Die Sneaker des Jahres sind unförmig und dick. Doch im Zuge der neuen Hässlichkeit reißen sich die Fashionistas um die gewöhnungsbedürftigen Treter. Selbst Luxus-Designer wie Prada, Louis Vuitton oder Balenciaga führen sie in ihren aktuellen Kollektionen.
Es ist noch gar nicht so lange her, da sollte ein Damenschuh möglichst folgende drei Kriterien erfüllen: Er sollte qualitativ hochwertig sein, einen kleinen Fuß machen und vor allen Dingen sehr gut aussehen. Zwar gibt es dieses eher elegante Schuh-Segment weiterhin in den aktuellen Designer-Kollektionen. Doch daneben macht sich seit einigen Jahren immer stärker ein Trend zu unkonventionellem oder gar ganz bewusst hässlichem Schuhwerk und darüber hinaus sogar einer Ugly-Fashion breit.
Diese Entwicklung, die viele Mode-Peinlichkeiten früherer Dekaden plötzlich in angesagte Accessoires oder Kleidungsstücke verwandelt, wird fast kritiklos bejubelt. Nur die „Neue Zürcher Zeitung" hat es bislang gewagt, den Trend ziemlich heftig als „Nostalgie auf Steroiden" zu brandmarken: „Die Kleidungsstücke sehen aus wie vor 20 Jahren, nur sind die Farbkombinationen gewagter, die Schuhe noch klobiger und die Preise exorbitant höher." Offen ließ die „NZZ" in ihrem „Hässlich ist das neue Hip" betitelten Beitrag allerdings, ob es sich dabei um eine Rebellion des Individuums gegen die Modeindustrie handelt, ob die Teile vorwiegend aus Nostalgie-Gründen beliebt sind oder ob sie nur deshalb getragen werden, weil das jetzt alle tun.
„Hässlich ist das neue Hip"
Was die Ladys-Footwear betrifft, so gilt Miuccia Prada ganz klar, so die deutsche „Vogue", als „die unangefochtene Königin der hässlichen Schuhe – oder besser gesagt der ungewöhnlichen, neuartigen und gewöhnungsbedürftigen Schuhe". Hatte sie doch schon Ende der 1990er-Jahre ziemlich unelegante, sportive Schuhe auf ihren Laufstegen präsentiert, beispielsweise 1998 eine Sandale mit Nylon-Riemen, mit der sie damals garantiert (nur) die Herzen jeder Teva-Sandalen-Trägerin erwärmen konnte. „Ich wurde", so Prada, „für die Erfindung des Trashigen und Hässlichen heftig kritisiert." Dabei war für sie das Hässliche angeblich schon immer interessanter als das Schöne oder Elegante und sollte zudem immer zur Befreiung des Weiblichen und zur Aufhebung festgefahrener Konventionen beitragen. Prada: „Hässliches ist schön. Hässliches ist aufregend. Vielleicht, weil es neuer ist." Und weiter: „Die Erforschung des Hässlichen ist für mich interessanter als die alte Idee von Schönheit. Hässlich-Sein gehört zum Menschen. Es berührt die schlechte und schmutzige Seite von Leuten." Miuccia Pradas Rebellion gegen die Zwänge des guten Geschmacks kann daher als Wegbereiter für Célines Furkenstocks, Louis Vuittons Flip-Flops, Christopher Kanes Crocs, Guccis Fell-Latschen oder Balenciagas Plateau-Clogs angesehen werden. Oder eben auch für die aktuell so angesagten klobigen, orthopädisch anmutenden Sneaker-Modelle.
Die „Vogue" wies außerdem darauf hin, dass unser Urteil darüber, was von uns als schön oder hässlich empfunden wird, schon immer von unseren Sehgewohnheiten und dem jeweils aktuell geltenden Schönheitsideal abhängig war. „In diesem Sinne ist eigentlich nichts hässlich, wir wissen vielleicht nur noch nicht, dass es irgendwann schön sein wird. Aber in dem Moment, in dem etwas ungewöhnlich oder gewöhnungsbedürftig ist, darf es eben auch als hässlich bezeichnet werden. Wenn man es so betrachtet, muss das also gar kein negativer Begriff sein." Die „Vogue" vermutet, dass die Hässlichkeit derzeit gerade Trumpf ist, weil sich unsere Ästhetik gerade in einer Umbruchphase befinde, in der das Ungewöhnliche das Coole, das Begehrenswerte sei. Weil es sich mutig gegen den Mainstream stelle. Problematisch ist es nur, wenn im Zeitalter von Social Media und Fast Fashion das Ungewöhnliche selbst in Windeseile zum Mainstream wird, weil eben alle mitmachen wollen.
Der Run auf die hässlichen, sprich „Ugly Sneaker", die auch schon mal als „Chunky Sneaker" (klobig), „Bulky Sneaker" (klotzig) oder „Dad Sneaker" (weil sie an von Vätern in den 1990er-Jahren getragene Modelle erinnern) bezeichnet werden, setzte Anfang 2017 mit Vetements Neuinterpretation von Reeboks „InstaPump Fury"-Modell ein. Sohle und Silhouette wurden seinerzeit als „futuristisch" beschrieben, und die Sneakers waren komplett mit Graffiti-mäßigen Sprüchen und Zeichnungen geschmückt.
Alle Dämme brach Demna Gvasalia dann mit dem Model „Triple S" von Balenciaga für Herbst/Winter 2017/2018. Sie gelten gewissermaßen als Prototyp der neuen Ugly Sneaker. Sie waren ein Hybrid aus Lauf- und Wanderschuh im Used-Look mit extrabreiter Sohle (Buffalos aus den 1990er-Jahren nicht unähnlich), Material-Mix und bunt gemusterten Schnürsenkeln. Trotz des Preises von 650 Euro waren sie natürlich schnell ausverkauft.
Vorbildlich promotet
Dennoch hat sie das Magazin „Elle" zu den Trendschuhen des Frühjahrs 2018 gekürt, nicht zuletzt weil sie von den skandinavischen Trendsetterinnen rund um Pernille Teisbaek, Annabel Rosendahl und Hanna Stefansson geradezu vorbildlich promotet worden waren. Als Alternative zu „Triple S" empfahl die „Elle" vergleichbare Modelle aus der neuen Sommerkollektion von APC, Nike (das „Nike Air Max 98"-Modell wurde zu neuem Leben erweckt), Yeezy (beispielsweise „Adidas Yeezy Boost 700 Wave Runner") oder Vetements.
Allerdings gebührt Demna Gvasalia keineswegs die Erfinderkrone für die Ugly Sneaker. Dieser Verdienst muss Raf Simons zugeschrieben werden, der schon 2013 für Adidas eine Neuauflage des „Ozweego" aus den 1990er-Jahren entworfen hatte. Allerdings damals mit vergleichsweise mäßigem Verkaufserfolg. Logisch, dass Anfang 2018 mit dem „RS Ozweego III" ein neues Adidas x Simons-Exemplar in den Farben Beige, Rot und Lila auf den Markt gebracht wurde – mit coolen Lack-Details, einem Materialmix aus Leder und Mesh sowie einer wuchtigen Silhouette samt Plateausohle. Auch für sein Label Calvin Klein hat Raf Simons vergleichsweise dezente Ugly Sneaker in die aktuelle Schuhkollektion aufgenommen.
Die besonderen Kennzeichen des neuen Sneaker-Lieblings der Fasion-Community: klobige Form, fett-markante Sohlen (häufig bunt oder futuristisch gestaltet), bunte Applikationen (mehrfarbige Nähte, Schnürsenkel oder elastische Schnellverschlüsse). Damit sehen die Treter eigentlich aus wie die fettleibigen, aufgeplusterten Brüder eines 1990er-Jahre-Turnschuhs von Marken wie New Balance, Adidas oder Sketchers. Laut „Harper’s Bazaar" sind sie das Ergebnis einer Vermischung von Normcore und Athleisure. Wer dagegen wie die „Cosmopolitan" bei diesen Schuhen eine „gewisse Parallele zu abstrakten Kunstwerken" zu erkennen glaubt, muss schon ein gehöriges Maß an blühender Phantasie besitzen.
So ganz einfach zu stylen sind Ugly Sneaker nicht, selbst wenn sie angeblich ebenso perfekt zum Blümchenkleid wie zu Track Pants passen. „Harper’s Bazaar" gibt den Leserinnen den dringenden Rat, die Schuhe „mit etwas Ironie und der dazu passenden Haltung" zu tragen. „Denn ihr Einfluss auf einen Look ist gewaltig. Sie können einen sonst eigentlich hübsch zusammengestellten Look komisch aussehen lassen und damit letztendlich zerstören. Egal wie schön das Kleid ist. Wer da nicht die richtige Haltung hat, sieht am Ende noch aus, als seien die Schuhe, die eigentlich zum Outfit gehören, gerade auf der Straße geklaut worden."