Im FORUM-Redaktionsgespräch: Peter Strobel (CDU), seit gut 100 Tagen Finanzminister, über neue Herausforderungen nach dem strikten Sparkurs und Begehrlichkeiten vor der Regierungsklausur zum Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre.
Seinen Wechsel an die Spitze des Finanzministeriums hatte man nicht unbedingt auf dem Plan. Denn alles schien darauf hinaufzulaufen, dass Peter Strobel im kommenden Jahr um den Chefsessel im Saarbrücker Rathaus wahlkämpfen würde. Oberbürgermeister der Landeshauptstadt gilt gemeinhin immer noch als das zweitwichtigste Amt im Land. Jetzt ist Strobel erst einmal der wichtigste Minister im Landeskabinett, hat er doch als Finanzminister die Hände auf Kasse und im Zweifel sogar ein Vetorecht gegenüber allzu großen Begehrlichkeiten der Kabinettskollegen.
Die erste große Bewährungsprobe ist die Haushaltsklausur der Landesregierung (17. Juni) zum Doppelhaushalt 2019/2020. Es ist zum einen die letzte Etappe der Haushaltskonsolidierung. Die „Schwarze Null" wird voraussichtlich schon in diesem Jahr erreicht. „Gründe sind die gute konjunkturelle Entwicklung und die Konsolidierungshilfen", erläutert der Minister im FORUM-Redaktionsgespräch. Beide Faktoren werden aber bei der Berechnung des strukturellen Defizits herausgerechnet. Das soll dann nach den Plänen des Ministers „auf weniger als 125 Millionen Euro" zurückgeführt werden. Damit kann er nahtlos an die Arbeit seines Vorgängers und jetzigen Landtagspräsidenten Stephan Toscani anknüpfen. Es geht in die letzte Runde eines langen und mühsamen Konsolidierungsweges, der in der jüngsten Vergangenheit einerseits erleichtert wurde durch unvorhergesehe sprudelnde Einnahmen dank guter Konjunktur. Nach der jüngsten Steuerschätzung (Mai) kann das Land damit rechnen, dass die für die kommenden beiden Jahre angesetzten Werte „jeweils um rund 80 Millionen Euro übertroffen" werden.
Andererseits gibt es Herausforderungen. Aufgrund der Entwicklungen hatte das Land bereits den ursprünglich geplanten Abbau von 2400 Stellen um 400 reduziert und zudem auf der Zeitachse nach hinten verschoben. Insbesondere bei der Polizei und im Lehrerbereich wurde bereits korrigiert. Mit guter Konjunktur wachsen aber auch Begehrlichkeiten, einerseits beim Personal, das mit Verzicht zur Haushaltskonsolidierung beigetragen hat. Der Beamtenbund hat sich bereits deutlich zu Wort gemeldet. Strobel will mit Blick auf die im kommenden Jahr anstehenden Tarifverhandlungen zwar „keine quantitativen Aussagen" machen, betont aber: „Mit Blick auf den Tarifabschluss für die kommunalen Tarifbeschäftigten und den Bund müssen wir mit nicht unerheblichen Haushaltsbelastungen rechnen". Es wird also teuer. Ebenso wie die Pläne der Großen Koalition in Berlin, insbesondere hinsichtlich Steuersenkungen. Schon Toscani hatte Steuermindereinnahmen in seiner mittelfristigen Planung einkalkuliert.
Strobel bewegt sich ganz auf der Linie seiner Vorgänger
Nicht nur das Personal erhebt angesichts der positiven Einnahmeentwicklung Ansprüche. Es gibt einen immensen Nachholbedarf bei den Investitionen, von Verkehrs- und Digitalinfrastruktur bis Schulen und Universität. Die Große Koalition hatte ein „Jahrzehnt der Investitionen" aufgerufen, die ehemalige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von einer Milliarde in zehn Jahren gesprochen, auch vor dem Hintergrund der Einigung über neue Finanzbeziehungen, die nach 2020 eine Verbesserung von rund 500 Millionen für das Saarland bringen. Bereits in diesem Jahr seien die Investitionen hochgefahren worden, „wir wollen dies auch 2019 fortsetzen", so Strobel, der bewusst zurückhaltend formuliert und warnt: „Wir dürfen weder heute noch in Zukunft vorübergehende Finanzierungsspielräume für strukturell wirksame Projekte ausschöpfen". Dass das Land das neue Renommierprojekt CISPA/Helmholtz „nach Kräften unterstützen" wird, daran lässt der Minister keinen Zweifel aufkommen. Neben Wissenschaft „werden auch Bildung, Sicherheit, Infrastruktur und Digitalisierung sicherlich wichtige Schwerpunkte sein". Alles „in einem ausgewogenen Verhältnis", denn: „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel". Details dann bei der Eckdatenklausur des Kabinetts.
Strobel bewegt sich in seinen ersten einhundert Tagen inhaltlich ganz auf der Linie der Vorgänger, was teilweise bis in die Wortwahl geht: „Konsolidieren und gezielt investieren" war und bleibt Maxime auf den Etagen des Ministeriums, wie auch die Warnung: „Wir müssen davon ausgehen, dass weder das Zinsniveau so niedrig bleibt, wie es heute ist, noch dass die Steuereinnahmen weiter so dynamisch wachsen, wie in den letzten Jahren geschehen".
14 Milliarden Euro Schulden
Genau dieses Zeitfenster günstiger Zinsen soll jetzt auch genutzt werden, um den von horrenden Kassenkrediten gedrückten Kommunen zu helfen. Wobei die Überlegungen zur Ausgestaltung einer „Saarlandkasse", in die die rund zwei Milliarden Kassenkredite überführt werden sollen, umstritten sind. Nach den im Finanzministerium erarbeiteten Vorstellungen sollen die Tilgungen, die dieser Fonds über einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren leisten müsste, unter anderem aus sogenannten Bundesergänzungszuweisungen kommen. Die waren für das Land im Zuge der Neugestaltung der Finanzbeziehungen herausverhandelt worden wegen der Finanzschwäche saarländischer Kommunen. Deshalb argumentieren die Kommunen, es sei zwar vielleicht nicht de jure, aber wegen der inhaltlichen Begründung der Zuschüsse eigentlich Geld, das ihnen ohnehin zustünde. Strobel sieht darin allerdings „originäre Landesmittel". Das wiederum halten führende Kommunalvertreter letztlich für eine „Mogelpackung". Aber auch das Land, das zwar im laufenden Haushalt wohl die „Schwarze Null" erreicht, schiebt einen Schuldenberg von über 14 Milliarden Euro vor sich her, eine „ständige Herausforderung". Das Zinsrisiko für diesen Schuldenberg konnte das Land in der Niedrigzinsphase durch geschicktes Management reduzieren. „Das Risiko ist und bleibt beherrschbar", unterstreicht Strobel. Ein zeitweise diskutierter Altschuldenfonds für überschuldete Länder und Kommunen ist jedenfalls auf absehbare Zeit kein Thema.
Die letzte Phase der Konsolidierung will die Landesregierung in einem Doppelhaushalt stemmen. Durch positive Rahmenbedingungen sind diese letzten Stufen nicht ganz so steil, wie es Stephan Toscani warnend vorausgesagt hatte. Sein Nachfolger kann seine ersten Beratungen als Finanzminister entspannter angehen: „Ich bin zuversichtlich, dass die Koalition auch weiterhin mit Augenmaß an die Umsetzung von Koalitionsprojekten geht", gibt sich Strobel betont gelassen.