Die grausame Tötung von 335 italienischen Zivilisten durch SS-Angehörige am 24. März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen gilt auf der Apenninhalbinsel als Symbol für die Schrecken der deutschen Besatzungszeit. Die Nazis hatten die Menschen vor 80 Jahren als Repressionsmaßnahme für ein tödliches Partisanen-Attentat hingerichtet.
Dass die deutsche Armee auch während der rund 20-monatigen Besetzung Italiens an zahlreichen Verbrechen beteiligt war und der hierzulande in den 1950er-Jahren im Rahmen der Wiederaufrüstung der Bundesrepublik geborene Mythos von der „sauberen“ Wehrmacht nichts anderes als eine unzutreffende Legende ist, wurde längst durch zahlreiche Forschungen belegt. Die Zahl der von Wehrmacht und SS ermordeten italienischen Zivilisten wird zwischen 10.000 und mehr als 20.000 beziffert. Eine deutsch-italienische Historikerkommission konnte 2012 nachweisen, dass zwischen dem 8. September 1943 und dem 8. Mai 1945 in Italien jeden Tag im Schnitt 165 Zivilisten, Kriegsgefangene oder Militärinternierte von den deutschen Besatzern ermordet worden waren. Laut der Kommission war es zudem zu „Hunderten von Massakern“ gekommen. Vor Gericht mussten sich dafür später aber nur ganz wenige Täter verantworten.
Das mit Abstand bekannteste deutsche Kriegsverbrechen ist die Erschießung von 335 italienischen Zivilisten durch SS-Angehörige am 24. März 1944 in einem Steinbruchgelände im Süden Roms. Genauer gesagt in den Ardeatinischen Höhlen (Fosse Ardeatine) an der Via Ardeatina kurz hinter der Stadtmauer, unweit der Via Appia Antica. Es war eine drastische Vergeltungsmaßnahme für einen Partisanenanschlag am Tag zuvor. Dabei waren in der Via Rasella der römischen Innenstadt 33 deutsche Soldaten getötet worden.
Das Massaker in den Fosse Ardeatine gilt bis heute in Italien als Symbol für die Schrecken der deutschen Besatzungszeit. Ein am 24. März 1949 eingeweihtes Denkmal mit den Gräbern der Erschossenen, von denen das jüngste Opfer gerade einmal 15 Jahre und das älteste 75 Jahre alt war, hält die Erinnerung dauerhaft wach. Und obwohl die Fosse Ardeatine in puncto Grausamkeit und Opferzahlen von anderen deutschen Kriegsverbrechen auf italienischem Boden teils noch deutlich übertroffen wurden – beispielsweise durch das Massaker von Marzabotto bei Bologna mit 770 Toten oder dem Gemetzel in Sant’ Anna Stazzema bei Lucca mit 394 Opfern – gilt das Mausoleum-Monument im Süden Roms als zentraler nationaler Gedenkort. Mutmaßlich wegen der direkten Nähe zur Hauptstadt.
Durch die deutsche Besetzung Roms ab dem 10. September 1943 erhielt die Widerstandsbewegung auch in der italienischen Hauptstadt nach und nach immer größeren Zulauf. Die direkte Unterdrückung der Zivilbevölkerung hatte bereits am 16. Oktober 1943 begonnen. Damals durchkämmten deutsche Soldaten das jüdische Ghetto nahe dem Vatikan und begannen mit dem Abtransport von mehr als 1.000 Menschen in die Vernichtungslager. Auch in der Folge blieben Verhaftungen sowie Deportationen an der Tagesordnung. Gefürchtet war vor allem die von SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler geleitete Kommandantur der Sicherheitspolizei und des SD mit angeschlossenen Folterkammern in der unscheinbaren Via Tasso unweit der Lateranbasilika.
Zentraler nationaler Gedenkort
Eine Gruppe von jungen kommunistischen Studenten, die in Guerilla-Manier meist nur in Kleinstverbänden von vier bis fünf Personen agierten, ließ sich von der Gefahr jedoch nicht abschrecken. Bereits ab Dezember 1943 hatte sie in Rom verschiedene Anschläge durchgeführt, die allerdings jeweils Vergeltungsmaßnahmen der Besatzungsmacht zur Folge hatten. Als die „Gruppi di Azione Patriottica“ (GAP) ihre größte Aktion für den 23. März 1944 geplant hatte – möglicherweise ganz bewusst terminiert, da es sich dabei um den 25. Jahrestag der Gründung der faschistischen „Schwarzhemden“-Kampfbünde gehandelt hatte –, dürfte allen Verantwortlichen klar gewesen sein, dass schwere Repressalien folgen würden. In sämtlichen von deutschen Truppen besetzten Ländern wurden Partisanenangriffe grundsätzlich mit Vergeltungsmaßnahmen geahndet. In Serbien war es sogar üblich, für einen getöteten deutschen Soldaten 100 Geiseln zu erschießen. In Italien war die „Repressal-Quote“ nicht ganz so hoch, aber 1:10 wurde durchaus häufiger praktiziert.
Am frühen Nachmittag des 23. März 1943 befand sich die 11. Kompanie des 3. Bataillons des Polizeiregiments „Bozen“, dessen Mannschaftsgrade ausschließlich aus Südtirolern bestand, auf ihrem täglichen Marsch durch die enge Via Rasella zu ihrem Quartier am Quirinal-Palast. Ein als Straßenfeger verkleidetes GAP-Mitglied zündete eine in einem Müllkarren versteckte Bombe, drei Komplizen bewarfen die Ordnungspolizisten zusätzlich mit Handgranaten. Die Attentäter konnten entkommen, unter den deutschen Soldaten gab es 33 Tote. Zudem verloren zwei italienische Zivilisten ihr Leben und es gab 67 Verletzte. Da die Soldaten einen Angriff aus den umliegenden Wohnungen vermutet hatten, nahmen sie die Häuser unter Beschuss und ließen anschließend alle Anwohner stundenlang mit erhobenen Händen am Zaun des Palazzo Barberini Aufstellung nehmen. Dass diese schwere Provokation, der größte Anschlag italienischer Partisanen gegen deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg, in der Logik der Besatzer nicht ungesühnt bleiben konnte, stand völlig außer Frage.
Opfer wurden per Genickschuss getötet
In kürzester Zeit nach dem Attentat waren alle lokalen deutschen Entscheidungsträger am Tatort eingetroffen. Generalleutnant Kurt Mälzer wollte in seiner Funktion als Stadtkommandant von Rom gleich das ganze Attentatsviertel in die Luft sprengen. Herbert Kappler setzte dann aber schnell nach telefonischer Absprache mit Generaloberst Eberhard von Mackensen, dem Befehlshaber der 14. Armee, eine Repressal-Quote von 1:10 für die zu ergreifenden Sühnemaßnahmen durch. Der über den Vorfall benachrichtige Adolf Hitler soll zwar einen seiner legendären Wutanfälle bekommen haben, aber es gibt keine Belege für direkte Anweisungen aus Berlin für das weitere Procedere.
Vielmehr scheinen die Beschlüsse für eine entsprechende Reaktion alleine in Italien getroffen worden zu sein, fraglos abgesegnet durch Generalfeldmarschall Albert Kesselring. Mit der Organisation und Durchführung der geplanten Erschießungen wurde Herbert Kappler betraut. Dieser sah sich allerdings vor das unerwartete Problem gestellt, dass er für seine Todesliste in den ihm unterstellten Gefängnissen keine ausreichend große Zahl von Geiseln zur Verfügung hatte. Er musste daher auf 50 Gefangene der italienischen Quästur zurückgreifen, auf 75 noch nicht deportierte Juden und auf zehn in der Via Rasella zufällig verhaftete Zivilpersonen, denen Sympathien für die Widerständler unterstellt worden waren.
Am 24. März 1943 wurden die Geiseln, deren Hände mit Stricken auf dem Rücken zusammengebunden waren, ab 14 Uhr mithilfe von Lastwagen zu den Ardeatinischen Höhlen gebracht. Dort sollten sie allerdings nicht wie üblich von einem Exekutionskommando hingerichtet werden. Die Besatzer hatten die Vereinbarung getroffen, dass jeder einzelne der insgesamt 80 bis 90 SS-Männer sein Opfer jeweils mit einem aufgesetzten Genickschuss töten sollte. Vor dem Höhleneingang wurden jeweils fünf Geiseln ausgewählt, deren Namen auf der Todesliste von Hauptsturmführer Erich Priebke abgehakt wurden. Anschließend wurden sie von einem SS-Mann in den schwach beleuchteten Untergrund geführt. Auf das Kommando von Hauptsturmführer Karl Schütz hin wurden die knienden Geiseln ermordet, wobei sich die Toten aus Platzgründen schon bald übereinander stapelten. Gegen 19 Uhr war das Massaker beendet. 335 Menschen hatten die SS-Männer das Leben genommen, 326 von ihnen konnten später identifiziert werden. Streng genommen hatte die SS fünf Personen mehr getötet, als die beschlossene Repressal-Quote eigentlich erfordert hatte.
Viele Verbrechen blieben ungesühnt
Ob solch drastische und unverhältnismäßige Repressal-Maßnahmen 1944 durch das Völkerrecht gedeckt waren, ist bis heute eine ziemlich strittige Frage. Die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung diesbezüglich waren unklar – und somit interpretationsfähig. „Die Rechtmäßigkeit von Repressal-Tötungen während des Zweiten Weltkrieges basierte allein auf einer Rechtslücke“, beschreibt es ein Beitrag in den „Vierteljahresheften für Zeitgeschichte“. „Dass die Repressal-Tötung Unschuldiger schon 1944 mit den Vorstellungen der westlichen Welt, den ethischen wie im Grunde auch den juristischen, unvereinbar gewesen ist, ist mehr als nur eine nachträgliche Projektion.“
In Italien herrscht zudem immer noch Uneinigkeit über die Legitimität des Anschlags vom 23. März 1943. Für die einen war er eine notwendige Kriegshandlung, die anderen machen ihn und den Widerstand mitschuldig für das Massaker. Die meisten deutschen Kriegsverbrechen in Italien blieben ungesühnt, wofür der prall mit Missetaten-Akten gefüllte und bis 1994 beim Sitz der Allgemeinen Militäranwaltschaft in Rom unter Verschluss gehaltene „Schrank der Schande“ ein beredtes Zeugnis ablegen konnte. Die juristische Aufarbeitung beschränkte sich im Wesentlichen auf die Verurteilung Kapplers 1948 zu lebenslanger Haft. Kapplers Untergebene wurden ausnahmslos freigesprochen, seine Vorgesetzten nach Verurteilungen zum Tode vergleichsweise schnell begnadigt.