Kyra und Christian Sänger haben mehr als 40 Fachbücher zu fotografischen Themen veröffentlicht. Im Interview sprechen die beiden Profis über die Makrofotografie, Lieblingsaufnahmen und außergewöhnliche Shootings.
Frau und Herr Sänger, wann und wie kamen Sie zur Fotografie?
Kyra Sänger: Wenn man es ganz genau nimmt, habe ich mein erstes Bild mit sechs Jahren aufgenommen. Meine Mutter, recht klein am unteren Bildrand, vor einem wunderschön blühenden Goldregenstrauch – vermutlich habe ich da schon mit den zwei großen Themen der Fotografie gerungen – Mensch und Natur. Aber im Ernst: Intensiv habe ich mich während des Studiums der Biologie mit der Fotografie beschäftigt. Erst analog inklusive Filmentwicklung im Fotolabor, seit 2003 dann digital. Die Makrofotografie hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.
Christian Sänger: Nun ja, bei mir war es lange Jahre in erster Linie Reisefotografie, das ist ja so eine Umschreibung für „ich mache alles von Porträt bis Landschaft, nur eben an den unterschiedlichsten interessanten Orten". Zur Makrofotografie bin ich eigentlich über mein Interesse für Insekten und anderes Kleingetier und dann aber auch über meine Frau gekommen.
Wie würden Sie einem Laien erklären, was die Makrofotografie auszeichnet?
Kyra Sänger: Das Besondere an der Makrofotografie besteht für mich darin, Dinge oder Lebewesen in unserer direkten Umgebung aus ihrer Verstecktheit herauszuholen und ihre Schönheit zum Glänzen zu bringen. Das können ganz alltägliche Sachen sein wie die Steine in der Kieseltraufe oder die Biene im Garten um die Ecke. Man kann unheimlich kreativ zu Werke gehen, drinnen wie draußen und bei fast jeder Wetterlage. Zu zeigen, was es alles für kleine Schätze gibt, an denen wir oft achtlos vorübergehen und die es zu schützen gilt, ist eine große Motivation.
Christian Sänger: Große Reisen sind auch nicht unbedingt nötig. Wichtig ist der Blick fürs Detail, ein bisschen Geduld und ein gewisses gymnastisches Talent. Besonders spannend wird es natürlich, wenn man auf Raritäten stößt, wie seltene Käfer oder Schmetterlinge. Da hat dann auch der Jagdinstinkt etwas von der makrofotografischen Betätigung.
Wie lange verweilen Sie in der Natur, bis sich geeignete Motive finden?
Christian Sänger: Manchmal geht es ganz schnell, da beginnt eine Mittlere Wespe mit dem Nestbau direkt neben der Terrasse – das Motiv drängt sich quasi auf. Auch ist es uns schon passiert, dass uns eine Rote Röhrenspinne einfach so über den Weg lief. Die wollte ich seit Jahren schon immer mal sehen, hatte aber vorher nie das Glück.
Kyra Sänger: Gerade bei Insekten ist es ja so, dass wir oft wissen, wo sie vorkommen, aber ob wir sie dann finden, ist eine ganz andere Sache. Bei dem Dünensandlaufkäfer hat es mehrere Stunden gedauert, bis wir ihn fanden und in einer attraktiven Fotoposition erwischen konnten.
Begeben Sie sich auch häufig auf Foto-Reisen?
Kyra Sänger: Fotoreisen sind fester Bestandteil unserer Arbeit. Da geht es dann zwar nicht immer schwerpunktmäßig um die Makrofotografie, aber wir kommen eigentlich immer auch mit einigen Makrofotos im Gepäck zurück.
Christian Sänger: In Südafrika haben es uns makrofotografisch die teils extrem bunt gefärbten Eidechsen angetan. Aber auch die Blüten, die nach einem kurzen Regenguss plötzlich wie aus dem Nichts den Wüstenboden bedeckten. Auf den Kanarischen Inseln fanden wir das mit Flechten bewachsene Lavagestein faszinierend. Und auch die schon etwas exotischen Käfer wie den Kanarischen Bockkäfer und Geckos. Auch Australien bietet eine Menge Highlights.
Was waren Ihre außergewöhnlichsten und lustigsten Shootings?
Christian Sänger: Eine wirklich lustige Sache ist uns in der Kalahari passiert. Wir waren dabei, aus dem Geländewagen heraus ein Löwenrudel am Riss zu fotografieren. Plötzlich merkten wir, wie das Auto wackelt. Ein noch junger, aber schon ausgewachsener Löwe hatte sich mit den Vorderbeinen auf unsere Stoßstange gestellt, was nichts Besonderes ist. Jüngere Löwen sind sehr neugierig und untersuchen so ein Blechgefährt gerne mal etwas genauer. Während der Mittagssiesta kam dann jemand auf uns zu und zeigte uns ein Bild, wie der Löwe gerade dabei ist, die Gummikappe unserer Anhängerkupplung abzuziehen, anschließend ist er damit dann wohl im Busch verschwunden. Das hatte die Besatzung eines hinter uns stehenden Fahrzeugs gesehen und im Bild festgehalten. Den Gummikappenklau hatten wir so gar nicht mitbekommen. Nachmittags sind wir dann noch mal zur selben Stelle gefahren, da wir hofften, die Löwen dort noch einmal anzutreffen. Die waren aber verschwunden. Lediglich ein paar Schakale streiften noch durch die Gegend. Und dann kam das Unglaubliche: Ein Schakal kam auf unser Auto zugelaufen und was hatte er in der Schnauze? Unsere Gummikappe! Wir sind dann direkt auf ihn zugefahren, er hat die Kappe fallen gelassen und wir haben sie schnell eingesammelt. Kurz gesagt: Löwe klaut Gummikappe und Schakal bringt sie wieder zurück.
Wie muss ein Bild sein, damit Sie zufrieden sind?
Kyra Sänger: Mit den Jahren, das gebe ich gerne zu, sind meine Ansprüche an meine eigenen Bilder enorm gestiegen. Das hat mit der eigenen Erfahrung zu tun, aber auch mit der Weiterentwicklung der Kameratechnik. Die Sensoren sind heute so hochauflösend, da sieht man jeden Fehler. Daher muss für mich ein Bild auf jeden Fall technisch stimmen. Mindestens genauso wichtig ist für mich aber auch, dass es ein Gefühl vermittelt oder eine Geschichte erzählt. Dafür muss die Perspektive gut gewählt sein und Vorder- und Hintergrund zueinander passen. Ich bin zum Beispiel nicht so ein großer Fan davon, einen Schmetterling nur von oben zu fotografieren, sondern möchte auch den Blick des Tiers oder dessen Verhalten im Bild einfangen. Das artet bei still sitzenden Insekten oder Pflanzen dann manchmal in einen Tanz um das Objekt aus, bis alles stimmt – wobei ich auch noch versuche, das Fleckchen Erde durch Trittspuren et cetera möglichst wenig zu beeinflussen.
Christian Sänger: Mir kommt es sehr darauf an, dass die Bilder ein schönes Gesamtszenario darstellen. Wenn die Hintergrundfarben mit dem Motiv harmonieren, gefällt mir das besonders gut, und wenn wir bestimmte Verhaltensweisen darstellen können, finde ich das ebenfalls sehr interessant. Da kommt wohl immer etwas der Biologe in mir durch.
Haben Sie Lieblingsfotografien von sich?
Kyra Sänger: Da fällt mir ein Bild von einem Löwen aus der Kalahari ein, das zugegebenermaßen nichts mit Makrofotografie zu tun hat. Der Löwe blickt direkt in die Kamera und saß nur etwa fünf Meter entfernt neben unserem Auto. Wir waren allein mit einem etwa zwölfköpfigen Rudel am Abend. Alles war ruhig und es war ein sehr intensiver Moment, den ich nie vergessen werde.
Christian Sänger: Mir gefallen unsere Moorfrosch-Bilder, der intensive Chagall-Blauton im Zusammenspiel mit einem vom Röhricht gelb reflektierenden Wasser. Aber auch manche Bilder von Orchideen, Libellen oder Schmetterlingen sind mir besonders ans Herz gewachsen, es sind inzwischen so viele …
Wie viel Zeit verbringen Sie mit Bildbearbeitung? Bearbeiten Sie eher viel oder wenig?
Kyra Sänger: Aus meiner Sicht gehört die Bildbearbeitung zur Digitalfotografie dazu, genauso wie früher die Filmentwicklung. Außerdem fotografiere ich überwiegend im RAW-Format. Diese Bilder müssen zwangsläufig bearbeitet werden, was sich meist aber auf das Anpassen von Kontrast, Weißabgleich und Schärfe beschränkt. Bei Makromotiven kommt oft noch das Focus Stacking hinzu.
Wer hat die Bildauswahl für den Bildband „Makrofotografie. Die große Fotoschule" getroffen? Wie schwierig war das?
Kyra Sänger: Die Bildauswahl fängt oft schon beim Fotografieren an, denn einige Bilder sind speziell für das Buch entstanden. Ansonsten wählt meist derjenige, der an einem Kapitel schreibt, auch die Bilder dafür aus. Oft stimmen wir uns aber vorab auch gemeinsam ab.
Welches Equipment haben Sie?
Kyra Sänger: Da wir viele Kamerabücher schreiben, haben wir verschiedene Kameras zur Verfügung, mit denen dann auch Makroaufnahmen entstehen. Das sind meist Spiegelreflex- und Systemkameras, aber auch Kompaktkameras. Unser Basis-Equipment, auch für professionelle Projekte abseits der Bücher, beinhaltet aktuell die Canon EOS 5D Mark IV und 5DS R.
Christian Sänger: Bei den Objektiven zähle ich aktuell 19, wobei nicht alle regelmäßig in Gebrauch sind. Unsere Porträt-, Tele- und Makroobjektive haben aber schon viele Shootings auf dem Buckel.
Welche Grundausrüstung empfehlen Sie für Einsteiger?
Kyra Sänger: Generell hängt die Frage nach dem Equipment für mich von den eigenen Ansprüchen ab und natürlich auch vom Budget. Um in die Makrofotografie einzusteigen, reicht eine gute Kompaktkamera schon aus. Ich würde nur darauf achten, dass sich Nahvorsatzlinsen anbringen lassen. Mehr Freiheiten bieten System- oder Spiegelreflexkameras, am besten mit einem Makroobjektiv, dann steht jeglichem makrofotografischen Abenteuer nichts mehr im Wege.
Christian Sänger: Mindestens genauso wichtig ist aus meiner Sicht auch, sich mit den Motiven zu beschäftigen, den eigenen Blick zu schulen. Ein paar fotografische Grundlagen können natürlich auch nicht schaden. Und dann würde ich einfach sagen: fotografieren, fotografieren, fotografieren …
Sie bieten auch Foto-Workshops an. Zu welchen Themen?
Christian Sänger: Jetzt müssen wir zugeben, dass das unsere ersten größeren Workshops sind. Bisher hatten wir das nie so vorangetrieben, weil wir zu viele andere Aktivitäten am Laufen hatten. Nun wurden wir aber von Artistravel angefragt und haben dann spontan zugesagt. Wir freuen uns schon darauf, mit Makro-Interessierten in direkten Kontakt zu treten und unser Wissen weiterzugeben.
Wie sieht das Programm dieser Workshops aus?
Kyra Sänger: Kurz gesagt geht es um alle Aspekte der Makrofotografie, wobei wir den Schwerpunkt schon auf das Fotografieren in der Natur legen werden. Wir werden aber auch auf Indoor-Themen eingehen. Das hängt auch etwas vom Wetter und den Interessen der Teilnehmer ab. Wir sind da flexibel. Dieses Jahr werden wir zwei Workshops durchführen, einen in Worpswede und einen in Prerow an der Ostsee.
Sie betreiben die Fotografie inzwischen hauptberuflich und fotografieren nicht nur Tiere und Natur, sondern auch Menschen, Events oder Architektur. Wer zählt alles zu Ihren Kunden?
Kyra Sänger: Durch unsere langjährige Buchautorentätigkeit konnten wir uns in den verschiedensten Bereichen der Fotografie tummeln und perfektionieren. Da wird es nie langweilig und wir verfallen nicht in Routine. Natur- und Sportfotografie betreiben wir in erster Linie für die Bücher und weil es uns einfach Freude bereitet. Kommerziell ist damit heutzutage nicht mehr richtig viel zu holen. Was die Events angeht, machen wir das hin und wieder mal, wenn Leute, die uns kennen, anfragen. Meist ist es dann ganz lustig, nach getaner Arbeit noch mitzufeiern. Ansonsten machen wir individuelle People-Shootings, etwa für Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen. Das ist ein Bereich, den wir gerade weiter ausbauen.
Womit sind Sie aktuell beschäftigt?
Christian Sänger: Momentan verfassen wir verschiedenen Kamera- und Themenbücher, zum Beispiel eine relativ kompakt gehaltene Fotoschule für Einsteiger. Und sonst arbeiten wir unter anderem gerade an PR-Aufnahmen für einen Anbieter von Luxusreisen, auch ein sehr spannendes Projekt.