Ab August startet eine neue Berufsausbildung: Kaufmann und Kauffrau im E-Commerce. Fast 25 Jahre nach Gründung von Amazon hat die deutsche Wirtschaft endlich eigene Strukturen für den Onlinehandel auf die Beine gestellt.
Päckchenpacken und Ausfahren gehören gewiss nicht dazu. E-Commerce-Kaufleute kümmern sich um Produktinformationen und Bilder, stellen Marketing- und Social-Media-Aktionen auf die Beine und sorgen dafür, dass der Versand reibungslos abläuft. Sie sind unverzichtbar für Unternehmen, die auch morgen noch am Markt bestehen möchten. Denn nur, wenn sie einen Teil ihres Geschäfts vom stationären Handel ins Internet verlagern, haben sie eine Chance. Kaufmänner und Kauffrauen im E-Commerce müssen wissen, welche Online-Vertriebskanäle für das Unternehmen profitabel sind – und welche nicht.
Dafür sorgt eine solide dreijährige Ausbildung, die sich ganz traditionell am Dualen System orientiert: also Betrieb und Berufsschule. Die Branche rechnet mit rund 1.000 Azubis im ersten Jahrgang. Kein Problem ist das in Berlin oder Hamburg, denn die Millionenstädte verfügen über genügend Azubis, um reine E-Commerce-Klassen zu bilden. An kleineren Standorten kann es dagegen vorkommen, dass E-Commerce-Kaufleute gemeinsam mit Azubis verwandter Berufe unterrichtet werden, beispielsweise den Kaufleuten im Groß- und Einzelhandel.
Was noch bewältigt werden muss, ist die Rekrutierung geeigneter Lehrkräfte. Einige Berufsschulen stellen derzeit Quereinsteiger wie Systemadministratoren oder Wirtschaftsinformatiker ein, um den Lehrplan kompetent abdecken zu können. Außerdem stehen auch der Umgang mit Statistik-Tools und die Auswertung von Kennzahlen auf dem Programm.
Vorgeschrieben ist zwar kein bestimmter Schulabschluss, doch in den meisten Stellenausschreibungen wird die Mittlere Reife oder das Abitur verlangt. Weitere Einstellungskriterien der Arbeitgeber sind gute Noten in Mathematik und Informatik, Spaß an Trends im E-Commerce, eine selbstständige Arbeitsweise, Teamfähigkeit und Belastbarkeit, Bereitschaft zum projektorientierten Arbeiten, Englischkenntnisse und die Bereitschaft zur Weiterbildung.
Die Berufsaussichten für die E-Commerce-Kaufleute sind glänzend. Das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) schätzt die Anzahl aller deutschen Händler mit eigenem Onlineshop (ohne reine Amazon-und Ebay-Shops) auf etwa 120.000 – bei steigender Tendenz. Stationäre Läden und Onlineshops schließen sich nicht mehr aus, und immer mehr traditionelle Händler entdecken das Internet als zusätzlichen Verkaufskanal. Ausgebildete E-Commerce-Kaufleute werden deshalb nicht nur von den etablierten Onlinehändlern benötigt, sie werden auch gebraucht, um den ersten Shops der „altehrwürdigen" Unternehmen auf die Sprünge zu helfen.
Neuer Beruf schließt Lücke
Die reguläre Ausbildungszeit beträgt drei Jahre, die Vergütung orientiert sich an anderen kaufmännischen Lehrberufen wie beispielsweise den Kaufleuten im Einzelhandel. Im ersten Lehrjahr liegt der Richtwert bei 800 Euro. Im zweiten und dritten Lehrjahr kann die Vergütung auf 900 Euro und mehr steigen.
Aufstiegsmöglichkeiten bieten sich zum Fachwirt für E-Commerce, sobald diese Qualifikation einheitlich geregelt ist. Der HDE (Handelsverband Deutschland) plant, den Fachwirt in den nächsten Jahren auf die Beine zu stellen. Zu hoffen ist, dass diese Leiter nach oben bis spätestens 2021 zur Verfügung steht – wenn die ersten E-Commerce-Kaufleute ihre Prüfung erfolgreich absolviert haben.
Bei der Ausbildung sind die Vorreiter große Firmen wie Otto, Media Markt, Saturn und Conrad Electronic, denn sie verfügen bereits über die nötigen Strukturen und kompetentes Ausbildungspersonal. Doch die kleinen und mittleren Unternehmen holen bei der Professionalisierung im E-Commerce auf. In Berlin haben bereits über 60 kleine und mittlere Unternehmen ihr Interesse am neuen Beruf angemeldet. Ansprechpartner für interessierte Firmen ist die IHK – sie erteilt nach positiver Prüfung die betriebliche Eignung, die Voraussetzung zum Abschluss von Ausbildungsverträgen.
Noch herrschen in vielen Betrieben Wildwuchs und Fehlbesetzungen. Zu viele Onlineshops werden von IT-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut, denen der kaufmännische Hintergrund fehlt, oder von Kaufleuten, die mit der Shopadministration überfordert sind. Der neue Beruf schließt diese Lücke, denn er ist ganz auf die Bedürfnisse der digitalen Wirtschaft ausgerichtet. Kaufleute im E-Commerce sollen den Betrieben das nötige Know-how für die Zukunft liefern. Die Ziele sind groß gesteckt. Es geht darum, auf dem Markt zu überleben – und die Monopolstellung von Amazon aufzubrechen.