Nach ihrem weltweiten Aufstieg zum begehrten Alltagsschuh haben es die Flip-Flops diesen Sommer wieder auf die Designer-Laufstege geschafft. Aber auch andere Modelle wie Sliders oder String-Sandals sind angesagt.
Kein Geringerer als ausgerechnet der Glamour-Heel-Papst Christian Louboutin hatte vor einiger Zeit bekannt, dass es ihn mit besonderem Stolz erfüllen würde, wenn er als Erfinder der Flip-Flops in die Modegeschichte hätte eingehen können. Was leider schwer möglich war, weil es Vorläufer der Sandalen mit dem Zehensteg schon seit mindestens 4.000 Jahren bei den alten Ägyptern gab. Und der heute noch immer weltweit größte Produzent, die brasilianische Marke Havaianas, ebenfalls schon seit 1962 auf dem Markt ist. Die Latschen stehen einfach für Urlaubslaune pur. Da wird nach dem Reinschlüpfen das charakteristische Geräusch, dem die Schuhe aller Wahrscheinlichkeit nach seit den 60er-Jahren den lautmalerischen Namen Flip-Flops verdanken, einfach ausgeblendet.
Bevor die Latschen ab den 90er-Jahren, ausgehend von den USA, weltweit Kult wurden und im Unterschied zu den als Prollschlappe in Verruf geratenen Adiletten schnell zu einem hippen Freizeitschuh aufstiegen, waren sie nichts anderes als Billigware. Denn die Kunden von Havaianas waren vor allem die Ärmsten der Armen an der Copacabana, die sich höchstens Plastik-Massenware ohne jegliche Design-Ambitionen leisten konnten. Die frühen Modelle, die womöglich von vergleichbaren japanischen Klassikern namens Zori mit einer Sohle aus Reisstroh und zwei mit einem Steg zwischen den Zehen zusammenlaufenden Riemen, inspiriert waren, hatten weiße Sohlen (mit reiskornartiger Struktur gemäß dem Nippon-Vorbild) und Riemen in Himmelblau, Schwarz oder Gelb. Sie wurden schnell zur Fußuniform in den Favelas, den Armenvierteln der brasilianischen Großstädte.
Von dort war es sicherlich ein weiter Weg zum modischen Accessoire. In den 90er-Jahren hat sich das Unternehmen quasi neu erfunden und sein Geschäftsmodell Richtung höherwertiger, nur noch einfarbiger Sandalen für eine anspruchsvollere, betuchtere Klientel verändert. In Europa wurden Havaianas anfangs nur in kleinen Mengen in feinen Nobel-Boutiquen angeboten. Das brachte dem ehemaligen Arbeiterpantoffel schnell den Ruf eines ganz besonderen Schuhs aus Brasilien ein. Bekannte Designer wie Missoni, Valentino oder Charlotte Olympia entwarfen für Havaianas Luxus-Versionen der Flip-Flops. Auch Star-Model Giselle Bündchen hat natürlich längst eine hauseigene Kollektion erhalten. Heute verkauft die Firma, die in jüngster Zeit wegen Korruptionsvorwürfen zweimal den Besitzer gewechselt hat, nach eigenen Angaben jährlich mehr als 218 Millionen Paar Flip-Flops. Die Konkurrenz für Havaianas ist inzwischen weltweit riesengroß, weil fast jedes Unternehmen, das Freizeitschuhe in seinem Sortiment führt, in der Regel auch Flip-Flops im Programm hat.
An High Fashion dürfte im Zusammenhang mit Flip-Flops bis vor Kurzem kaum jemand gedacht haben. Supergünstige Modelle gibt’s schon für rund acht Euro (zuletzt im Sale bei H&M), ein etwas besseres Basismodell kann für knapp 18 Euro erworben werden. Mit reichlich glittrigen Swarovski-Kristallen auf den Riemchen können auch schon mal bis zu 160 Euro anfallen. Christian Dior hatte vor einigen Jahren mal 400 Dollar-Flip-Flops als Versuchsballon auf dem Laufsteg präsentiert und in der Herbst-/Wintersaison 2016 nochmals mit Flip-Flops zum maßgeschneiderten Abendkleid nachgelegt. Wer im Sommer 2017 unbedingt hochkarätige Flip-Flops von Nobelmarken erwerben wollte, brauchte nicht lange zu suchen. Labels wie Dolce & Gabbana, The Row, Dries Van Noten oder Giuseppe Zanotti hatten elegante Modelle aus Materialien wie Leder und Satin herausgebracht und Gucci war sogar mit einer Kunststoff-Version zur Stelle. Als Valentino und Dion Lee in ihrer Cruise Collection 2018 ebenfalls neue Umsetzungen der Zehentrenner vorgestellt hatten, wurde davon kaum Notiz genommen.
Aufgepeppt mit Kunstperlen
Daher ist schwer zu sagen, warum plötzlich der Rummel und die Medienaufmerksamkeit riesengroß war. Michael Kors ließ auf der New Yorker Fashion Week für den Sommer 2018 seine Modelle auf dem Laufsteg in ziemlich klassisch anmutende Flip-Flops in den Farben Beige, Weiß und Schwarz zu langen Kleidern laufen. Der Meister selbst philosophierte darüber, dass diese Schuhe perfekt zu seiner auf Bequemlichkeit ausgerichteten Kollektion passten. Die englischsprachige Ausgabe des Magazins „Glamour" bekam sich vor Begeisterung kaum mehr ein und empfahl die Flip-Flops ihren Leserinnen dem Kors-Beispiel folgend als tolle Schuh-Alternative für die Abendgarderobe.
Ins gleiche Horn stieß „Harper’s Bazaar": „Hey, if Crocs, Uggs and Birkenstocks can make a comeback, we should hardly be surprised (Wenn Crocs, Uggs und Birkenstocks ein Comeback gelingt, sollte uns das kaum überraschen)."
Jedenfalls wurde Heidi Klum als bekennende Flip-Flop-Trägerin vorgestellt, wir könnten alternativ auch Jessica Alba, Gwen Stefani, Jennifer Aniston oder Alessandra Ambrosio erwähnen. Immerhin machte „Harper’s Bazaar" ganz am Rande auch auf eine wirklich neue Zehentrenner-Variante von Rihanna (Puma x Fenty) aufmerksam – gewissermaßen sehr sportiv daherkommende Flip-Flops mit High Heels und riesigem Puma-Logo auf den Schnallen. Schließlich wurde auch noch eine reichlich mit Kunstperlen verzierte Flip-Flop-Abwandlung von Marc Jacobs erwähnt. Bei unseren Recherchen stießen wir zusätzlich auf neue Exemplare bei Isa Arfen (sehr japanisch à la Zori, die Models trugen dazu sogar entsprechende Socken), Mary Katrantzou (mit dreischichtiger, perlenbesetzter Plateausohle), Tory Burch und 3.1 Phillip Lim.
Natürlich sind neben den Flip-Flops diesen Sommer weiterhin auch die nahen Latschen-Verwandten namens Sliders oder Slides mega-angesagt. Früher besser bekannt als Badeschlappen oder wegen des lange Zeit populärsten Modells einfach nur Adiletten genannt, von denen sie sich eigentlich nur durch den Zehensteg unterscheiden. Mit den plüschig-flauschigen Fell-Varianten sollte frau dem Pool allerdings besser nicht zu nahe kommen. Auch nicht mit den Leder-Slides beispielsweise von Fendi. Aber überraschenderweise gibt es diese Saison von renommierten Designern auch jede Menge Neuinterpretationen des Klassikers aus Kunststoff oder Gummi, beispielsweise von MSGM, Bally, Balmain, Jimmy Choo, Kenzo oder Palm Angels.
Die sportiven Rihanna-Flip-Flops stehen diesen Sommer übrigens nicht allein auf weiter Flur. Auch andere Designer haben Sport-Sandalen in ihren Kollektionen. Schöne Optik wird kaum jemand diesen Modellen zugestehen wollen, sie passen eher in den scheinbar unaufhaltsamen Trend der Ugly-Shoes. Wenn Balenciaga diesen Sommer sogar bunte Crocs mit Plateausohle präsentiert, muss man sich nicht mehr weiter wundern. Die neuen Sport-Sandalen kommen daher wahlweise klobig (Rick Owens) oder orthopädisch daher.
Einen zierlichen Fuß werden die Damen im Sommer garantiert auch nicht in den neuen Plateau- oder Wedges-Sandalen vorzeigen können. Anteprima brachte die Flatform-Sandale in silberfarbenem Metallic auf den Laufsteg. Bei Mary Katrantzous erinnern die dicken Sohlen an dreischichtige Sahnetorte. Sonia Rykiel packte ihre Schuhe in dekoratives Flechtwerk ein. Auch Dolce & Gabbana, Gabriela Hearst oder Salvatore Ferragamo haben entsprechende Schuhe in ihrem aktuellen Sortiment.
Flip-Flops sind nicht schlecht für die Füße
Im Vergleich zu den Sport-Sandalen sind die Zehengreifer-Sandalen, die neuerdings String-Sandals genannt werden und mit einem Steg für den großen Zeh versehen sind, eine geradezu filigrane Fußbekleidung. Während Prabal Gurung, Tracy Reese und Alexander Wang mit Absatz arbeiten, haben sich die meisten anderen Designer für flache Schuhe entschieden, beispielsweise Tibi oder Sonia Rykiel. Ungewöhnliche String-Sandal-Lösungen kommen von Céline oder Y/Project.
Nur der Vollständigkeit halber seien noch Fishnet-Sandalen, Sandalen mit Punk- oder Blumen-Ornamenten, Riemchen-Sandalen, Sandalen mit Blockabsätzen, Stiletto-Sandalen, Sandalen im Gladiator-Style oder Sandalen mit Kitten Heel erwähnt.
Übrigens: Rund um Flip-Flops, Sandalen und offene Schuhe ranken sich seit jeher viele Meinungen. Inzwischen weisen Orthopäden aber daraufhin, dass Flip-Flops keineswegs den Füßen schaden (Zehen sollten aber nicht überragen, die Riemen eng anliegen), dass auch in Sandalen schnelles Laufen möglich ist, dass offene Schuhe keineswegs unbedingt ein Fußbett brauchen und dass die Stoßbelastung bei den offenen Schuhen auch ohne dicke und weiche Sohlen in der Regel für den Körper nicht zu hoch ist. Barfußlaufen oder das Gehen in offenen Schuhen, die ein natürliches Abrollverhalten ermöglichen, werden als nützliche Kräftigungsübungen angesehen, die den Füßen mehr nutzen als Fußbett oder Dämpfungssystem.