Die Komödie „Love, Simon" erzählt von einem 17-jährigen Schüler, der ein geheimes schwules Leben lebt. Das führt zu allerlei amüsanten Verwicklungen und kritisiert zugleich die Ungleichbehandlung.
Es wird angesichts der Oscar-Erfolge von „Moonlight" (2016) und „Brokeback Mountain" (2005) leicht vergessen, dass queere Charaktere in Mainstream-Filmen immer noch wenig sichtbar sind. Sie treten manchmal in kleinen Rollen auf und bieten den Hauptfiguren emotionale oder komische Unterstützung, sind dann auch oft klischeebehaftet („Dallas Buyers Club" 2013, „Chips" 2017). Ihre eigenen Geschichten bleiben oft zweitrangig. Das Risiko, ein überbesorgtes Publikum zu beleidigen oder zu entfremden, scheint in Hollywood zu groß. Nun kommt „Love, Simon" in die Kinos.
Simon (Nick Robinson) hat ein Geheimnis: Er ist schwul. Ein Problem für den 17-jährigen Schüler? Eigentlich nicht. „Ich bin genau wie Du" sagt er aus dem Off. Er hat gute Freunde, er geht zur Schule, er treibt Sport. Außerdem hat er in Emily (Jennifer Garner) und Jack (Josh Duhamel) moderne Eltern, die ihrem Sohn viele Freiheiten lassen. Einen Weg, seinen Mitmenschen von seinem Schwulsein zu erzählen, hat Simon trotzdem noch nicht gefunden.
Eine charmant erzählte Story
Dann passiert etwas Merkwürdiges: Ein unbekannter Mitschüler outet sich anonym im Intranet der Schule als schwul und berichtet von seinem geheimen Leben. Simon ist fasziniert und beginnt einen intensiven E-Mail-Kontakt mit Blue, wie sich der Unbekannte nennt. Simon glaubt sich sogar in Blue zu verlieben. Allerdings: Simons E-Mails werden von einem Mitschüler entdeckt. Er droht, Simon gegen dessen Willen zu outen, wenn dieser ihm nicht hilft, ihn mit Simons bester Freundin zu verkuppeln. Die aber schwärmt für Simon. Dieser muss nun versuchen, den trotteligen Erpresser für seine charmante Mitschülerin interessant zu machen. Gleichzeitig forscht Simon nach der wahren Identität von Blue.
Es ist erfreulich, dass Regisseur Greg Berlanti mit „Love, Simon" den Mainstream umgarnt. Berlanti möchte junge Schwule ebenso ansprechen wie ein größeres Hetero-Publikum. Das gelingt durchaus. „Love, Simon" ist so charmant erzählt und hat einen sympathischen Hauptdarsteller. Simons sexuelle Identität ist Hauptantrieb des flotten Films. Allerdings sind hinter der lockeren Highschool-Fassade auch die Konflikte eines homosexuellen Teenagers zu erkennen. Die tägliche Täuschung, das konstruierte Verhalten, die Angst vor der Enthüllung: Die ohnehin schwierige Pubertät wird durch die Erkenntnis, anders als alle anderen zu sein, nicht einfacher.
Schwule müssen sich noch outen
Simon jedoch hätte es leichter haben können. Weder seinen Freunden noch seiner Mutter ist zuzutrauen, in seiner sexuellen Orientierung ein Problem zu sehen. „Ich finde unfair, dass Schwule sich outen müssen", erklärt er. „Wieso ist hetero die Normalität? Ich habe es satt, in einer Welt zu leben, in der ich ohne Erklärung nicht sein kann, wie ich bin." Simon kritisiert, dass Menschen sich noch immer rechtfertigen müssen für das, was sie sind. Nur, wer sich als Schwuler vor anderen darstellt, kann mit Verständnis, Zuneigung und Unterstützung rechnen. Outet sich der Betroffene nicht zeitnah, fühlen sich seine Mitmenschen betrogen. Auch Simons Eltern verstehen nicht, aus welchem Grund sich Simon nicht schon früher erklärt hat. Peinlich übrigens für den Vater, der sich in einer rührenden Szene für seine schnöden Witze („Na, hast Du wieder masturbiert? Welche sexy Frauen hast Du Dir angesehen?") bei Simon entschuldigt. Auch Simons Freunde sind gekränkt – nicht wegen seines Schwulseins, sondern weil er es nicht offenbart hat.
So ist das von Simon stets wiederholte Leitmotiv „Mein Name ist Simon. Ich bin genau wie Du" eher dessen Idealvorstellung als Realität. Das verdeutlicht auch das Finale: Simon erfährt, welcher Mitschüler hinter dem Pseudonym „Blue" steckt …
Der Film zeigt letztlich eines: Simon möchte trotz seiner Homosexualität so sein wie jeder andere Mensch. Er muss aber erkennen, dass ihm stets eine Sonderstellung zugewiesen werden wird.