Das beeindruckende Naturschauspiel findet diesen Sommer nicht nur am Himmel, sondern auch in der Damenmode statt. Denn Regenbogenfarben als Streifen oder Farbkleckse sind einer der aktuellen und vor allem originellen Farb- und Mustertrends.
Der Regenbogen hat als nicht alltägliches Naturphänomen seine Spuren in der Kulturgeschichte des Menschen hinterlassen, speziell in Mythologie und Religion. Die australischen Aborigines verehren die Regenbogenschlange sogar als Schöpfer der Welt. Im Alten Testament steht der Regenbogen als Zeichen des Bundes, den Gott mit Noah und den Menschen geschlossen hatte. Und da damit auch das Ende der Sintflut verbunden war, gilt die Lichterscheinung seither auch als Symbol der Hoffnung und wurde seit den 1960er-Jahren als Friedenszeichen benutzt.
Da ist es für eine ganze Reihe von Fashion-Experten nicht weiter verwunderlich, dass in weltpolitisch schwierigen Zeiten der Regenbogen auch in der Damenmode verstärkt anzutreffen ist. Zudem gilt der Regenbogen seit den Romantikern auch als Symbol für die Naturliebe und wurde daher von den Umweltschützern für sich reklamiert. Ebenso von der Schwulen- und Lesbenbewegung, die ihn zu ihrem weltweiten Banner erhoben hat und damit im Frühjahr 2018 regenbogen-bunte Unterstützung durch Christopher Baileys Abschieds-Kreationen für das britische Fashionlabel N° 1 Burberry finden sollte.
Wie Pinselspritzer auf einer Leinwand
In der Haarmode sind die Regenbogenfarben schon seit einigen Jahren en vogue. 2013 sorgte beispielsweise die US-amerikanische Popsängerin und Rapperin Kesha mit ihrem schrägen Frisur-Styling für Aufsehen. Auf ihrem Kopf wechselten sich rote, grüne, blaue, pinke, violette und gelbe Strähnen wild ab. 2015 präsentierten Stars wie Rita Ora, Hilary Duff (bunter Farbenstrauß mit dominierenden pinken Strähnen) oder Lily Allen (Wassermelonen-Look, am Scheitel Neongrün, nach unten Rosa) Haare in Knallfarben. Dabei gilt es generell zu beachten, dass bunte Farben nur auf sehr hellem Haar halten, deshalb sollte vorher blondiert werden. 2017 wurden Regenbogenhaare beispielsweise vom Magazin „Grazia" zum Frisurentrend der Saison erkoren. Auch in der „Geheim-Variante", bei der die Ansätze so gefärbt werden, dass sie versteckt bleiben und nur bei bestimmten Frisuren zum Vorschein kommen.
2018 wurde Opal Hair vom Magazin „InStyle" zum coolsten Haartrend ernannt, wobei es sich letztlich nur um die Deluxe-Variante des Regenbogenhaars handelt – basierend auf einer platinblonden Grundfarbe mit Perlmuttglanz durchziehen seidige Pastelltöne die wellige Silbermähne.
Das Kunterbunte von „Regina Regenbogen", der populären Cartoonserie aus den 1980er-Jahren, die im Original „Rainbow Brite" hieß, wurde in der Fashionwelt erstmals in der Sommersaison 2016 aufgegriffen. Als Top-Labels wie Gucci, Chanel, Giorgio Armani, MSGM oder Salvatore Ferragamo ihre Klamotten mit regenbogenfarbigen Streifen oder Ringeln in kühnen Tönen wie Rot, Grün, Gelb oder Fuchsia ausstaffierten.
Im Sommer 2017 erblühte der Regenbogen in den Kollektionen von Marc Jacobs, Altuzarra, Molly Goddard oder Rosie Assoulin. Kommenden Sommer hat sich das Ganze zu einem unübersehbaren Trend ausgewachsen, wobei neben den Streifen oder Kringeln nunmehr bei einigen Designern wie Oscar de la Renta oder Carolina Herrera auch bunte Farbkleckse, Farbspritzer oder Farbtupfer auf hellem Stoffuntergrund auftauchen, gleichsam wie von einem Maler mit einem Pinsel auf Leinwand hingeworfen. Auch Florales in allen Farben des Regenbogens gibt es auf Kleidern oder Röcken zu bestaunen, beispielsweise bei Dolce & Gabbana, Libertine oder Moschino. Regenbogenbunter Folklore-, Bohème- oder Hippie-Chic bei Etro oder Anna Sui nicht zu vergessen. Ganz aus dem Rahmen fallen die All-Over-Slogans in knallbunten Farben auf lichten Kleidern oder Röcken. Die Freude an der Farbe mögen manche Designer im Zusammenhang mit der zunehmenden Abwendung vom lange Zeit dominierenden modischen Minimalismus wiederentdeckt haben.
Die „Süddeutsche Zeitung" sieht darüber hinaus eine Verbindung zur politischen Gleichstellung homosexueller Paare: „Dass sich derzeit Modefirmen mit der Regenbogenflagge positionieren, hat durchaus etwas mit Politik zu tun: Einige von ihnen haben schon in der Vergangenheit kleine Extra-Kollektionen im Rahmen des von Barack Obama 2009 eingeführten ‚LGBT Pride Month’ (für Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle) verkauft… Obamas Nachfolger Donald Trump hat den Pride-Month aber nun wieder abgeschafft.
Interessante Muster-Alternative
Dass so viele Labels wie noch nie gerade Regenbögen auf ihre Produkte drucken und sich wohltätig engagieren, darf man also als Statement verstehen. Auch für die Modebranche selbst. Dort arbeiten viele homosexuelle Menschen, das weiß man, und das war schon immer so."
Sich öffentlich dazu zu bekennen, ist allerdings eine ganz andere Geschichte. Von daher setzt Christopher Bailey mit der aktuellen Kollektion von Burberry ein unübersehbares Ausrufezeichen. Nach 17 Jahren verlässt der Designer das britische Luxushaus. Mit seiner letzten Kollektion möchte er ein Zeichen für Toleranz und gegen Diskriminierung der LGBTQ-Community (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer) setzen. Er hat daher den Regenbogen durch das gesamte Sortiment gezogen und eigens ein neues Karomuster in Regenbogenfarben namens „Rainbowcheck" entworfen. Kunterbunt kommen daher nicht nur karierte Jogginganzüge, Fleece-Sweatshirts, Spitzenkleider, Strickpullover oder Fell-Capes daher, sondern sogar der Burberry-Klassiker Trenchcoat.
Auch Gucci-Chef-Designer Alessandro Michele hat diesen Sommer keinen Zweifel an seiner Bewunderung für regenbogenfarbene Mode aus der Gay-Szene gelassen. Und sich dabei Inspirationen von Bühnenkostümen geholt, die der Designer Bob Mackie in den 1980er-Jahren für den Pop-Musiker Elton John entworfen hatte. Teils wurden die früheren Stücke mit Erlaubnis des Musikers sogar eins zu eins übernommen und mit den Initialen E. H. J. (für Elton Hercules John) in Plüsch-Buchstaben verziert. Sogar die Sohlenschichten eines Gucci-Plateau-Sneakers wurden in leuchtenden Kontrastfarben gestaltet.
Die Mehrzahl der Labels wird allerdings im Regenbogen letztlich nur eine interessante Alternative zu anderen Mustern wie Karos oder Punkten gesehen haben. Das gängige Streifenmuster weist in der Regel mindestens fünf verschiedene Farben auf. Bei Thom Brown gibt es einen ausgefallenen Tüll-Blazer. Bei Dolce & Gabbana ein buntes Abendkleid mit integriertem Korsett. Bei Missoni eine Kombi aus Kleid und einer Art Kapuzenhaube. Auch bei Etro, House of Holland oder Peter Pilotto wird frau in Sachen Rainbow Pattern fündig werden können.