Die Bundesliga kehrt mit drei Runden in acht Tagen in ihren Betrieb zurück. Für Hertha BSC hat es das Programm gleich in sich: Los geht es mit dem Duell gegen den Abstiegsrang mit dem VfL Bochum.
Der erste richtige Härtetest zum Abschluss des Trainingslagers in den USA ließ altbekannte Marotten erkennen. Beim 2:2 gegen den kolumbianischen Verein Millonarios Fútbol Club musste Hertha BSC erst mit zwei Treffern in Rückstand liegen, bevor man – auch mithilfe eines Strafstoßes – richtig in die Gänge kam und noch das Remis erreichte. Die Problematik, nicht über die volle Spieldauer in allen Mannschaftsteilen eine konstant gute Leistung abzurufen, begleitet Hertha BSC dabei nicht erst seit Sandro Schwarz seine Arbeit im Sommer 2022 aufgenommen hat. Und so fiel die Spielanalyse des Trainers so aus, wie man es in den letzten Jahren schon des Öfteren gehört hat: „In der ersten Halbzeit sind wir ordentlich reingekommen, haben uns dann aber beeindrucken lassen von den Ballbesitzphasen des Gegners“, erklärte der 44-Jährige die Schwächen seines Teams im Defensivverhalten. Offensiv erkannte der Coach ebenfalls noch Verbesserungsbedarf: „Der Spielaufbau war ordentlich, aber im Übergang ins letzte Angriffsdrittel haben wir die Räume zu wenig gesehen und in sie reingespielt.“
Nur ein Zähler vor dem direkten Abstieg
Zuvor hatten die Hauptstädter immerhin gegen drei leichtere Gegner jeweils klare Erfolge erzielt und konnten daraus Positives ziehen. „Wir haben die Tore gut rausgespielt, waren gerade in der ersten Halbzeit effizient, was die Torchancen angeht, haben wieder Tore aus einem Muster heraus erzielt“, zählte Schwarz etwa nach dem 7:0 gegen das Academy-Team von SIMA Águilas aus Montverde. Und es gab Gelegenheit, mit Wilfried Kanga stellvertretend jemanden zu loben, dessen Aufwärtstrend schon zum Ende des ersten Halbjahrs erkennbar war: „Er hat eine Selbstverständlichkeit entwickelt, Selbstvertrauen, die Brust wird breiter, er hat auch im Training viele Tore erzielt“, sagte der Trainer über seinen Stürmer. Der hatte in der Bundesliga zwar lange Zeit durch nimmermüde Arbeit in vorderster Linie geglänzt, dabei aber eben auch wenig Zählbares geliefert. Da Hertha BSC im Angriff mit Davie Selke eine weitere mögliche Alternative an den 1. FC Köln abgegeben hat und mit einem sofortigen Ersatz in diesem Mannschaftsteil auf dem Transfermarkt nicht zu rechnen ist, kann man froh sein, dass intern mit Jessic Ngankam noch eine Art „Neuzugang“ zur Verfügung steht. Das 22-jährige Eigengewächs hat sich nach längerer Verletzungsgeschichte immerhin wieder derart heranarbeiten können, dass er den Belastungen des Trainingslagers standhielt. Dabei gelten seine Abschlussqualitäten als verbürgt – doch ebenso wie bei Routinier Stevan Jovetic, der gegen Montverde gleich dreimal traf, ist die Einsatzfähigkeit Ngankams aufgrund der bislang hohen Verletzungsanfälligkeit wenig verlässlich.
Die Bundesliga startet dabei am 20. Januar gleich mit einer englischen Woche, in der für Hertha BSC nicht nur wegen der aktuellen Tabellensituation – Platz 15, bei 14 Punkten gleichauf mit dem Relegationsrang und nur einen Zähler vor dem direkten Abstieg – einiges auf dem Spiel steht. Den Auftakt macht am Sonnabend das Gastspiel beim VfL Bochum, der eben jenen 17. Platz bekleidet und durch einen Dreier im direkten Duell mit Hertha tauschen könnte. Umgekehrt könnte sich die Schwarz-Elf bei einem Erfolg schon mal einen kleinen Puffer zu den Abstiegsplätzen verschaffen. Dumm ist dabei, dass ausgerechnet Dodi Lukebakio den Berlinern bei der bedeutenden Partie fehlen wird – der beste Torschütze im Team (bislang sieben Treffer) kann wegen einer Gelbsperre nicht an der Castroper Straße mitwirken. Möglicherweise noch länger fällt dazu auf der anderen offensiven Außenbahn Chidera Ejuke aus – der Nigerianer hat sich im US-Trainingslager eine Knieverletzung zugezogen.
Für das Spiel in Bochum muss Sandro Schwarz also nicht unerheblich personell umbauen, vielleicht sogar auch, was die taktische Ordnung betrifft. Der Coach hielt sich dahingehend jedoch bislang bedeckt, ob beispielsweise Eigengewächs Derry Scherhant ein adäquater Ersatz für Lukebakio sein könnte. Auf der linken Bahn könnte es noch problematischer werden: Hier wäre offensiv Maximilian Mittelstädt eine Alternative für Ejuke. Der 25-Jährige muss aber eventuell schon defensiv für Marvin Plattenhardt einspringen. Nicht nur, weil der die Vorbereitung in Florida wegen eines fehlenden Impfstatus verpasste, sondern auch in Berlin aufgrund einer Erkältung nicht vollständig bei der U23 mittrainieren konnte. Die Situation des Mannschaftskapitäns hat sich obendrein deutlich verschlechtert, seit Fredi Bobic zu Beginn des Jahres verkündete, dessen im Sommer auslaufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen. Was in Herthas aktuellem Sparmodus nicht heißen muss, dass Plattenhardt zur nächsten Saison den Verein zwingend verlässt – aber eben nur bei finanziellen Abstrichen bleiben kann. Unter diesen Umständen ist auch eine Verlängerung mit Mittelstädt (ebenfalls zu abgespeckten Konditionen) sowie dem auf dem Transfermarkt begehrten Talent Lukas Ulrich für die linke defensive Außenposition zuletzt wieder auf der Agenda weiter nach oben gerückt. Außerdem wurde dem Interesse des Hamburger SV an Marton Dardai, der auf dieser Position zumindest ebenfalls aushelfen kann, ein Riegel vorgeschoben.
In guter Erinnerung dürfte zumindest das letzte Gastspiel beim VfL Bochum sein, als Hertha BSC am vierten Spieltag der erste Saisonsieg 2021/22 gelang (3:1, zwei Treffer Serdar, einmal Maolida). Den erhofften, nachhaltigen Turnaround brachte der Erfolg bekanntlich dann aber nicht mit sich. Zum offiziellen Abschluss der Hinrunde gastiert danach am Dienstagabend bereits der VfL Wolfsburg im Olympiastadion (Spielbeginn 20.30 Uhr). Das Team hat nach Startschwierigkeiten unter dem neuen Trainer, Ex-Hertha-Profi Niko Kovac, in die Spur gefunden, ist seit acht Ligaspielen unbesiegt und dadurch auf den siebten Platz vorgerückt. Und zur „Krönung“ steht für Hertha BSC am Ende der englischen Woche das Stadtduell gegen den 1. FC Union (28. Januar, 15.30 Uhr) im eigenen Stadion auf dem Programm – wo es eben nicht nur um schnöde Punkte geht, sondern man sich mit einem Erfolg auch viel Rückenwind aus dem Umfeld für die zweite Halbserie verschaffen kann.