Der Säbel war in den vergangenen Jahren die Paradewaffe des Deutschen Fechter-Bundes, vor allem bei den Männern. Mit Anna Limbach, der jüngeren Schwester von Ex-Weltmeister Nicolas Limbach, hat bei der EM im serbischen Novi Sad auch eine Fechterin Medaillenchancen.
Bei den Europameisterschaften 2014 war sie Siebte geworden, bei der EM 2016 dann Fünfte. Nach dem Gesetz der Serie müsste Säbelfechterin Anna Limbach in diesem Jahr also Platz drei erreichen, wenn die besten Fechter Europas vom 16. bis 21. Juni in Serbiens zweitgrößter Stadt Novi Sad zu den kontinentalen Meisterschaften zusammenkommen. „Ich wünsche mir eine Medaille", sagt die 28-Jährige denn auch, die zuletzt 2008 in Prag (Tschechien) mit der Mannschaft Bronze gewonnen hatte – allerdings nur bei den Europameisterschaften der Junioren. Bei den Erwachsenen erreichte sie ihre besten internationalen Platzierungen im vergangenen Jahr mit zwei fünften Plätzen bei der EM in Tiflis (Georgien) sowie bei der Heim-WM in Leipzig, wo sie jeweils nur äußerst knapp das Podium verpasste.
In diesem Jahr stehen die Chancen aufs Treppchen nun so gut wie noch nie. Durch einen dritten Platz beim Grand Prix in Seoul (Südkorea) konnte sich Anna Limbach in dieser Saison in der Weltrangliste auf Platz zehn verbessern – ihre bislang beste Platzierung im internationalen Ranking. Es war das erste Mal, dass sie bei einem Wettkampf dieser höchsten Kategorie eine Medaille gewinnen konnte. „An diesem Tag lief einfach alles perfekt", sagt sie über ihren Auftritt in Seoul. Einen Haken hatte das gute Ergebnis dann aber doch. „Der Glücksmoment hält nur kurz an, aber man möchte ihn danach nicht mehr missen", betont Limbach.
„An diesem Tag lief einfach alles perfekt"
Anders ausgedrückt: Siegen macht süchtig. Wenn man einmal erlebt hat, wie es sich anfühlt, wird man schnell nervös, wenn es in den Wettkämpfen danach nicht gleich wieder genauso gut läuft. „Der Druck ist jetzt noch ein bisschen größer geworden", sagt Limbach.
Zuletzt konnte sie beim Grand-Prix-Turnier in Moskau (Russland) nicht an die gestiegenen Erwartungen anknüpfen, sie belegte dort lediglich Rang 19. Allerdings war auf dem Hinflug auch ihre gesamte Ausrüstung verlorengegangen und erst in der Nacht vor dem Wettkampf um 3 Uhr früh im Hotel eingetroffen, sodass sie vor dem Start eigentlich nicht trainieren konnte. „Das Ergebnis hat daher nicht so viel zu sagen", meint sie.
Doch natürlich weiß sie selbst nur zu gut, dass es im Fechten keine garantierten Medaillen gibt. Das gilt ganz besonders für das Säbelfechten, das in der Regel noch schneller ist als das Florettfechten. Als Trefferfläche zählt dort nämlich der gesamte Rumpf inklusive Kopf und Armen; ferner gelten auch Hiebe als Treffer. „Da kann es ganz schnell gehen mit den Gegentreffern. Wenn man einmal für eine halbe Minute unkonzentriert ist, hat man das Gefecht eigentlich schon verloren", sagt Anna Limbach.
Diese Tatsache, gepaart mit dem besonderen Modus, machen die Europameisterschaften zu einer noch größeren Herausforderung als die WM. Es gibt dort keine Fechterinnen aus schwächeren Nationen, fast jeder kann gewinnen. „Man muss deshalb von Anfang an alles geben", sagt Limbach. Weil zu Beginn zunächst in einer Runde gefochten wird, in der die Platzierungen für die K.o.-Runde ermittelt werden, kann es zudem durchaus passieren, dass einer der Favoriten nur auf einem der hinteren Plätze der Setzliste landet, was den weiteren Verlauf des Turniers noch unberechenbarer macht. „Dadurch steigen auch die Chancen für Außenseiter", sagt die Kölnerin.
Angefangen hatte Anna Limbach einst wie fast alle Fechter mit dem Florett. Bis zum Alter von 14 Jahren kämpfte sie mit dieser Waffe, dann wurde das Florettfechten bei ihrem Verein, dem TSV Bayer Dormagen, eingestellt. Ein Jahr lang pendelte sie noch zu anderen Clubs in der Umgebung, doch dann wurde der Aufwand zu groß, und sie entschied sich eher notgedrungen zu einem Wechsel zum Säbel. Mit dieser Waffe feierte auch ihr Bruder Nicolas Limbach seine größten Erfolge, der 2009 und 2014 jeweils WM-Gold im Einzel gewinnen konnte. Bei seiner Schwester war der Säbel jedoch keine Liebe auf den ersten Blick. „Am Anfang war es sogar ziemlich schwierig, erinnert sie sich. Mittlerweile ist Limbach als 13-malige deutsche Meisterin jedoch die dominierende Säbelfechterin hierzulande.
„Säbelfechten ist wie Poker oder Schach"
Beim Säbel spielt die Athletik aufgrund der kurzen Gefechte eher eine untergeordnete Rolle. Umso wichtiger ist die taktische Komponente. „Wenn man auf der Planche steht, muss man sich vorab für eine Taktik entscheiden, von der man glaubt, dass sie am besten geeignet ist, um zum Abschluss zu kommen. Diese muss man dann aber auch voll durchziehen. Wenn man zögert, landet der Punkt beim Gegner." Säbelfechten sei daher ein bisschen wie Poker oder Schachspielen, meint Limbach. „Aber in einem Tempo wie in der Formel 1."
Man könne es allerdings auch als ein gutes Beispiel für die Spieltheorie betrachten, sagt Limbach: einer wissenschaftlichen Theorie, mithilfe derer man Konfliktsituationen erklären kann, in denen das Ergebnis für alle Teilnehmer von den Entscheidungen der anderen abhängt. „Ich muss mir ständig überlegen: Was denke ich, was am besten ist, was denkt mein Gegner, und was denkt er, was ich denke. Daraus muss ich mir dann das richtige Vorgehen zusammenstellen."
Die Deutschen beherrschen dieses Psychospiel momentan mit am besten. Der Säbel war in den vergangenen Jahren die Paradewaffe des Deutschen Fechter-Bunds gewesen, wobei die Männer besonders erfolgreich waren. Benedikt Wagner wurde 2016 Einzeleuropameister, genau wie ein Jahr später Max Hartung; auch in der Mannschaft waren Deutschlands Säbelfechter 2015 Europameister und 2014 sogar Weltmeister. Auffällig ist, dass nahezu alle guten Säbelfechter in Deutschland beim TSV Bayer Dormagen fechten. Bei den Deutschen Meisterschaften gingen unlängst alle vier Titel (zwei Mal Einzel, zwei Mal Team) an den Verein und in den beiden Einzelwettbewerben sogar sieben der insgesamt acht möglichen Medaillen. „Dormagen ist bei uns die Hochburg für das Säbelfechten", sagt Anna Limbach. Dort gebe es die besten Trainer, zudem sorgt die starke interne Konkurrenz dafür, dass man schon im Training immer alles geben muss. „Ich denke, diese beiden Faktoren machen den Erfolg aus", sagt Limbach.
Medaillentradition der Familie fortsetzen
Ihr Bruder als zweimaliger Weltmeister wird bei der EM in Novi Sad fehlen. Er hatte zuletzt ein Auslandssemester in New York (USA) absolviert und verzichtet daher auf die kontinentalen Titelkämpfe. Es liegt deshalb an Anna Limbach, die Medaillentradition der Familie fortzusetzen. Sie steht bei den Europameisterschaften auch deshalb im Mittelpunkt, weil sie seit einem Jahr als Athletensprecherin des europäischen Fechtverbands EFC fungiert und sich seitdem für die Interessen der Aktiven einsetzt. Bei der Wahl 2017 hatte Limbach von 136 abgegebenen Stimmen mit 40 von allen Kandidaten die meisten erhalten. Im EFC-Exekutivkomitee kann die 28-Jährige nun über wichtige Entscheidungen mitbestimmen und hat unter anderem Einfluss auf den Turnierplan oder den Einsatz der Schiedsrichter. Es gebe einige Punkte, die man verbessern könnte, um das Fechten noch populärer zu machen, sagt sie – doch am Ende würden diejenigen entscheiden, die das Geld geben. Das ist zurzeit vor allem ein großer Sponsor aus Russland, der dementsprechend im Verband auch das Sagen hat.