Als dem Suff verfallenes Raubein und berüchtigter Frauenheld wurde Charles Bukowski mit seinen mehr als 40 Büchern zu einem Kultautor der alternativen Beat- und Hippie-Generation. Seine größte Fangemeinde hatte er in Deutschland mit vier Millionen verkauften Werken. Bukowski starb vor 30 Jahren.
An Charles Bukowski und seinem Werk scheiden sich seit jeher die Geister. In seinen Romanen beleuchtete er in einfacher, ungeschönter und prägnanter Sprache mit autobiografischem Hintergrund die schmutzigen Randzonen des American Way of Life. Für die einen war er daher nur ein trivialer, egozentrischer und vulgärer Autor, dessen Themenpalette kaum jemals über Sex, Saufen und Pferdewetten sowie den Loser-Kosmos von Outsidern, Underdogs, Tagelöhnern und Kleinkriminellen hinausreichte. Entsprechend wurde er von der „Welt“ gar mal als „Dschungelkönig der Achtziger“ verunglimpft.
Für die anderen war er ein großer Erzähler, den beispielsweise die „Süddeutsche Zeitung“ „in einer Liga mit Leuten wie Hemingway oder Henry Miller“ einordnete. Irgendwo zwischen diesen literaturkritischen Antipoden hatte Deutschlands oberster Vorleser Denis Scheck sein Urteil über den „Lieblingsautor aller wohlbehüteten Wohlstandskinder“ angesiedelt: „Er ist ein erstklassiger Vertreter des zweiten literarischen Rangs.“
Geboren 1920 im rheinischen Andernach
Dazu muss angemerkt werden, dass er in seinem Heimatland, den USA, zwar schon nach der Veröffentlichung seines ersten Buches im Jahr 1960 – der Gedichtsammlung „Flower, Fist and Bestial Wail“ – in Insiderkreisen der Underground-Literaturszene eine gewisse Popularität gewonnen hatte und schon damals in einem Atemzug mit Kollegen wie Jack Kerouac oder William S. Burroughs genannt wurde; doch seinen Durchbruch verdankte Charles Bukowski in den 1970er-Jahren – zu einer Zeit, als er noch immer ziemlich verwahrlost in einer heruntergekommenen Gegend von East Hollywood lebte – vor allem einer großen Fangemeinde in Deutschland und in Frankreich. In den USA hingegen wurde er damals allenfalls als Skandalschriftsteller oder Geheimtipp gehandelt und einer breiten Öffentlichkeit erst durch den Hollywoodfilm „Barfly“ 1987 bekannt. Für diesen hatte er das Drehbuch geschrieben und darin hatte sich sein Alter Ego Henry Chinaski als alkoholsüchtiger Schriftsteller saufend und prügelnd die Nächte in Hollywoods Bars und Clubs um die Ohren geschlagen.
Dass Bukowski sich ausgerechnet in Deutschland so großer Beliebtheit erfreute, könnte auch seinem Geburtsort geschuldet gewesen sein. Er erblickte das Licht der Welt nämlich am 16. August 1920 im rheinischen Andernach als Sohn einer deutschen Mutter und eines US-amerikanischen Besatzungssoldaten mit deutschen Wurzeln. Die „Zeit“ hat Bukowski daher einmal als „deutschen Dichter“ bezeichnet. Im Alter von drei Jahren bestieg Heinrich Karl Bukowski mit seiner Familie ein Schiff in Bremerhaven mit dem Ziel Baltimore in Maryland.
Von dort zogen die Bukowskis weiter nach Los Angeles, wo der nun in Henry Charles umgetaufte Sohn noch lange beim Englischsprechen mit seinem deutschen Akzent ringen musste. Die daraus resultierenden schulischen Hänseleien waren jedoch nichts gegen die Misshandlungen durch seinen prügelnden Vater. Während der Pubertät war die Akne-Bildung bei Bukowski so stark ausgeprägt, dass er 1936 sogar ein Jahr vom Unterricht befreit werden musste. Die Narbenlandschaft seines Gesichts sollte lebenslang sein bekanntestes äußeres Merkmal werden, was von Teilen der Damenwelt offenbar als Zeichen besonderer Maskulinität sehr geschätzt wurde.
Durch häufige Besuche der örtlichen Bibliothek schloss Bukowski Bekanntschaft mit klassischen russischen Autoren, aber auch mit heimischen Schriftstellern wie Ernest Hemingway oder Sherwood Anderson. 1939 schrieb er sich dank eines Stipendiums am Los Angeles City College unter anderem für das Fach Journalistik ein. Erste Übungen im Schreiben von Kurzgeschichten gehörten ebenso zu seinem Tagesprogramm wie das Verschlingen sämtlicher Werke von Hemingway und seines neuen Idols John Fante. Die Hauptfigur in dessen 1939 veröffentlichten Roman „Ask the Dust“, ein trinkender Schriftsteller auf der Suche nach dem Erfolg im Los Angeles der 1930er-Jahre, hatte fraglos jede Menge Ähnlichkeit mit Bukowskis späterem realen Leben.
Der Alkohol, den er sich schon als 17-Jähriger illegal beschafft hatte, begann nach Abbruch des College-Studiums 1941 und im Laufe seiner danach aufgenommenen Odyssee durch verschiedene Bundesstaaten und Großstädte der USA mit verschiedensten Gelegenheitsjobs eine immer größere Rolle zu spielen.
Magenblutung kostete ihn fast das Leben
1947 kehrte er nach L.A. zurück, nachdem er während seines Vagabundenlebens immerhin seine Liebe zur klassischen Musik entdeckt hatte. Die Liaison mit der ebenso trinkfesten Jane Coone Baker brachte Bukowski dem endgültigen Absturz zwischen Schnapsladen und Ausnüchterungszelle immer näher. Mit 35 Jahren sprang er dem Tod bei einer Magenblutung gerade noch von der Schippe. Den dringenden Rat der Ärzte, möglichst keinen Tropfen Alkohol mehr zu trinken, schlug er zwar in den Wind, doch immerhin schien er durch die Eheschließung mit Barbara Frye 1955 und die Aufnahme eines festen Arbeitsverhältnisses ab 1958 als Briefsortierer beim United States Postal Service etwas solider zu werden. Die geregelte Struktur des Angestelltendaseins gab seinen schriftstellerischen Ambitionen neue Nahrung. Nach dem Heimkommen von der nächtlichen Schicht setzte er sich meist an die Schreibmaschine, um – begleitet von Whisky und klassischer Musik – in die Tasten zu hauen.
Nach seinem Lyrik-Debüt 1960 wurde 1963 ein weiterer Gedichtband mit dem Titel „It Catches my Heart in its Hands“ verlegt. Dessen winzige Auflage von weniger als 1.000 Exemplaren machte den Autor Bukowski, dessen neue Freundin Frances Dean Smith ihm 1964 die Tochter Marina Louise schenkte, jedoch kaum bekannt. Auch mit seiner wöchentlichen Kolumne in der Alternativ-Gazette „Open City“ konnte er nur einen überschaubaren Leserkreis erreichen. 1969 wurde ein Teil dieser frühen Kurzgeschichten in Buchform unter dem Titel „Notes of a Dirty Old Man“ veröffentlicht und 1970 als erstes Werk von Bukowski auch in deutscher Übersetzung beim Melzer Verlag als „Aufzeichnungen eines Außenseiters“ publiziert.
Erst im Alter von 50 Jahren fasste Bukowski den Entschluss, seinen Brotjob bei der Post endgültig aufzugeben und sich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren. Innerhalb weniger Wochen brachte Bukowski 1970 eines seiner Hauptwerke, den Roman „Post Office“, in dem er seine persönlichen beruflichen Erlebnisse thematisierte, zu Papier. In Deutschland erschien das Werk 1974 unter dem Titel „Der Mann mit der Ledertasche“ bei Kiepenheuer & Witsch. Bukowski hatte darin seinen typischen sparsamen Sprachstil, gepaart mit einem lakonischen Humor, bereits gefunden. „Ich mag es roh, leicht und einfach. Auf diese Weise lüge ich mich selbst nicht an“, sagte Bukowski.
Tod mit 73 wegen Leukämie-Erkrankung
So richtig populär wurde Bukowski in der Bundesrepublik aber erst durch den Kleinverlag Maro und später den Verlag Zweitausendeins. Maro hatte 1974 den ziemlich skurril titulierten Band „Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang“ publiziert, von dem innerhalb eines Jahres stolze 50.000 Exemplare verkauft wurden.
Nach „Post Office“ folgten die Romane „Factotum“ (1975) über seine Wanderjahre mit Hilfsarbeiterjobs, „Women“ (1978; deutscher Titel „Das Liebesleben der Hyäne“) über jede Menge turbulente Liebschaften, die Coming-of-Erzählung „Ham on Rye“ (1982), die hierzulande unter dem Titel „Das Schlimmste kommt noch“ zu den beliebtesten Büchern Bukowskis wurde und zwei weitere Romane. Bei einem Besuch in seinem Geburtsland am 18. Mai 1978 in der mit 1.300 Zuhörern restlos ausverkauften Hamburger Markthalle wurde Bukowski groß gefeiert. Mitte der 1980er-Jahre war er dank der Auslandstantiemen seiner Bücher ein gemachter Mann und bezog nach einer Affäre mit der Bildhauerin Linda King mit seiner zweiten Ehefrau Linda Lee Beighle ein hübsches Haus im vornehmlich von Künstlern bewohnten Hafenviertel San Pedro. In seinem Alterswerk hielt er vor allem Rückschau auf seine Jugend, auch das Thema Tod und künftiges Sterben beschäftigten ihn immer häufiger. Am 9. März 1994 starb Charles Bukowski im Alter von 73 Jahren – an einer Leukämie-Erkrankung und nicht etwa infolge einer Leberzirrhose.