 vom Männermagazin „GQ" wegen seiner seltsamen Schuh-Vorliebe zum „schlechtestgekleideten Mann des Silicon Valley" gekürt.
Dass ein Großteil der Damenwelt auf den Anblick unansehnlicher, häufig schlecht oder nicht gepflegter Herrenfüße in Sandalen gern verzichten möchte, scheint derzeit niemanden zu jucken. Dennoch dürfte ein Pediküre-Termin oder ein umfassendes Pflegeprogramm für jeden männlichen Sandalenträger ratsam sein, sofern nicht alternativ zum Rettungsanker „Socken in Sandalen" gegriffen werden soll. Lange Zeit als absolute Modesünde angesehen, inzwischen vor allem dank der Damenmode salonfähig.
„Teilweise auch mit weißen Socken"
Für die Herren der Schöpfung ist dieser Trend immer noch sehr umstritten, wie erst kürzlich die heftigen Debatten rund um die Menswear-Schauen für den kommenden Winter aufgezeigt hatten. Denn weiße Socken in burgunderroten Pool Slides, wie auf dem Laufsteg von Vetements zu sehen, oder graue Socken in rustikalen Trekkingsandalen wie bei Maison Kitsuné, wirken immer noch ziemlich gewöhnungsbedürftig und wecken schlechte Erinnerungen an den typisch deutschen Campingplatz-Look.
Den Vormarsch der Pool Slides an die Spitze der Herren-Sandalen hatten die Menswear-Designer spätestens auf der Modemesse in Mailand 2016 eingeleitet, als sie die Badeschlappe als Trendschuh der Saison vorgestellt hatten, wozu Fendi beispielsweise seinerzeit eigens ein Schwimmbecken in den Laufsteg hatte einbauen lassen. Dabei sind die Schlappen längst nicht mehr (nur) aus Gummi hergestellt, weshalb die Herren sich in den neuen Pool Slides aus edlem, auf Hochglanz poliertem Leder nur mit Vorsicht tatsächlich dem Wasserrand nähern sollten. Damit hat sich die Anfang der 1960er-Jahre entworfene Adilette auch vom ursprünglichen Zweck, dem Einfangen von Fußpilz durch deutsche Elite-Kicker beim Duschen zu vermeiden, entfernt. Als der damalige Dior-Kreativchef Raf Simons 2014 für Adidas eine Luxus-Version der Schlappen in den Farben Schwarz, Knallrot und Froschgrün für 120 Euro das Stück entworfen hatte, sah das noch etwas anders aus. Denn mit diesen Edel-Adiletten war der Pool-Besuch noch gefahrlos möglich.
Dennoch sind Pool Slides für Fashion-Profis beim Lifestyle-Portal „Stylebook" oder bei der „Süddeutschen Zeitung" nach wie vor ein Gipfel der Stillosigkeit. „Stylebook" meint: „Badelatsche bleibt Badelatsche und gehört ausschließlich an die Füße von Schwimmbadgästen, Bademeistern und Fußballern in Umkleidekabinen." Die „SZ" schreibt: „Rein objektiv betrachtet wirken im Vergleich zur Adilette ärmelloser Feinripp und Outdoorhosen mit abnehmbarem Bein wie die Krone der Modeschöpfung."
Diesem vernichtenden Urteil widersprach jüngst die „Neue Zürcher Zeitung", weil die Slipper „gerade der letzte Schrei" seien, „teilweise auch mit weißen Socken". Die „NZZ" stellte zum Beleg auch gleich eine ganze Reihe von Luxus-Schlappen von Givenchy, Moncler, Valentino, Saint Laurent oder Michael Kors vor. Das Magazin „Men’s Health" legte seinen Lesern vor Kurzem die Slides mit Hinweis auf Treter von Gucci, Fendi und Prada ganz besonders ans Herz, weil sie, insbesondere im Unterschied zu den Flip-Flops, die einzigen Sandalen seien, die offiziell auch außer Haus auf der Straße getragen werden könnten.
Flip-Flops können auch edel sein
Nur ein Zehensteg trennt die Flip-Flops von der klassischen Gummi-Badelatsche. Aber im Unterschied zur Adilette konnten sich die Treter von der Copacabana recht schnell einen guten Ruf als hipper Freizeitschuh erwerben. Zumal es inzwischen auch hochpreisige Varianten aus edlen Materialien gibt. Die teuersten Herren-Flip-Flops aus feinstem Krokodilleder bietet Peche Platinum für 400 Dollar an. Viel günstiger kommt man allerdings beispielsweise mit den „Power Mens Flips Flops" des brasilianischen Brands Havaianas oder den „Yogi 3 Mens Flip-Flops" der kalifornischen Marke Sanuk davon. „Obgleich es schwer erklärlich ist", schreibt Tillmann Prüfer in seiner „Zeit"-Stil-Kolumne, „warum der Flip-Flop bei Männern im Sommer so beliebt ist. Er zwingt seinen Träger, zu watscheln wie eine Ente, er schmatzt beim Laufen und macht hässliche Füße noch hässlicher." Immerhin: Unterm Schreibtisch im Büro haben Flip-Flops meist noch immer nichts verloren.
Was die reine Optik betrifft, so können die Flip-Flops ganz easy in Sachen Unansehnlichkeit von den bei vielen Herren fast ebenso beliebten Trekkingsandalen geschlagen werden. Kombiniert mit weißen Tennissocken und einem karierten Kurzarmhemd könnte der Anblick zu einer Spontanerblindung führen. „Die Schuh gewordene Zahnzusatzversicherung, gerne in deutschen Urlaubsgebieten anzutreffen, am liebsten bei Paaren mit Partnerlook, auf Deichen wie in Mittelgebirgen. Rhön statt schön", urteilte die „Welt" über die „Geißeln des Sommers". Der Gentleman dürfte sich ohnehin eher für Fisherman-Sandalen entscheiden.