Bei einer Kreuzfahrt auf dem Kanal von Potsdam nach Münster kann man Schlösser besichtigen, schöne Städte entdecken und lustigen Möpsen begegnen.
Ganz schön was vorgenommen haben wir uns da! Von Potsdam in Brandenburg nach Münster in Westfalen soll es gehen – und zwar per Schiff! Nachmittags schiffen wir uns beim Hinzenberg am Ufer der Havel in Brandenburgs Hauptstadt ein. Unser Schiff ist eine bereits mit vielen, auch Ostsee-Wasser gewaschene Dame. Die „Katharina von Bora" wurde vor über 20 Jahren gebaut und bietet mit ihren 83 Metern Länge Platz für 80 Passagiere. Bisschen plüschig ist sie ja, aber gemütlich und vor allem mit herrlichem Sonnendeck. Am nächsten Morgen unternehmen wir eine City-Tour durch Potsdam. Die wohlhabende Stadt hat rund 185.000 Einwohner, zu denen auch Kanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock nebst Anhang gehören.
Mit dem restaurierten Holländischen Viertel, dem wiederaufgebauten Stadtschloss, das den Brandenburger Landtag beherbergt und mit seinen drei großen Park- und Schlossanlagen Sanssouci, Babelsberg und Neuer Garten mit Cecilienhof zählt es seit den 1990ern zum Weltkulturerbe der Unesco. Cecilienhof, errichtet für das letzte deutsche kaiserliche Kronprinzenpaar Wilhelm und Cecilie, schrieb Geschichte als Ort der Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 2. August 1945). Hier verhandelten die „Big Three", Stalin, Truman und Churchill, später Attlee, über die Neuordnung Deutschlands und Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Der Park von Schloss Sanssouci mit seinen berühmten Weinberg-Terrassen, wo der Alte Fritz „Sans Souci" – „ohne Sorgen" – sein wollte, ist selbstverständlich immer einen Besuch wert. Nachmittags heißt es „Leinen los" zur Havelseenfahrt. Durch den Tiefen See, an dessen Ufer das von Rosenblättern inspirierte, rote Dach des Hans-Otto-Theaters leuchtet, geht es vorbei an Schloss und Park Babelsberg.
Die Fahrt führt nun unter der Glienicker Brücke hindurch, in deren Mitte bis 1989 die sogenannte Zonengrenze zwischen Berlin und Potsdam verlief. Die grüne Eisenbrücke ist manchem Kinogänger aus Steven Spielbergs „Bridge of Spies" in Erinnerung. Während des Kalten Krieges fanden hier Agentenaustausche zwischen Russen und Amerikanern statt. Nach einer Runde auf dem Wannsee fahren wir durch den Jungfernsee in den Sacrow-Paretzer Kanal, der sich immer wieder zu naturgeschützten Seen aufweitet. Auf dem Fahrlander See herrscht wildes Wuseln – rund 50 Schwanen-Ehepaare haben sich zu einem lebhaften Konvent verabredet.
Durch die Stadtschleuse zum Plauer See
Ruhig gleitet die „Katharina" durch die Wasserlandschaft, in deren schilfumsäumten Ufern Kormorane und Fischreiher auf Jagd gehen. Am frühen Abend erreichen wir Brandenburg an der Havel. Zeit für eine kleine Runde durch Neustadt, Dom-Insel und Altstadt. Gleich am Mühlentorturm begegnen wir dem ersten. Dem ersten von ursprünglich 27, von denen einer letztes Jahr und vor Kurzem gar ein zweiter gestohlen wurde. Die Rede ist von Loriots Mops. Die Stadt hat ihrem berühmtesten Sohn Vico von Bülow diese heiteren Bronze-Denkmäler gesetzt – in Form seiner Lieblingshunde. „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos", wie wir alle wissen. Selbst am Brunnen vor dem Alten Rathaus lugt ein Mops ins Wasser. Daneben lädt ein „Knollenmännchen" aus hellem Holz auf einer Bank zum Gruppenfoto mit sich ein. Am folgenden Tag geht es durch die enge Brandenburger Stadtschleuse hinaus zum Plauer See und in den Elbe-Havelkanal(EHK) hinein.
Von nun an werden wir uns nur noch auf Kanälen bewegen. Unter Hunderten Brücken und durch zig Schleusen fahren. Kurz vor Genthin passieren wir die Grenze zu Sachsen-Anhalt. Wiederkäuende Kühe am Ufer beobachten uns auf unserer gemächlichen Fahrt. Enten sitzen in Gruppen brav im „Corona"-Abstand nebeneinander auf den Kanalspundwänden und lassen sich nicht stören.
Gegen Mittag erreichen wir Burg, wo uns ein Bus abholt zur Panoramafahrt in Magdeburg. Die Hauptstadt Sachsen-Anhalts war ab 962 Kaiserpfalz Ottos I. und wurde bald darauf auch Bischofssitz. Bei einem Bombenangriff am 16. Januar 1945 wurde die reiche Industriestadt stark zerstört. Die Fahrt entlang der Elbe bietet einen schönen Blick auf die gegenüberliegenden, ehrwürdigen Gotteshäuser der Petri- und der wiederaufgebauten Johanniskirche oberhalb der Elbpromenade. Dahinter versteckt sich der Alte Markt mit barockem Alten Rathaus und dem berühmten Magdeburger Reiter unter seinem verzierten Baldachin. Das Original dieses ersten freistehenden Reiterdenkmals seit der Antike auf deutschem Boden befindet sich heute hier im Kulturhistorischen Museum.
Am nächsten Tag besuchen wir das bekannte, bunte, üppig bepflanzte Hundertwasser-Haus am Breiten Weg, das der Künstler noch kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 entwarf. Von dort sind es wenige Schritte zum Domplatz, wo sich Landtag und Regierung in wiederaufgebauten Barockgebäuden eingerichtet haben und der imposante Dom thront, Grablege Kaiser Ottos und seiner Editha. Unser Schiff hatte am Abend zuvor im 2003 eingeweihten Magdeburger Wasserkreuz festgemacht, das etwas nördlich der Stadt liegt. Hier geht der Elbe-Havel-Kanal in den Mittellandkanal (MLK) über.
Dieser wird in einer über 900 Meter langen Trogbrücke über die Elbe geführt. Die mit rund 325 Kilometer längste, künstliche Wasserstraße Deutschlands wurde zwischen 1902 und 1942 angelegt. Erst nach dem Ende der deutschen Teilung wurde der 55 Kilometer lange EHK als letztes Teilstück der Verbindung Rhein – Oder fertiggestellt. Zum Wasserkreuz gehören auch das Schiffshebewerk von 1938, die neue Rothensee- und die Doppelsparschleuse Hohenwarthe.
Auf der Fahrt Richtung Wolfsburg wird der MLK voller, und so gibt es schon mal ein Elefantenrennen zwischen zwei Transportschiffen. Deswegen steuert Kapitän Manfred Kohn die „Katharina" immer weiter an den Rand, wo das Wasser immer flacher wird und wir froh über unseren Tiefgang von nur 1,37 Meter sind. Am Abend legen wir gegenüber der VW-Autostadt und dem historischen Werk mit seinen charakteristischen Backstein-Schornsteinen an.
Auf den Spuren des Entführers der Kinder
Am nächsten Morgen kann man diese Kombination aus den gläsernen Auto-Türmen, Abholstelle, Museen und Freizeitanlage besichtigen oder sich am Liegeplatz in ein Outlet-Zentrum stürzen. Nachts geht es dann durch die zwischen 1919 und 1928 erbaute, ehemals größte Binnenschleuse Europas, Hindenburg-, heute Anderten-, Schleuse hinein nach Hannover. Auch das Zentrum der Hauptstadt Niedersachsens war im Zweiten Weltkrieg bis zu 85 Prozent zerstört worden und beeindruckt heute wieder mit, zum Teil rekonstruierten, Altbauten. Ein Prunkstück ist das Neue Rathaus mit seiner Kuppel von knapp 100 Metern Höhe, 1896 von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht. In den Herrenhäuser Gärten ist das Schloss in seiner äußeren Kubatur als Event-Location vor rund zehn Jahren wieder aufgebaut worden und am alten Bahlsen-Haus hängt der 25 Kilo schwere vergoldete Leibniz-Keks, der vor Jahren ja einmal gemopst worden war.
Zurück an Bord geht es weiter zum Wasserstraßenkreuz Minden. 400 Meter lang sind die Kanalbrücken, die neue und die alte, die hier die Weser überqueren. Den Abstieg bewältigt eine historische Schachtschleuse. Anderntags spazieren wir mit einem veritablen, übrigens englischen, Rattenfänger durch die Weser-Renaissance-Stadt Hameln auf den Spuren des mittelalterlichen Kinderentführers, der 1284 Flöte spielend mit 130 Jungen und Mädchen durch das Ostertor verschwunden sein soll.
Bei Bad Essen steigen wir wieder auf unser schwimmendes „Zuhause" und brechen zur letzten Etappe unserer Fluss-Kanal-Kreuzfahrt auf. Bei der Kneipe mit dem sinnigen Namen „Zum nassen Dreieck" biegen wir nach Süden in den Dortmund-Ems-Kanal ein. Er bringt uns in den Hafen der Universitäts- und „Tatort"-Stadt Münster. 1899 eingeweiht, wurde er in den 1990ern „runderneuert". Heute ist er mit dem „Kreativ-Kai" ein Ort für Start-Ups und Ausgeh-Viertel der rund 60.000 Studierenden, wie wir in der Nacht feststellen. Die über 1.200-jährige Bischofs- und Hansestadt war eine der am stärksten zerstörten deutschen Großstädte im Zweiten Weltkrieg. Aber das gotische Rathaus mit seinem prachtvollen Schaugiebel, Unterzeichnungsort des Westfälischen Friedens von 1648, wurde ebenso wieder aufgebaut wie die Häuser am Prinzipalmarkt und der Dom St. Paul, eine der größten Kirchen Westfalens. In der liebens- und lebenswerten Stadt mit ihren zahlreichen Kirchen, Kneipen und Museen kann man entweder seinen Besuch um eine Übernachtung verlängern oder es geht mit dem Zug zurück.