Trotz mehrerer Gerichtsprozesse gegen Donald Trump und seine Unternehmen hat der Ex-Präsident immer noch ein festes Standing bei seinen Stammwählern. Die Ursachen sind nicht allein durch Trumps Persönlichkeit zu erklären. Sondern sie reichen weit zurück bis in die 1970er-Jahre.
Wer gegen den Strom schwimmt, läuft Gefahr unterzugehen. Das musste zuletzt die Trump-Kritikerin Liz Cheney bei den Vorwahlen in Wyoming erleben. Im August hatte die Republikanerin gegen die von Donald Trump unterstützte Kandidatin Harriet Hageman haushoch verloren. Liz Cheney ist eine der wenigen republikanischen Abgeordneten, die für das Impeachment-Verfahren gegen den Ex-Präsidenten stimmten. Zudem ist sie die Vizevorsitzende des Untersuchungsausschusses, der sich den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 vorgeknöpft hat. Die Unterstützer des scheidenden Präsidenten wollten damals im Januar nach einer agitatorischen Rede Trumps verhindern, dass der Kongress offiziell den Demokraten Joe Biden zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Unter vielen Republikanern gilt die 56-Jährige als zu liberal und damit nicht mehr als waschechtes Parteimitglied. Sie wird daher abschätzig nur noch als „Rino“, also als „Republican in name only“ bezeichnet. „Rino“ klingt im Englischen genauso wie „Rhino“ – das Wort für Nashorn. Deshalb werden „Rinos“ in politischen Karikaturen als Nashörner gezeichnet. Nach ihrer Niederlage sagte Cheney, dass sie vor zwei Jahren diese Vorwahl mit 73 Prozent der Stimmen gewonnen hätte und diese jetzt wieder hätte bekommen können; doch das hätte vorausgesetzt, dass sie sich mit „Trumps Lüge über die Wahl 2020“ hätte einverstanden erklären müssen, sagte sie. Cheneys Kontrahentin Harriet Hageman behauptete hingegen, dass es den Wahlbetrug gegeben habe.
Reduktion komplexer Inhalte als Erfolgsrezept
Hagemans Überzeugung teilen viele Fans von Donald Trump. „85 Prozent seiner Anhänger glauben immer noch, dass die Wahl vor zwei Jahren nicht korrekt verlaufen ist und Trump eigentlich noch im Amt sein müsste“, sagt Professor Christian Lammert im Gespräch mit FORUM, Politologe am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin. „Trumps Anhänger haben sich auch nicht durch den Sturm auf das Kapitol abschrecken lassen.“
Die als linksliberal geltende Tageszeitung „New York Times“ hat in einer großen Studie unzählige politische Reden, Newsletter und Kurznachrichten in den vergangenen zehn Jahren untersucht. Die Analyse ergab, dass die Wahlanfechter unter den republikanischen Vertretern die Polarisierung weiter „anheizten“. Ihre Rhetorik habe sich seit dem Amtsantritt des ehemaligen Präsidenten verschärft, schreibt die Zeitung. In den eineinhalb Jahren nach dem Aufstand im Kapitol am 6. Januar verwendeten Republikaner in Tweets durchschnittlich doppelt so häufig spalterische Wörter und Ausdrücke wie Demokraten, und sechsmal so oft in E-Mails an ihre Wähler.
Als Basis des umstrittenen Ex-Präsidenten gelten überwiegend weiße, männliche Wähler aus ländlichen Gegenden der USA: „Sie stehen immer noch sehr deutlich zu ihm“, so der Politologe. „Wenn man auf Umfragewerte innerhalb der Republikanischen Partei guckt, dann ist Trump mit großem Abstand immer noch der beliebteste Kandidat unter den Stammwählern“, bestätigt denn auch Curd Knüpfer, Politologe und Junior-Professor, der wie Christian Lammert ebenfalls am Berliner John-F.-Kennedy-Institut tätig ist. Bei diesen Wählern sei das Gefühl entstanden, dass das jetzige System ihnen etwas wegnehmen wolle, das eigentlich ihnen zustehe, erläutert er im Gespräch. „Das versuchen sie mit allen Mitteln zu verteidigen.“ Da spielten auch mediale Möglichkeiten rein, die sich verschoben haben, und bei denen die Reduktion komplexer Inhalte Verbreitung finde und gut funktioniere: „Das sind nicht nur soziale Medien, sondern auch das Kabelfernsehen.“
„Trump geht jetzt sogar noch weiter, indem er verschwörungstheoretische Segmente der Gesellschaft wie etwa Q-Anon mobilisiert“, erklärt der Politologe Christian Lammert. „Das sind auch Leute, die früher nicht an Wahlen teilgenommen haben, aber die auf einmal angesprochen werden und sagen: Aha, endlich seht ihr mal, dass wir doch recht hatten. Auch diese Leute stehen hinter Trump.“ Deswegen sei der Ex-Präsident sehr stabil, wenn man sich seine Unterstützung innerhalb der Wählerschaft angucke, so der Berliner Politologe. Die Trumpfkarte des umstrittenen Politikers ist unter anderem die derzeit wirtschaftlich klamme Lage in den USA. „Momentan haben wir eine Situation mit hoher Inflation, unsicherer ökonomischer Perspektive und hohen Gaspreisen“, sagt Christian Lammert. „Das geht auch immer zulasten der regierenden Partei, stärkt momentan die Republikaner und auch Trump, der immer noch und trotz der vielen Untersuchungen, die gegen ihn laufen, große Unterstützung genießt.“
Punkten konnte und kann Donald Trump nach Lammerts Einschätzung dadurch, dass viele Amerikaner unzufrieden mit den etablierten politischen Institutionen in ihrem Land sind. „Das ist auch eine Folge von massiven Einkommens- und Wohlstandsungleichheiten in den USA.“ Das Ganze habe sich dann noch nach der Finanzkrise 2007/2008 verschärft, als viele Amerikaner ihre Ersparnisse und ihre Häuser verloren haben. „Die Präsidentschaft von Obama hat diese Polarisierung noch verstärkt in der amerikanischen Öffentlichkeit. Trump ist sehr erfolgreich damit, dieses Frustrationspotenzial zu mobilisieren. Er hat auch Teile der demokratischen Wählerschaft, nämlich die ehemaligen Industriearbeiter, die unter dem wirtschaftlichen Strukturwandel gelitten haben, mobilisiert.“
Spaltung ist nicht nur Folge Trumps
Diese frustrierten US-Amerikaner und Randgruppen sind nach Einschätzung Curd Knüpfers nicht nur Trumps Vermächtnis. „Das sind strukturelle Faktoren. Dazu gibt es eine lange Historie“, erläutert der Berliner Politikwissenschaftler.
„Dahinter steht auch ein gewaltiger Machtapparat“, sagt er. Dazu zählten libertäre Thinktanks, industrielle Interessen und multimediale Medienunternehmen. „Diese Akteure vertreten politische Ziele, die nicht populär genug sind, um Mehrheiten zu gewinnen und müssen sich deshalb auf Minderheiten konzentrieren.“ So habe man über Formate wie Talk Radio, Fox News oder alternative Nachrichtenseiten versucht, diese Minderheiten möglichst mobil zu machen, sie mit kulturrelevanten Themen zu befeuern, Ängste und Ressentiments bei ihnen zu schüren. Dieser „Shift“ weg von mehrheitsfähigen Positionen habe im republikanischen Lager bereits in den 1970er-Jahren begonnen, erläutert der Politologe. Ein Beispiel ist Ronald Reagan, der von 1981 bis 1989 der 40. Präsident der Vereinigten Staaten war: „Er war ähnlich wie Trump ein Showman und kein wirklicher Politiker“, sagt Curd Knüpfer. Der ehemalige Schauspieler habe Narrative befeuert wie etwa das rassistisch-sterotype Bild der „Welfare Queen,“ die in ihrer Abhängigkeit vom Staat sinnbildlich für die Umverteilungen zu anderen Bevölkerungsschichten stand. „Das ist die Grundlage dieser weißen Wut, die man schon in der Tea Party erlebte.“ Befeuert wurde diese auch von Großunternehmen, Handelskammern und der fossilen Brennstoffindustrie, die dadurch eine Chance witterte, den Wohlfahrtsstaat, Steuern und Regularien abzubauen.
Noch hat Donald Trump die Wirkung eines Magneten. Mit zwei Polen, versteht sich. Er zieht die Menschen entweder magnetisch an oder stößt sie ab. „Wenn Trump irgendwann nicht mehr derjenige sein sollte, an dem sich alles aufreibt, dann wird dieses Vakuum irgendeine andere, mehr oder minder charismatische Führerfigur füllen“, mutmaßt Curd Knüpfer. „Bekannt aus solchen Dynamiken ist, dass dann keiner daneben geduldet wird“.
Er fürchtet, dass die neue Führungspersönlichkeit diejenigen unter den republikanischen Wähler anziehen könnte, die längst „den demokratischen Prozess aufgegeben“ haben. „Sie glauben nicht mehr daran, dass man über die Wahlurne demokratische Probleme lösen kann. Das sind die Akteure, die sagen: Was in den Parlamenten passiert, ist für uns nicht relevant. Es geht nur noch darum, die Exekutive zu stellen und zu halten.“ Diese Einstellung werde auch nicht verschwinden, wenn Trump weg ist.