Nach einigen Rückschlägen in der Euro League holt sich Alba Berlin in der Liga neues Selbstvertrauen. Der Sieg im Spitzenspiel gegen Ludwigsburg tut in gleich mehrfacher Hinsicht gut.
Es war ein hart erkämpfter Arbeitssieg, mit dem Alba Berlin den Euro-League-Frust ein wenig vergessen machte und seine weiße Weste in der Basketball-Bundesliga erfolgreich verteidigte. Sehr engagiert, aber wenig glanzvoll. Und dennoch sorgte ein Profi beim 99:91-Heimsieg im Spitzenspiel gegen die MHP Riesen Ludwigsburg vor 7.000 Zuschauern in der Mercedes-Benz-Arena für ein in Europa höchst seltenes Kunststück: Luke Sikma gelang mit zwölf Punkten, zehn Rebounds und zehn Assists ein Triple-Double. Und das, obwohl er zuvor wegen einer Kapselverletzung im rechten Knöchel noch pausiert hatte. Es war sein zweites Triple-Double in Deutschland seit seinem Wechsel nach Berlin vor fünf Jahren, damit zog der US-Amerikaner in der ewigen Liste der Bundesliga mit Denis Wucherer auf Platz zwei gleich. Um aber Rekordhalter Rašid Mahalbašić einzuholen, benötigt Sikma noch drei Triple-Doubles.
Viele Worte über sein persönliches Highlight verlor der Power Forward hinterher nicht. Der Kapitän war einfach glücklich, dass Alba nach drei bitteren Niederlagen auf internationalem Parkett in der Euro League zurück in die Erfolgsspur gefunden hatte. Nicht unbedingt weil nur er so stark aufgedreht hatte, sondern weil die Spieler als Team erfolgreich gewesen waren und sich vor allem in der Defensive gegenseitig unterstützt hatten. „Wir waren heute sehr stark beim Rebound und konnten daraus oft in den Fastbreak umschalten. Das hat unserem Spiel enorm geholfen“, meinte Sikma.
Durch den sechsten Sieg im sechsten Spiel befindet sich der Titelverteidiger in der Liga komplett im Soll, einzig die ebenfalls noch ungeschlagenen Telekom Baskets Bonn stehen aufgrund des besseren Torverhältnisses vor den Berlinern. Doch schon an diesem Wochenende könnte die Wachablösung an der Tabellenspitze erfolgen: Während Alba am Sonntag (27. November, 15 Uhr) bei der BG Göttingen als klarer Favorit antritt, reisen die Bonner einen Tag vorher zum schweren Auswärtsspiel nach Ludwigsburg. Und wie unangenehm die MHP Riesen zu bespielen sind, das wissen die Albatrosse nur zu gut.
„Ludwigsburg war ein tougher Gegner. Sie haben nie aufgegeben und teils wirklich schwere Würfe getroffen“, sagte Sikma voller Hochachtung. Auch bei einem 13-Punkte-Rückstand hatten die Gäste nicht aufgesteckt und waren noch mal zurück ins Spiel gekommen. Dafür zollte auch Headcoach Israel González nach der „sehr schweren Partie“ seinem Trainerkollegen Josh King ein großes Lob. „Ludwigsburg ist immer ein unangenehmer Gegner, auch heute haben sie stark gespielt und gut getroffen. Wir haben aber in den entscheidenden Momenten das Spiel richtig gelesen und die Oberhand behalten“, sagte der Spanier. Er sei vor allem deswegen „sehr glücklich, weil wir heute als Team agiert und gewonnen haben“.
In der Euro League hatte Alba davor als Team dreimal verloren – und das hatte sichtlich Spuren hinterlassen. „Wir müssen von Beginn an mit viel Energie spielen und unsere Auf und Abs in den Griff kriegen“, forderte González. Power Forward Tim Schneider betonte jedoch, dass das Team auch im internationalen Vergleich „einen Schritt nach vorne“ gemacht habe, der 25-Jährige gab aber auch zu: „Wir müssen jetzt nur noch reifer werden.“ Bei der 72:90-Niederlage beim spanischen Spitzenclub Real Madrid zum Beispiel musste Alba Lehrgeld zahlen.
„Die Dinge, die man mit Willen nicht kompensieren kann“
Beide Teams hatten Ausfälle von Leistungsträgern verkraften müssen, bei den Berlinern fehlten zum Beispiel verletzungsbedingt neben Sikma auch Marcus Eriksson, Jonas Mattisseck und der zuletzt formstarke Louis Olinde. Doch Real kam damit deutlich besser zurecht und führte den Gast aus Deutschland phasenweise vor. Auch die Rückkehr des wiedergenesenen Maodo Lô konnte Alba keine Stabilität verleihen, vor allem in der Anfangsphase lief fast gar nichts. Am Ende stand eine verdiente Niederlage, es war die fünfte in Folge in der Königsklasse. Nach drei Startsiegen fiel der deutsche Meister in der Tabelle weiter zurück, die Chancen aufs Weiterkommen sinken. Vor allem, wenn man wie beim 81:88 zuvor gegen den litauischen Spitzenclub Zalgiris Kaunas einen zwischenzeitlichen 20-Punkte-Vorsprung verspielt.
In letzter Zeit habe „Frische, Spritzigkeit, Konzentration“ gefehlt, meinte Geschäftsführer Marco Baldi, „alle diese Dinge, die man mit Willen nicht kompensieren kann“. Man habe „nicht auf höchstem Niveau“ agieren können, was in der topbesetzten Euro League schnell bestraft wird. Die dauerhafte Doppelbelastung sorgt dafür, dass sich die angeschlagenen Spieler weder physisch noch mental regenerieren können. „Wir zahlen jetzt ein wenig den Preis für den Aufwand der letzten Wochen“, meinte Sportdirektor Himar Ojeda. Auch Trainer González sprach von einer „sehr schwierigen Situation“. Die personelle Lage ist weiter angespannt, und aus Verletzungspausen zurückgekehrte Profis wie Lô, Jaleen Smith oder Johannes Thiemann benötigen noch Zeit, um an ihre Topleistungen anknüpfen zu können. „Wir sind immer noch am Anfang der Saison“, mahnte Baldi zur Vorsicht: „Wir können nicht immer das Letzte herauspressen und alles riskieren, indem man halb angeschlagene Spieler versucht hineinzuwerfen.“
Was in letzter Zeit half, war die Tiefe des Kaders und die Flexibilität vieler Spieler. Der erst 18-jährige Nils Machowski zum Beispiel verschaffte Stammspielern eine Erholungspause, Malte Delow half zwischenzeitlich auf der ungewohnten Spielmacherposition aus. Und Tamir Blatt läuft nach Anfangsschwierigkeiten langsam heiß. Der israelische Nationalspieler, der im Sommer 2021 an die Spree gewechselt war, übernahm in der Abwesenheit von Albas Topstars mehr Verantwortung und präsentierte sich als ideenreicher Spielgestalter. „Erst in den letzten Monaten der Saison habe ich mich mit dem System richtig wohlgefühlt“, berichtete Blatt. Zum Beweis war der 25-Jährige auch gegen Ludwigsburg ein entscheidender Faktor, dank einer starken Dreierquote standen bei ihm am Ende 15 Punkte. Nur Center Christ Koumadje war teamintern mit zwei Zählern erfolgreicher. Vor allem in der Crunchtime war auf Blatt Verlass, er kann seine Stärken nun immer besser ausspielen.
Der sehr eigene Alba-Spielstil, der viele Freiheiten und Eigenverantwortung voraussetzt, kann Neuzugänge aus dem Konzept bringen – vor allem, wenn sie wie Blatt zunächst nur wenig Spielpraxis erhalten. „Man zweifelt, wenn man nur wenig spielt und dem Team nicht helfen kann“, gab er zu. Das Verletzungspech der anderen war jedoch sein Glück, mit teilweise starken Leistungen hat sich der Point Guard in den Vordergrund gespielt. Die Verantwortlichen waren ohnehin immer von seinen Qualitäten überzeugt und setzten auf den Faktor Zeit. „Er arbeitet sehr gut und entwickelt sich sehr gut“, sagte González. Dieses Vertrauen schätzt Blatt sehr: „Das Team war geduldig mit mir.“
Von seinem Vater David Blatt, einem höchst erfolgreichen Trainer, erhielt der Alba-Profi den ein oder anderen Tipp. „Er weiß einiges“, so Blatt. Gegen das Heimweh besucht ihn seine Mutter Kinneret öfters in Berlin, auch mit ihr als ehemaliger Basketballspielerin kann Blatt über das, was ihn bei Alba bewegt, sprechen. Am besten können bei der Integration aber Siege helfen. Auch deswegen war der Erfolg gegen Ludwigsburg wichtig.