Die Wärmewende in Deutschland dümpelt vor sich hin. Dabei mangelt es nicht an guten Ideen. Eine davon: kommunale Wärmeplanung. Diese steht in den Startlöchern, kommt aber nur punktuell voran.
An guten Ideen mangelt es nicht: kalte Nahwärme, Wärmegewinnung aus Abwasser oder Abfall, Solarthermie, Geothermie, Umweltwärme aus der Luft, Wasserstoff. Trotzdem kommt der Ausstieg aus den fossilen Energien bei der Wärmeversorgung nicht so recht voran. Bedenkenträger allenthalben, langwierige Genehmigungsverfahren, unterschiedliche Interessenlagen bei der Vielzahl beteiligter Akteure, Planungsunsicherheit bei potenziellen Investoren, Fachkräftemangel und jahrelang günstige fossile Brennstoffe bremsen den Umstieg bislang aus.
Dabei sprechen die Zahlen für sich: Nach Angaben des Branchenverbands BDEW entfallen über 50 Prozent des bundesweiten Endenergieverbrauchs auf die Wärmeerzeugung. Bei der Beheizung von Gebäuden und Wohnraum dominieren nach wie vor Gas und Öl mit fast 75 Prozent, 14 Prozent Fernwärme wird zum großen Teil mit fossilen Energieträgern erzeugt. Die restlichen elf bis zwölf Prozent entfallen auf die Erneuerbaren. Zu wenig, um das ambitionierte Ziel der Bundesregierung zu erreichen, die Wärmeversorgung bis 2030 in Deutschland zu 50 Prozent klimaneutral hinzubekommen.
Nur zwölf Prozent Erneuerbare
Das Ob ist keine Frage mehr, es geht um das Wie, und darum, was in Regionen umgesetzt werden kann und muss. Darüber diskutierten Energie-Fachleute aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf dem Energiekongress des Instituts für Zukunfts-Energie- und Stoffstromsysteme (IZES). Der saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke gab unumwunden zu, dass die Wärmewende kaum vorangekommen sei. „Nun müssen wir in kurzen Zeitabschnitten große Fortschritte machen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht zu gefährden." Hastig zusammengestrickte Entlastungspakete, Energiekostendämpfungsprogramme und Förderung effizienter Wärmenetze sollen helfen, Insolvenzen zu vermeiden und die Bürgerinnen und Bürger halbwegs durch den Winter zu bekommen.
In der Perspektive setzen die Akteure vor allem auf die kommunale Wärmeplanung für eine künftig nachhaltige und klimaneutrale Wärmeversorgung in Ortsteilen und Stadtvierteln. Thomas Charles vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erwartet „bis Ende des Jahres den ersten Referentenentwurf des Bundesgesetzes". Kommunalvertreter verweisen aber darauf, dass fast alle Städte und Gemeinden in den letzten Jahren teure integrierte Klimaschutzkonzepte erstellt hätten und diese nun umsetzungsreif in den Schubläden schlummern würden – und jetzt komme schon wieder etwas Neues. Das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende der Deutschen Energieagentur sieht aber eine Wärmeplanung als Grundlage der Wärmewende, vorausgesetzt die Kommunen schaffen es, die Interessen aller beteiligten Akteure von der städtebaulichen Fachplanung über die Energiewirtschaft bis hin zu den Bürgerinnen und Bürgern unter einen Hut zu bekommen.
In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein werden kleinere Kommunen bei der Erstellung der Wärmeplanung finanziell unterstützt. Tilo Kurtz aus dem Umweltministerium Baden-Württembergs bemängelt vor allem die „fehlende konsequente Ausrichtung an einem Ziel" bei allen vorangegangenen Konzepten. Das soll nun besser werden. Die Stadt Freiburg und der Landkreis Lörrach haben bereits eine kommunale Wärmeplanung aufgestellt, wie Wärme künftig aus Solarthermie und Tiefengeothermie in einzelne Stadtteile kommt und wie vorhandene Gasnetze genutzt werden können. Auch das Saarland verfügt bereits über ein vom IZES erstelltes Wärmekataster. „Auch wenn das nicht gebäudescharf mit allen Daten ausgestattet ist, so haben wir doch eine handlungsfähige Grundlage für die Wärmewende geschaffen, auf die wir aufbauen können", so IZES-Leiter Prof. Frank Baur. Potenziale gibt es im Land, betont Tina Vollerthun vom Entsorgungsverband Saar. „Unter unseren Füßen schlummert ein reicher Schatz, den wir nur heben müssen". Beispiel Abwasser: In den Kläranlagen Brebach und Limbach wird Abwärme aus dem Abwasser zur Beheizung von eigenen Gebäuden gewonnen. „Wir brauchen Energieunternehmen, die mit uns die Projekte gemeinsam angehen", so ihr Appell. Der Energiedienstleister Famis aus dem Saarland macht das beispielsweise in Saarwellingen. Für die neue Festhalle soll Wärme ökologisch aus Abwasserenergie erzeugt werden.
Nicht jedes innovative Wärmeprojekt ist von Erfolg gekrönt, betont aber Friedrich Beck vom Landesverband Erneuerbare Energien Rheinland-Pfalz/Saarland. Als langjähriger Geschäftsführer der Stadtwerke Kusel hat er zahlreiche Wärmeprojekte angestoßen, aber beispielsweise das Projekt Flusswasser-Wärmepumpe aus der Lauter in Lauterecken sei aus technischen Gründen gescheitert. Es gebe zwar großes Interesse an innovativen Wärmeprojekten wie Power-to-heat-Anlagen, denn der Wunsch nach Energie-Unabhängigkeit hätte enorm zugelegt. Aber bei der Frage nach den Kosten trenne sich die Spreu vom Weizen. „Die potenziellen Kunden wollen eine hohe Preisstabilität, eine schnelle Umsetzung und vollkommene Autarkie."
Fragen, mit denen sich auch Famis bei den Nahwärme-Projekten auseinandersetzen muss, so Jan Fehlhaber. Famis ist eine Tochter des regionalen Energieversorgers VSE. Im Ortsteil Holz der Gemeinde Heusweiler setzen Famis und die Gemeindewerke ein innovatives Nahwärmeprojekt um: mit Solarthermiefeld, Holzhackschnitzel oder Wärmepumpen in einem Mischgebiet mit Gewerbe, Bestands- und Neubauten. Dass „Druck auf dem Kessel" und das Interesse groß ist, zeigt das Beispiel Energiegenossenschaft Fürth. Das seit 2015 bestehende Nahwärmeprojekt mit Biogas hat rund 200 Anschlussnehmer. Allein in diesem Jahr konnten 40 Neukunden gewonnen werden. Ein zukunftsträchtiges Projekt anderer Größenordnung ist das grenzüberschreitende Wasserstoff-Infrastrukturvorhaben „MosaHyc". Der französische Gasnetzbetreiber GRT Gaz und der Netzbetreiber Creos Deutschland wollen ihre Gasnetze in der Großregion so nutzen, dass künftig grüner Wasserstoff hindurchfließt. Rund 50.000 Tonnen Wasserstoff könnten bis 2030 bereitgestellt werden, so Geschäftsführer Jens Apelt. Die Vorteile: Grüner Wasserstoff wird aus Wind- und Sonnenstrom erzeugt, ist gut zu transportieren und wird weltweit gehandelt. „Gewisse Industrien werden auf die Anwendung von grünen Gasen oder Wasserstoff nicht verzichten können und deshalb macht der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur in Europa sehr viel Sinn." Ob allerdings jede regionale Gasleitung in 30 Jahren noch gebraucht würde, sei völlig offen. „Wenn ein Stadtteil auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung umstellt, wird die Gasleitung gegebenenfalls zurückgebaut."
Großes Interesse an innovativen Projekten
Kein Energiekongress im Saarland ohne den Blick zu den Nachbarn: Luxemburg hat seit fast zehn Jahren den Klimapakt als Unterstützungsinstrument für eine nachhaltige Energiewende aller 102 Gemeinden. Mit dem Ziel, jedes Jahr die CO2-Emissionen zu verringern, biete der vom Staat finanzierte Klimapakt zahlreiche Hilfen für die Kommunen, angefangen bei einem Klimaberater über Tools zur besseren Erfassung und Übersicht von Projekten bis hin zu konkreten Maßnahmen, so Bruno Barboni von der Klima-Agence Luxembourg. Beachtenswert ist, dass jede Gemeinde über ein kommunales Klimateam aus Bürgern und Politikern verfügt. Auch die Deutschsprachige Gemeinschaft in Ost-Belgien (DSG) geht die Wärmewende an. „Die ländlich geprägte DSG verfügt über 50 Prozent Waldflächen, die einen reichen Schatz an regionalen Ressourcen zur Wärmeerzeugung bieten", erläutert Dr. Achim Aretz aus dem dortigen Ministerium. Hecken- und Holzabfälle sollen daher verstärkt genutzt werden, um fossile Energieträger schrittweise abzulösen.
Etliche gute Ansätze, aber in der Realität sind es bislang allenfalls Trippelschritte bei der Herkulesaufgabe Wärmewende.