Alles, was die Bundesregierung in Sachen Energiesparen und Gas-Krise beschließt, müssen auch die Kommunen umsetzen. Sie sollen ihren Bürgern als gutes Beispiel vorangehen. Doch die sind eher skeptisch, was den Erfolg angeht.
Es ist dunkel geworden in Deutschland. Gehsteiglaternen sind pünktlich mit dem Beginn der dunklen Jahreszeit gedämmt worden. Die Fahrbahnbeleuchtung ist um Mitternacht auch nicht mehr so grell, dazu sollen Ampel nach 22 Uhr ausgeschaltet werden, wo es die Verkehrslage erlaubt. Alles für den guten Zweck. Nicht nur die Experten der Agora Energiewende haben allerdings erhebliche Zweifel, dass die Einschränkungen der Straßenbeleuchtung so unbedingt viel bringt. Denn die diesbezügliche Energiewende ist vor gut zehn Jahren mit dem Siegeszug der LED-Beleuchtungsmittel längst vollzogen worden. Ampeln, Straßenbeleuchtung und auch die meisten Lampen in den Schaufensterauslagen wurden seitdem durch die kleinen Energiesparwunder längst ersetzt, so die Einschätzung der Agora Energiewende. Ein LED-Licht braucht bis zu 80 Prozent weniger Energie als die damaligen Glühbirnen. Bei der Umstellung auf LED ging es den Kommunen darum, Kosten zu sparen, was auch gelungen ist. Doch jetzt geht es nur noch um den reinen Energieverbrauch. Da sieht es nun eher mau aus. Das Einsparpotenzial durch verdunkelte Innenstädte liegt bei vermutlich nicht mal einem Prozent. „Doch wir sind aufgefordert, in den kommenden Wochen 20 Prozent zu schaffen", bringt es Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe auf den schwierigen Punkt. „Darum zählt jetzt jeder einzelne Prozentpunkt" so der Präsident des Deutschen Städtetages im FORUM-Gespräch. Der Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Einsparung von Gas; auch Strom wird mit Gas produziert, darum die abgedunkelten Straßen, nicht mehr angestrahlte Denkmäler und Rathäuser. Das ist aber nur der Anfang. Die Temperatur in den öffentlichen Gebäuden darf nun im anstehenden Herbst und Winter nicht mehr als 19 Grad betragen. In Foyers und Fluren bleiben die Heizköper ganz aus. Dieses erste Maßnahmenpaket hat vermutlich einen Einspareffekt von zwei Prozent, rechnet Städtetags-Präsident Markus Lewe vor. Ein Zehntel der geforderten Einsparungen. Die übrigen 18 Prozent sollen zum Beispiel geschlossene Hallenbäder, Saunen und Eisbahnen bringen. Echte Energiefresser. „Wir wissen auch um die Bedeutung von Kultur und vor allem Sport. Trotzdem gilt: Auch dort muss Energie gespart werden, und ich bin mir sicher, die Menschen werden das verstehen", ist Markus Lewe optimistisch in diesem noch warmen September-Tagen. „Jetzt geht es um die Solidarität aller Menschen, um gut durch den Winter zu kommen".
Maßnahmen wirken, aber es reicht nicht
Dabei wird sehr schnell ein Widerspruch im Mittelpunkt stehen, der den Bürgermeistern und Landräten richtigen Ärger einbringen dürfte. Der Strom- und Gasverbrauch muss runter, notfalls auch mit unpopulären Maßnahmen. Doch umgekehrt wird weiter das Netz der Stromzapfsäulen für E-Autos ausgebaut. Frieren auf Amtsfluren, kalte oder gleich ganz geschlossene Schwimmbäder, nur noch kaltes Wasser in den Schulen. Aber die Elektromobilität wird weiter forciert, wie unter anderem Beispiele in Berlin zeigen. Viele Bürger werden sich spätestens im Winter fragen, was denn nun wichtiger ist, funktionierende Infrastruktur in den Kommunen und warme Wohnungen oder Tesla fahren.
Während sich die politisch Verantwortlichen dazu derzeit noch ausschweigen, haben selbst Klima- und Umweltorganisationen, erklärte Freunde des E-Autos, diesen Widerspruch längst formuliert. Sie mahnen, dass hier nicht eine weitere gesellschaftliche Zerreißprobe aufgemacht werden darf, im Zweifel lieber ÖPNV fahren und das E-Auto stehen lassen. Nicht ganz leicht erklärbar nach der massiven Förderung für E-Autos. Dazu Stadtwerke, die auch wegen hoher Beschaffungskosten finanziell kurz vor dem Kollaps stehen.
Dilemma Stromsparen und E-Autos tanken
Obendrein wartet auf die Kommunen noch weiteres, schwer zu kalkulierendes Ungemach: Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Sowohl Verdi als auch Beamtenbund wollen mit ihren Forderungen für den öffentlichen Dienst in der laufenden Tarifrunde nicht durch Zurückhaltung glänzen. Dabei diskutieren die beiden Hauptgewerkschaften des öffentlichen Dienstes nicht mehr über Abschlüsse von irgendwas um fünf Prozent, sondern im Gesamtpaket von eher sieben oder acht Prozent. Zu den explodierenden Energiekosten, unter denen ja auch die kommunalen Verwaltungen leiden, könnten noch die Personalkosten massiv steigen und das bei ohnehin seit Jahren klammen Kassen.
Dazu kommt noch das dritte Entlastungspaket, das unter anderem die Ausweitung des Kreises der Wohngeldberechtigten von 640.000 auf etwa zwei Millionen beschlossen hat. Dabei ist nicht das Wohngeld für die Kommunen das Problem, das übernehmen die jeweiligen Länder, sondern die erwartete Antragsflut. Das müssen die Mitarbeiter vor Ort bewältigen. „Nun rächt sich, dass der öffentliche Dienst seit Jahren kaputtgespart wurde. Bundesweit fehlen uns 360.000 Mitarbeiter. Bereits jetzt sind Bürgerämter total überfordert, nun noch die Bugwelle der Wohngeldanträge."
Der Präsident des Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, fordert darum im FORUM-Gespräch ein „Sondervermögen öffentlicher Dienst". Vorbild dafür ist die 100-Milliarden-Variante für die Bundeswehr. Doch das werde nicht reichen, um die kommunale Verwaltung wieder auf Vordermann zu bringen. Dieses „Sondervermögen" müsste bei mindestens 200, besser noch 300 Milliarden Euro liegen. Das sei ist nun mal der Preis dafür, dass man „seit einem Jahrzehnt in diesem Bereich alles hat schleifen lassen", sagt Ulrich Silberbach. Doch der 61-Jährige befürchtet, dass in den kommenden Krisen-Monaten alles so weiterläuft wie in den vergangenen Jahren. Sind die Kassen in den Kommunen, Ländern und beim Bund leer, wird es eine Verwaltungsreform geben, „mit dem Ergebnis, dass nicht mehr Mitarbeiter gerade in dieser schwierigen Zeit für die Bürger da sind, sondern weniger, so Silberbach.