Mika Kaurismäkis Roadmovie „Grump“ ist auch eine Reise in die Familiengeschichte der Hauptfigur. Im Kino ist der Film seit dem 24. November zu sehen.
Bei einer Reise geht es oft um mehr, als nur von A nach B zu kommen. Wenn sich ein paar Dinge anders entwickeln als erwartet, kann daraus eine Reise in die eigene Gefühlswelt werden. In seinem neuen Film „Grump“ zeigt Regisseur Mika Kaurismäki solch eine Reise.
Grump (Heikki Kinnunen), ein Mann Anfang 70, lebt im ländlichen Finnland. Gerade ist er mit seinem 1972er Ford Escort noch durch die Landschaft gefahren, da liegt sein Auto unversehens auf der Seite. Er ist zwei Kindern ausgewichen und dabei ins Schleudern gekommen, sagt er. Eigentlich ist das Ganze auch kein großer Unfall. Der Arzt, der ihn danach untersucht, bescheinigt ihm eine gute Gesundheit – und auch der Escort sollte schnell repariert sein. Doch der Schock für Grump kommt, als ihn seine beiden Söhne aus dem Krankenhaus abholen. Statt das Auto in die Werkstatt zu bringen, haben sie es kurzerhand verschrotten lassen. „Das lohnte sich nicht mehr“, sagen sie. Aber eigentlich ist klar, dass es ihnen lieber wäre, wenn der Vater nicht mehr fahren würde. Und wenn unbedingt, dann bitte mit einem modernen Auto.
Um das Auto geht es nur vordergründig
Grump ist stinksauer. Er will seinen Escort zurück. Und praktischerweise hat Nachbar Kohlemainen (Silu Säppälä) so ein „Smartdings“ mit „Internetz“. Und da findet man alles, sagt er. Auch einen roten 1972er Ford Escort. Allerdings gibt es den nicht in Finnland zu kaufen, sondern in Deutschland. Genauer gesagt, in Hamburg. Kein Problem, sagt Kohlemainen. Hin mit dem Flugzeug, zurück mit dem Auto auf der Fähre. Und so macht sich Grump mit rund 22.000 Euro Bargeld in der Tasche auf den Weg.
Heikki Kinnunen ist überzeugend in der Rolle des zumeist mies gelaunten Eigenbrötlers, der sich mit einem alten roten Pappkoffer und einer Fellmütze, die er fast nie abnimmt, auf den Weg macht. Bei der Reise, die der alte Mann unternimmt, geht es nur vordergründig darum, ein Auto abzuholen. Eigentlich ist es eine Reise zu den Problemen, die in seiner Familie jahrzehntelang unterdrückt worden sind. An dem Ford Escort hängen Wünsche, die Grump beim Kauf des Autos hatte. Und weil diese Wünsche nie erfüllt wurden, hängt er so an dem Wagen.
Regisseur Mika Kaurismäki ist der ältere der beiden Kaurismäki-Brüder. Auch wenn die Filme seines Bruders Aki Kaurismäki bekannter sind, war es doch Mika, der als erster zum Film gegangen ist – und dann seinen Bruder quasi mitgezogen hat. Im Laufe der Jahrzehnte hat Mika Kaurismäki Filme verschiedener Genres gemacht – im Jahr 1988 zum Beispiel die Gangsterkomödie „Helsinki-Napoli – All Night Long“, einen Film, der in Berlin spielt.
Probleme der Generationen
In „Grump“ treffen die Konflikte unterschiedlicher Generationen aufeinander. Denn auch die Söhne der Hauptfigur haben so ihre Probleme – mit dem Familienleben und der modernen Arbeitswelt, die keine Fehler toleriert. Der alte Vater passt so gar nicht in diese Welt, seine Werte scheinen überholt, und die vermeintliche Fürsorge der Söhne wirkt entmündigend. Und obwohl Grump – dessen Name natürlich ein Wortspiel ist – so mürrisch daher kommt, kann man sich mit ihm identifizieren. Er geht seinen Weg und lässt sich auch nicht durch Schwierigkeiten davon abbringen.
In Hamburg lebt Grumps Bruder Tarmo (Kari Väänänen). Allerdings haben sich die beiden 50 Jahre lang nicht gesehen, und er verspürt auch kein Verlangen, den Bruder bei seiner Reise zu besuchen. Dumm nur, dass er schon am Flughafen in Finnland den Zettel mit der Anschrift des Autohändlers verliert. Und er in Hamburg aufgrund von Sprachproblemen zuerst bei einem Escort-Service im Rotlichtmilieu landet, ihm dann fast sein ganzes Geld geklaut und er dabei zusammengeschlagen wird. Und dann sitzt sein Bruder an seinem Bett, als er wieder aufwacht ... Die eigentliche Reise kann beginnen.