Eine natürliche Farbgebung, schlichte Designs und organische Formen zeichneten den diesjährigen „Salone del Mobile“ in Mailand aus, eine der wichtigsten Interieur-Messen in ganz Europa. Dabei standen alle Zeichen auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit.
Unter dem Motto „Designing for our future selves“ (Design für unser zukünftiges Ich) startete in diesem Jahr die 23. „SaloneSatellite“ auf dem „Salone del Mobile“ Messegelände. Hierbei handelte es sich um eine Art Meetingpoint auf gleich 1.400 Quadratmeter Fläche. Zu sehen gab es die Installation eines kompletten Ökosystems als Inspiration für die rund 600 Teilnehmer, die sich explizit mit dem Thema Umwelt und Klimaschutz in ihren Entwürfen beschäftigten. Im Mittelpunkt der Überlegungen standen Komfort, Benutzerfreundlichkeit, Autonomie, Interaktion, Sicherheit und Bewegung. Kuratiert wurde das Großprojekt innerhalb der Salone del Mobile von Mario Cucinella, einem italienischen Architekten, der sich in all seinen atemberaubenden und zugleich praktischen Entwürfen genau eine Frage stellt, die er auf seiner Webseite näher ausformuliert: „In naher Zukunft wird der Bedarf an neu gebauten Räumen sowie die Frage der Ressourcen, die zu ihrer Schaffung verwendet werden, zu den entscheidenden Fragen gehören, denen wir uns unter dem Druck des demografischen Wachstums stellen müssen. Aber wo finden wir all die Ressourcen dafür und die Energie, um diese Gebäude zu erhalten? Dies sind Ziele, die einen Paradigmenwechsel in Bezug auf Design und Konstruktion erfordern, der nur durch die Umsetzung einer echten ‚Re(e)evolution‘ erreichbar ist.“
Ethischer Designansatz
Ein echter Ansporn für alle Designer, sich wirklich intensiv mit dem nachhaltigen Möbelbau zu beschäftigen, denn das Arbeitsfeld ist sehr breit gefächert. Es geht nicht nur darum, nachwachsende Rohstoffe für die Konstruktion zu finden, sondern auch darum, keinen Müll zu produzieren und außerdem die komplette Herstellung und Logistik umweltfreundlich zu gestalten. Eine Herausforderung der heutigen Zeit, doch scheinbar eine, für die es sehr vielfältige Lösungen gibt.
Am Anfang steht ein „leeres Blatt Papier“, wie es die Präsidentin der Veranstaltung, Maria Porro, in einem Interview zum Messestart so passend formuliert: „Wir können nicht stehen bleiben, sondern haben vielmehr die Pflicht, die Schaffung von möglichst nachhaltigen Design-, Produktions- und Vertriebslösungen zu beschleunigen; heute brauchen wir mehr denn je einen ethischen Designansatz. Auf dem Salone werden wir viele Unternehmen sehen, die sich der Schaffung von Einrichtungsgegenständen verschrieben haben, deren Ziel das Wohlergehen der Umwelt und der Menschen ist. Der Salone unterstützt die Notwendigkeit eines echten und sofortigen ökologischen Wandels.“ Und dieser Wandel hat etwas auf sich warten lassen, denn statt im April fand der inzwischen 60. Designevent erst am 7. Juni statt. Fünf Tage lang durften die mehr als 2.175 Aussteller in unterschiedlichen Showrooms und Präsentationsständen zeigen, welche konkreten Ideen sie sich für die Zukunft vorstellen. Und das waren so einige.
„Back to Essence“ (Zurück zu den Wurzeln) dachte sich zum Beispiel John Pawson und entschied sich für einen Stuhl, komplett gefertigt aus geschwungenen Hölzern. Das minimalistische, aber dennoch sehr praktisch und authentisch anmutende Einrichtungsobjekt bestand aus geöltem Holz, einem nachwachsenden Rohstoff. Dazu passend gab es viele spannende 3D-Texturen, grafische Drucke, organische Formen und natürliche Farbtöne zu entdecken. Rauchig anmutendes Rosé traf stilles Grün und zeigte sich bei Möbeln und Teppichen nicht ganz ohne eine gewisse Spur von Extravaganz. Das Aachener Büro Molteni zum Beispiel verschrieb sich der Farbgebung von Bäumen und beschränkte sich fast völlig auf Grüntöne und Kakaobraun. Abweichend vom sehr zurückhaltenden Farbdesign gab es auch einige Highlights zu entdecken, wie die „Objets Nomades“, entworfen von Humberto und Fernando Campana für Louis Vuitton. Sie überdeckten ganze Wände mit geflochtenen Formen und den typischen Retro-Farben der 70er-Jahre. Ähnlich vergangenheitsverliebt hielt man es auch bei Kickie Chudikova und ihren Filz-Cut-outs. Solche Wandgestaltungen wären für den Wohnraum sicher etwas zu viel des Guten, doch für den Ladenbau sind sie ideal, um die gesamte Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen. Das ist nicht nur durch Farbe zu schaffen, sondern mithilfe unterschiedlicher Haptiken. Auch hier stand natürlich der Nachhaltigkeitsgedanke im Vordergrund. So präsentierte Snøhetta beispielsweise Glasfliesen, die aus recyceltem Elektromüll bestanden. Sicher eine außergewöhnlich schöne Idee, aus Schrott etwas Glanzvolles zu kreieren. Ähnlich glanzvoll, allerdings in Form von Stoffen, nutze man auch im Designstudio Envisions Müll. Genauer gesagt, Textilmüll, aus dem ein nagelneues gebrauchsfertiges Garn entstand, das auf den Namen Wyron hört. Der Prozess der Garngewinnung nennt sich „Truecycled“ und er umfasst die Möglichkeit, sämtliche Fasern zu verwenden, ganz gleich, welche Farbe und Zusammensetzung diese haben.
Erleben, Empfinden, Nachdenken
Neben Elektro- und Textilabfall gab es zahlreiche Varianten von Möbelstücken, die Plastik wiederverwerteten. Ein gutes Beispiel ist der stapelbare Stuhl von Magis. Entwickelt wurde das Konzept von Konstantin Grcic. Heraus kam nicht nur ein praktischer Einrichtungsgenstand mit einer simplen Anmut, sondern auch ein schickes Stück Müll. Da können Händler und Endkunden dann ohne schlechtes Gewissen zuschlagen und gleich eine ganze Stuhlreihe ordern – die nehmen schließlich wenig Platz weg und sind noch dazu sehr umweltbewusst. Wer nach dem Einkauf eine entspannte Spazierrunde durch die Natur plant, der wird mitten in der Stadt fündig. Nardi Outdoor ließ nämlich von Raffaello Galiotto einen kompletten Irrgarten anlegen. Dieser befand sich mitten im Innenhof der Mailänder Universität. Dem Kreativmotto der Woche „Zwischen Raum und Zeit“ folgend, sollte dies das menschliche Abkommen vom rechten Weg symbolisieren und auf das Ungleichgewicht zwischen Gesundheit, Umwelt und Frieden hinweisen. Nach der Suche auf den Irrwegen folgte dann das Ziel: ein Turm, der die Besucher empfing.
Ebenfalls sehr symbolträchtig war die „Floating Forest“-Installation von Stefano Boeri für Timberland. Hier stellte der Künstler die Biodiversität des Waldes mithilfe von 610 Pflanzen dar. Virtuelle Ergänzungen und spannende Lichtmomente boten einen Genuss die Sinne. Erleben, empfinden und nachdenken sollten die Kernpunkte der gesamten Designausstellung sein. Über sich selbst, das eigene Verhältnis zur Natur und dem Versuch einer neuen Freundschaft mit ihr. Das geht nur, indem der Sektor des Bauens und Wohnens Zugeständnisse macht, die Empfindlichkeit des Ökosystems achtet und Ressourcen schont. Die Reserven sind bald aufgebraucht, deshalb sind Lösungen wie das Recycling von Produkten und die Konzentration auf eine neue Form von Minimalismus so existenziell geworden. Alles darf schön sein, aber das reicht längst nicht mehr aus. Sämtliche Produkte müssen einen sinnvollen Nutzen haben und Rücksicht üben auf das, was uns von der Natur gegeben ist.