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WAS MACHT EIGENTLICH...

Zu dem Boxer Sven Ottke (links), hier mit Ulli Wegner 1999, hat der Boxtrainer immer noch Kontakt
imago / Sepp Spiegl

… Ulli Wegner?

Er ist einer der erfolgreichsten deutschen Boxtrainer und führte zwischen 1971 und 2019 zuerst im Amateur- und dann im Profibereich Athleten wie Sven Ottke, Markus Beyer oder Arthur Abraham an die Weltspitze. Im April wurde er 80 Jahre alt.

Hans-Ullrich Wegner, den eigentlich alle nur „Ulli" nennen, war als Boxtrainer ein „harter Hund" und ein absoluter „Bestimmer", hatte aber in seinem Sport, dem er als Aktiver und Trainer mit Leib und Seele verschrieben war, unzählige Erfolge. Wahrscheinlich würde der 80-Jährige heute noch als Trainer am Ring stehen, wenn nicht sein langjähriger Arbeitgeber und Freund Willfried Sauerland ihm 2019 überraschend gekündigt hätte. Diese Kündigung verlief für ihn vor allem menschlich enttäuschend, was den Zeitpunkt und die Form angeht. Nach jahrzehntelanger enger Verbundenheit mit unzähligen Erfolgen erhielt Wegner die Kündigung nicht einmal durch den Chef selbst, sondern durch eine Mitarbeiterin. „Jämmerlich und geschmacklos", hatte der Startrainer das damals bezeichnet. „Solange ich noch die Treppe zum Ring hochkomme, könne ich bei ihm arbeiten", habe ihm anlässlich seines 65. Geburtstages Boxstall-Boss Sauerland sozusagen einen Vertrag bis ans Lebensende zugesagt. So war für Wegner nach 109 Profikämpfen als Trainer, davon 89 Siege, im Dezember 2019 ungewollt Schluss am Ring, was ihn heute noch mit Wehmut erfüllt: „Es ist unheimlich schwer zu ertragen", sagte er noch Monate später. Angeblich hatte das Sauerland-Box-Imperium kein Geld mehr, seinen Erfolgs-Coach weiterzubezahlen. Auch wenn Wegner damals schon 77 Jahre alt war, wäre für ihn das Aufhören nie ein Thema gewesen: „Ich fühlte mich der Sache, dem Boxen und meinen Jungs verpflichtet und wollte als Trainer weiter etwas bewegen", konnte er sich in einem „Tagesspiegel"-Interview im April durchaus ein Weitermachen vorstellen. Er hätte gern weiterhin mitgeholfen, die Träume seiner Sportler zu erfüllen. Immerhin seien acht der von ihm trainierten Boxer Weltmeister geworden, darunter mit Cecilia Braekhus und Heidi Hartmann auch zwei Frauen.

Ulli Wegner zu Gast bei der MDR-Talkshow Riverboat - Foto: picture alliance / ZB | Thomas Schulze
Ulli Wegner zu Gast bei der MDR-Talkshow Riverboat - Foto: picture alliance / ZB | Thomas Schulze

Bekannt wegen seiner Sprüche

Dass Wegner so populär wurde wie seine Schützlinge verdankt er nicht zuletzt seiner rauen Stimme und seinen kernigen Sprüchen, die auch dem Fernsehpublikum dauerhaft im Gehör hängen blieben. Seine Ansagen in den Ringpausen, mit heiserem Gekrächze vorgebracht, und seine forschen Ermunterungen an seine Boxer, waren bei allen Zuschauern beliebt. „Überall, wo ich hinkomme, sprechen mich Menschen zwischen 30 und 90 darauf an", berichtet Wegner im „Tagesspiegel". Wohl auch wegen dieser Sprüche und seiner Volksnähe ist Wegner vom Publikum 16 Mal in Folge zum „Boxtrainer des Jahres" gewählt worden.

Wer sich über das Karriereende freut, ist Wegners Frau Margret, die als Lehrerin inzwischen auch in Rente ist: „Wir kommen über die Runden. Ich bekomme seit zwölf Jahren Rente, dazu eine Bergmannsrente, weil ich bei der Wismut auch unter Tage gearbeitet habe", verriet Wegner 2019 in einem Interview. Er stelle allerdings auch keine großen Ansprüche und wisse noch sehr gut, wo er herkomme.

Natürlich blickt Wegner auch als Box-Rentner noch mit wachem Auge auf seinen Sport, mit dem es derzeit in Deutschland nicht zum Besten steht: „Bei den Amateuren stimmen die Strukturen nicht mehr", stellt er fest und kritisiert zudem, dass die heutigen Trainer nicht mehr den Mut besäßen, sich mit ihren Schützlingen mal anzulegen: „Wenn sich heute ein erfolgreicher Sportler über einen Trainer beklagt, muss dieser gehen", klagt Wegner, der zu seinen Boxern weiterhin gute Kontakte unterhält und beispielsweise mit Sven Ottke regelmäßig telefoniert.

Überraschend entlassen

Außerhalb der Boxszene hat Wegner sich schon seit 2004 in seinem Wohnbezirk in Berlin-Reinickendorf politisch engagiert und sitzt für die CDU im Sportausschuss der Bezirksverordnetenversammlung. 2010 erhielt er für seine sportlichen und sozialen Verdienste das Bundesverdienstkreuz am Bande. Seit 2011 trägt eine Sporthalle in Usedom seinen Namen, und seit 2016 ist er Ehrenbürger von Gera, das ihm 2018/2019 eine ganzjährige Sonderausstellung gewidmet hat.

Gesundheitlich musste Wegner gerade eine Operation bewältigen. In der Silvesternacht hat er sich den Oberschenkelhalsknochen gebrochen, was ihm zwei Jahre davor schon am anderen Bein passiert war: Nach der komplizierten Operation habe er erst mal wieder das Laufen lernen müssen: „Aber ich bin gut trainiert, die Reha hat mir gutgetan", sagt er, zumal er dort mit der am Knie operierten Schlagerlegende Frank Schöbel viel Spaß gehabt hat. „Im Alter muss man es ruhiger angehen lassen", sieht der nach eigenen Angaben „verfressen ehrgeizige" Trainer inzwischen ein. Auch deshalb fand Wegners Feier im April auf Usedom im kleinen Kreis statt, nachdem er zu seinem Siebzigsten noch 600 Gäste geladen hatte.

Seine Zeit vertreibt sich der „bekennende Hosenträger-Träger" Wegner heute gern mit Skatspielen und Fernsehschauen, wobei er seit Langem schon ein großer Fan von Western und Krimis ist. Wenn er jetzt auf seine acht Jahrzehnte zurückschaut, kommt er zu der Erkenntnis: „War wohl nicht alles verkehrt, was ich gemacht habe! Ich bin zufrieden mit meinem Leben", resümiert Wegner kürzlich in der „Süddeutschen Zeitung".

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