Ausgerechnet während der Pandemie entschied sich der Künstler und Produzent Ralf Schmerberg dafür, aus einer ehemaligen Industriehalle in Berlin-Oberschöneweide den Kulturort „MaHalla“ zu machen. Jetzt ist die zweite Saison angelaufen.
Lichtstrahlen durchbrechen das Glasdach der ehemaligen Turbinen- und Maschinenhalle der AEG (Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft) in Berlin-Oberschöneweide. Es ist mehr – eine ganze Lichtflut erster Frühlingsstrahlen gelangt durch das Oberlicht in die über 12 Meter hohe, denkmalgeschützte Halle. Mehr als 5.000 Quadratmeter Fläche erhellt das Tageslicht und taucht den ganzen Charme des alten, fast ehrwürdigen Gebäudes in eine besondere Aura. Man spürt das Besondere, trotz des nach der Wende begonnenen Zerfalls, das die Patina an den Kacheln und Treppen aufzeigt. Farbe bröckelt, an der Wand der Hinweis „Rauchen verboten“, von oben hängen schwere, metallene Ketten und mit dem Blick an die Decke werden Fragmente alter Krananlagen sichtbar. „Tritt ein in den Dom“ von der Gruppe Electra geht mir durch den Kopf und weiter im Liedtext heißt es, „hier atmet man Größe“. So muss es Ralf Schmerberg, Künstler, Fotograf und Filmemacher, beim Betreten dieser Industriehalle aus dem Jahr 1895 empfunden haben. Eigentlich suchte er 2019 ein Atelier, aber die Faszination und das Aha-Erlebnis dieser Halle ließen sogleich Bilder in seinem Kopf entstehen. Und den Wunsch, diese räumliche Weite mit künstlerischer Freiheit zu verzaubern. „Hier können auch Elefanten durchlaufen“. Ein Jahr spielte er mit dem Gedanken, unterzog sich einer „Prüfzeit“, wägte ab, stellte sich selbst in Frage, ob er seiner Idee auch unternehmerisch gewachsen sei. Ein Kampf zwischen Für und Wider, zwischen Emotionen und Rationalität.
Besondere Aura in alten Gemäuern
2020 traf Ralf Schmerberg eine Entscheidung. Er unterschrieb einen 20-jährigen Pachtvertrag für die alte Maschinenhalle und gründete die MaHalla GmbH & Co. KG. Schmerberg war bis dahin ausschließlich Künstler, Filmemacher und Produzent. Er arbeitete für internationale Musikgruppen und Magazine, in seinen Filmen unter anderem mit Klaus Maria Brandauer, Meret Becker und Herman van Veen, er führte Auftragsarbeiten für Apple und Audi aus und erhielt Preise und Auszeichnungen. Nominierungen für den Emmy und den Unesco-Award gehörten dazu und für den wertvollsten Dokumentarfilm des Jahres „Trouble – Teatime in Heiligendamm“ erhielt Schmerberg 2008 den Cinema for Peace Award.
In seinen künstlerischen Arbeiten geht es einerseits um Momente des Ästhetischen, des Schönen, aber auch um aktuelle Fragestellungen – zum gesellschaftlichen Umgang miteinander, zum Umgang mit Natur und Umwelt. Mit „dropping knowledge“ war er bereits 2003 Mitbegründer einer Online-Plattform für soziale Dialoge, zu einer Zeit, als soziales Netzwerken noch nicht selbstverständlich war.
Nun kam 2020 zur künstlerischen Arbeit die Funktion des Geschäftsführers der neu gegründeten MaHalla GmbH. Ein ganz neues Metier für einen Künstler. Woher nahm Schmerberg das Selbstvertrauen und die Kraft für ein solches Projekt? Vielleicht daher, dass er als junger Mann mehrere Jahre in Indien verbrachte, sich dort mit Lehren und Philosophien des tibetischen Buddhismus beschäftigte, daraus Kraft und Gelassenheit auch in schwierigen Situationen bezog und bezieht. So verwundert es auch nicht, dass der Name des von ihm gegründeten Kulturorts ein wenig nach Indien klingt.
„Ma bedeutet Mutter und MaHalla versteht sich als Ehrerbietung an die Mutter Erde. Ma Halla – die Mutterhalle, denn die Halle ist weiblich“, erklärt Ralf Schmerberg. Und schildert, welche Schwierigkeiten es zunächst gab, seine Vision von einem multidisziplinären Kulturort in der alten Industriehalle umzusetzen. „Unser Konzept war im Bezirk Treptow-Köpenick durchaus willkommen, aber die Corona-Jahre schnitten uns total von der Außenwelt ab. Eine Zusammenarbeit mit den Ämtern war so gut wie unmöglich und die Investorensuche nur eingeschränkt möglich. Und vor allem konnten wir niemandem das großartige Gefühl unserer bespielten Halle vermitteln.“
Wie gut, dass ein etwa 50-köpfiges Netzwerk aus anderen Begeisterten und befreundeten Künstlern entstanden war, das moralisch unterstützte und tatkräftig half. Viele der Freiwilligen und Mitstreiter sind heute noch dabei, helfen in der Küche oder im Büro. Keine Kredite, keine Schulden – alles vom Geschäftsführer Ralf Schmerberg so gewollt. Großfirmen wie die Firma Kärcher unterstützten als Kultursponsoren, säuberten die alten Wandkacheln – unter Denkmalschutzauflagen, so wie alle Arbeiten, die in der Halle durchgeführt wurden. Gerade werden die Wände in der ersten Etage umweltfreundlich mit Lehm verputzt, hier sollen Räume für Präsentationen entstehen. Denn das MaHalla Konzept sieht Vermietung und Verpachtung von Räumen und Teilen der Immobilie vor, immerhin gibt es rund 70 Nebenräume und Keller.
Programm bleibt vielfältig
Zwanzig Künstler und Gewerbetreibende haben sich bereits im MaHalla eingemietet. Darunter sind die Betreiber eines „Pilz-Labors“, in dem man auch lernen kann, wie man zu Hause selbst Pilze züchtet.
Die tragenden Säulen des MaHalla-Kunst- und Kulturkonzepts bleiben aber Themen aus den Bereichen Kunst, Musik, Spiritualität, Wissenschaft und Gemeinschaft, betont Schmerberg. Im vergangenen Jahr haben bereits einige Veranstaltungen bei einem breiteren Publikum großen Anklang gefunden. Geht es um neue Projekte, dann werden die im Team besprochen. „In unserer Programmgestaltung fragen wir uns, was können wir ausprobieren, neu darstellen. Wir spielen mit den Möglichkeiten, die uns unsere Halle bietet, als Kathedrale für Kunst und Musik“.
Ganz nach diesem Motto finden in diesem Jahr in größeren Abständen Konzerte in der Reihe „Sanctum of Sound“ statt – Auftakt war in der letzten Woche. In den kommenden Monaten gibt es – dann immer an einem Sonntag – Konzerte mit unterschiedlichen Musikern oder Musikgruppen. Dazu gehören auch zeitgenössische Klänge, die ehemalige Industriehalle ist aber auch immer wieder Veranstaltungsort für einzigartige Events wie beispielsweise mit Michelin-Sternekoch Stephan Hentschel in der Reihe „The Glow Dining Saison“. Außerdem gab es hier einen Kiezsalon, Ausstellungen, Performances und einen Weihnachtsmarkt. So vielfältig und divers wie im letzten Jahr soll sich das Programm auch in diesem Jahr wieder gestalten.