Mithilfe des Steins der Weisen wollten die Alchemisten in Mittelalter und früher Neuzeit in ihren europäischen Laboren Gold herstellen. Gleichzeitig wollten sie auch einen höheren Zustand des Seins erreichen.
Gemeinhin werden Alchemisten heute als Scharlatane angesehen, weil sie an ihrer vermeintlich schwierigsten Aufgabe, dem Goldmachen, allesamt gescheitert waren. Dabei war „Chrysopoeia", wie diese höchste Laborkunst schon von der spätantiken Alchemistin Kleopatra aus Ägypten in ihrem gleichnamigen, auf Griechisch verfassten Werk genannt wurde, über viele Jahrhunderte hinweg keineswegs ein Selbstzweck. Er konnte gemäß allgemein akzeptierter Vorstellung allein mit Hilfe des sagenhaften Steins der Weisen erreicht werden, dem weitaus mehr Kräfte als nur die Umwandlung unedler Metalle in Gold, in Nachahmung eines göttlichen Schöpfungsaktes zugeschrieben wurden.
Dank des „Lapis philosophorum" konnte während der materiellen Transmutation gleichzeitig auch ein geistiger Prozess der seelischen Reifung, Läuterung, spirituellen Erfahrung des Selbst und der Schöpfung, medizinischer Heilung oder Neugeburt des Alchemisten in Gang gesetzt werden. Im Zuge der Manipulation der Materie zu einer vollkommeneren Form hin sollte auch der damit beschäftigte Mensch in einen höheren Seinszustand versetzt werden können. Die fieberhafte Suche der als Adepten bezeichneten Eingeweihten nach dem Stein der Weisen sollte als erträumtes Nebenprodukt zwar letztlich nicht Goldreichtum hervorbringen, aber immerhin beispielsweise zur Entdeckung der Porzellan-Rezeptur, des Schießpulvers oder des Elements Phosphor führen.
Nachahmung der göttlichen Schöpfung
Die frühen Anfänge der Alchemie reichen ins hellenistische Ägypten zurück, wo sie vermutlich in den Versuchen der Tempelwerkstätten zur Herstellung von Edelmetallen ihren Ursprung hatte. Ab etwa dem 4. Jahrhundert wurde jedoch rund um Alexandria das rein praktische Wissen immer mehr Richtung metaphysischer Spiritualität erweitert. Vor allem die griechische Naturphilosophie samt aristotelischer Elementenlehre oder neuplatonischer Erlösungslehren sollte dabei bestimmend werden. Im 7. Jahrhundert wurde die Alchemie von den Arabern, die ihr den Namen „al-kîmiyâ" gaben, entdeckt und im 12. Jahrhundert nach Europa weiter vermittelt, wo sie bis zum Ende des 18. Jahrhunderts und dem Aufstieg der naturwissenschaftlichen Chemie als Wissenschaft akzeptiert sein sollte.
Zunächst wurde die Alchemie vor allem in Klöstern praktiziert, erst im ausgehenden Mittelalter drang sie in breitere Bevölkerungskreise vor. Viele Fürsten leisteten sich in ihrer Gier nach Gold eigene Alchemisten, die jedoch in der Regel aus Furcht vor Geheimnisverrat wie Gefangene gehalten wurden und häufig zu Tricks oder Fälschungen greifen mussten, um irgendein goldähnliches Resultat vorzeigen zu können. Mit zahlreichen neuen Arbeitsmethoden von Destillation bis hin zu Sublimation schufen die Alchemisten die Grundlagen für die moderne Chemie. Unter den Alchemisten finden sich große Namen wie Albertus Magnus, Roger Bacon oder Isaac Newton. Spätestens mit den Arbeiten des Franzosen Antoine Laurent de Lavoisier (1743-1794), dem Begründer der ersten chemischen Revolution, schien die Alchemie-Ära endgültig vorbei zu sein.
Renaissance in 20er- und 30er-Jahren
Doch in den 20er- und 30er-Jahren gab es im Deutschen Reich eine Goldmacher-Renaissance. In München hatte ein gewisser Hans Unruh 1924 mit der Behauptung, Gold durch Stromzufuhr aus Salz gewinnen zu können, Investoren um viel Geld prellen können. Etwa zur selben Zeit führte in Berlin der Photochemiker Adolf Miethe Experimente zur Goldgewinnung aus Quecksilber durch. Der Schwabe Franz Seraph Tausend hatte 1925 erstmals verkündet, Gold mittels Transmutation herstellen zu können. Ihm sollte kein Geringerer als Weltkriegsgeneral Erich Ludendorff auf den Leim gehen. Und Obernazi Heinrich Himmler ließ sich gleich zweimal von Goldmacher-Schwindeleien der Herren Heinz Kurschildgen und Karl Malchus, der vorgab, Gold aus Isar-Kies machen zu können, übertölpeln.