Vor knapp drei Jahren gründeten Janalea Royan und Ingo Britz das Label La Sarre. Sie wollen nicht nur Mode machen, sondern auch die saarländische Identität und das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Vive La Sarre" prangt in großen Buchstaben auf den bunten T-Shirts, Polos und Hoodies: „Es lebe das Saarland". Auf anderen Modellen ist es weniger auffällig: Ein kleines aufgesticktes Logo – nur wer genau hinsieht, erkennt das Logo des ehemaligen Saar-Staates, modern interpretiert mit silberner Brücke.
Hinter der Marke Vive La Sarre stecken Janalea Royan und Ingo Britz. Nicht einfach nur Saarländer, sondern „Herzens-Saarländer", wie sie sich selbst nennen. Eine Modedesignerin und ein Mediengestalter, die nicht nur Mode machen wollen, sondern eine Vision haben: die saarländische Identität stärken. „Wir wollen ein Kontrapunkt sein zu den saarländischen Spaß-Labels wie ‚made in Saarbrigge‘", erklärt Ingo Britz. „Wir wollten ein ernstzunehmendes und identitätsstiftendes Stück Mode schaffen, damit das Selbstbewusstsein stärken und ein Gemeinschaftsgefühl schaffen, ohne ins Lächerliche abzudriften." Die Idee dahinter: Wer La Sarre trägt, nimmt seine Heimat mit sich, egal wo auf der Welt er sich gerade befindet.
Doch der Weg zu La Sarre war nicht immer eben und fast wäre er nie zustande gekommen. Als Janalea 2012 mit dem Modestudium anfing, konnte sie gleich zu Beginn ein Praktikum bei einem großen Modehersteller ergattern. Doch neben vielen wertvollen Erfahrungen brachte es auch Ernüchterung. „Während dieser Zeit ereignete sich das Unglück von Bangladesch, bei dem 2013 ein großer Fabrikkomplex einstürzte. Über 1.000 Menschen starben und mehr als 2.000 wurden verletzt", erinnert sich Janalea zurück. „Ich konnte Einblicke gewinnen, wie die großen Firmen ihre Aufträge verteilen und wie viele dort auch produzieren ließen. Es hat mich so schockiert, dass ich mit Mode nichts mehr zu tun haben wollte und das Studium direkt abbrechen wollte."
Erfolgreich mit einer gemeinsamen Idee
Doch Ingo glaubte an ihr Talent und überredete sie, weiterzumachen: „Ich war der Meinung, dass es unsere Aufgabe ist, nicht wegzuschauen, sondern das System von innen heraus zu verbessern. Wir beobachten, wie die Hersteller seit dem Unglück behaupten, dass sie auf nachhaltige Mode umsteigen, gleichzeitig aber die Preise nicht steigen. Wenn man ein T-Shirt für acht Euro kauft, das angeblich bio und fair hergestellt wurde, muss man sich doch fragen: Wie kann das gehen?"
2015 entstand die erste gemeinsame Idee einer bunten und auffälligen Modemarke für junge Frauen. Sogar eine erste Vorproduktion war schon fertig. „Rückblickend war es Glück im Unglück, dass wir gescheitert sind", sagt Janalea. „Ich glaube nicht, dass wir Erfolg gehabt hätten, denn dem Projekt hat die saarländische DNA gefehlt. Es wäre eher was für die Strände von Florida oder Kalifornien gewesen, aber da muss man vor Ort sein, um das Lebensgefühl auch authentisch einfangen zu können. Wir haben dann mit La Sarre eine Idee ausgepackt, die schon länger in uns gearbeitet hat." Und die junge Frau ergänzt: „In der Mode-branche hätte ich hier niemals einen Job gefunden, weil es einfach nichts Spannendes gibt. Ich wollte aber hierbleiben, also habe ich mir meinen Job ins Saarland geholt."
Zusammenhalt und Aufbruchsstimmung
Bei der Suche nach einem Symbol kamen die beiden Gründer auf das ehemalige Saar-Wappen von 1948. „Das ist eine super interessante Geschichte", erzählt Ingo. „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde hier mitten im Herzen Europas die Idee eines wirtschaftlich und politisch vereinten Europas geplant, quasi die ‚Vereinigten Staaten von Europa‘ mit dem Saarland als Hauptstadt. Aber die Pioniere waren ihrer Zeit wohl leider voraus. Wir wollen mit La Sarre diese Idee des Zusammenwachsens, des Zusammenhalts und der Aufbruchsstimmung wieder aufleben lassen. Die Innovationsleistung von damals zeigt, wozu wir fähig sind. La Sarre ist ein Label für Saarländer, die Zukunft denken, die offen sind für Innovation und Neues begrüßen, statt es abzulehnen. La Sarre soll Symbol dafür sein, dass Heimatliebe und Weltoffenheit sich nicht ausschließen. Vive La Sarre – also das Saarland zu leben – ist unser gemeinsamer Auftrag."
Ende 2019 war dann eine kleine Kollektion fertig: T-Shirts, Polos und Hoodies mit dem gestickten, modern interpretierten Wappen. Der Vertrieb lief fast ausschließlich über einen Online-Shop. „Tatsächlich lief es von Anfang an ziemlich gut", erzählen Janalea und Ingo stolz. „Aber ab März 2020 war dann bekanntlich alles anders, die Leute wurden durch Corona auch zurückhaltender im Konsum. Wir sind in der ersten Welle auf Masken umgestiegen – die wurden uns aus den Händen gerissen. Zum Glück hatten wir Unterstützung von Familie und Freunden, sonst hätten wir das wohl nicht geschafft."
Weihnachten 2020 gab es dann die Idee zur Beteiligung an einem Pop-Up-Store in der Saarbrücker Innenstadt. Aber das Lockdown-Risiko war den Gründern am Ende zu groß. Der Grundstein für den Einstieg in den stationären Einzelhandel war trotzdem gelegt, denn sie lernten den Inhaber von Saar-Lor-de-Luxe kennen, einem Laden für regionale Produkte im Saarbrücker Nauwieser Viertel. Seit Ende März ist La Sarre jetzt endlich auch offline erhältlich. „Plötzlich müssen wir uns Gedanken machen um Präsentation, Verkaufsfläche, Preisschilder und ähnliches", sagt Janalea und lacht. „Ich bin da sehr perfektionistisch, aber es ist schöner geworden, als ich es jemals gedacht hätte. Und wir haben die Möglichkeit, unsere Kunden noch besser kennenzulernen. Das ist uns wichtig, denn sie sind die einzig wahre Saarland-Marke."
In den sozialen Medien rufen sie dazu auf, mit dem Hashtag #vivelasarre die Heimatverbundenheit zu zeigen. „Wir freuen uns immer, wenn uns Leute Fotos schicken oder uns auf ihren Kanälen verlinken. Eine Familie hat uns zum Beispiel ein Weihnachtsbild geschickt, auf dem alle einen La Sarre-Hoodie anhatten – das hat uns mega gefreut. So sind sogar schon Freundschaften entstanden."
Neue Designs und Farben
Doch Janalea und Ingo wollen nicht nur ihre Kunden kennenlernen, sondern zeigen auch selbst Gesicht: „In der heutigen Zeit ist es wichtig, authentisch zu sein. Wir nehmen damit die Verantwortung an und zeigen, wer hinter der Marke steht." Auf Instagram zeigen sie Ausschnitte aus ihrem Alltag, zum Beispiel mit Hündin Florine. „Sie ist in Spanien in einem Tierheim geboren und lebt seit November bei uns. Wir sind der Meinung, dass Veränderung im Kleinen passiert und versuchen selbst jeden Tag, die Welt ein bisschen besser zu machen, indem wir zum Beispiel einem Hund ein neues Zuhause geben."
Und derzeit ist eine weitere Idee in der Entstehung. „Wir wollen nach außen zeigen, wie ein Modelabel entsteht und wächst", erklärt Ingo. „Denn Mode ist etwas sehr Nahbares, bei dem jeder verstehen kann, was passiert. Wir wollen die Menschen mitnehmen auf unsere Reise und auch die Probleme aufzeigen. Als Marke, deren Anspruch es ist, das Saarland modisch zu repräsentieren, kann uns nichts wichtiger sein, als das Thema für jedermann erlebbar und nachvollziehbar zu machen."
Gleichzeitig stehen schon die Planungen für Weihnachten an. „Die Stammkunden wollen natürlich immer mal wieder was Neues, da ist ein gewisser Innovationsdruck vorhanden." Wir planen neue Farben und Designs und auch neue Artikel für Kinder. Es macht Spaß, auch immer wieder neue Designmethoden auszuprobieren. Bei den T-Shirts wird nicht etwa der Slogan in weißer Farbe aufgedruckt, sondern an der Stelle wird die Farbe entzogen. Dadurch bleibt ein Rest Farbe sichtbar, was eine coole Optik gibt und beim Waschen und drüberbügeln kann der Druck nicht kaputtgehen.
Doch Vive La Sarre ist nicht nur ein Modelabel, sondern ein ganzes Projekt, das zeigen soll, dass es viele Menschen wie Janalea und Ingo gibt, die zukunftsgerichtet denken. „Aus dem Nichts eine Marke zu schaffen ist kein Selbstläufer. Es gibt kein Patentrezept für die Selbstständigkeit – man braucht Ehrgeiz und natürlich auch ein bisschen Glück", sagen sie. Die Gründer führen immer wieder Gespräche mit Menschen, die sich bewusst für das Saarland entschieden haben und versuchen, das kleine Land an der Saar voranzubringen. Diese Video-Reihe mit Interviews soll jetzt weitergeführt werden. „In den vergangenen zwei Jahren ist unsere ganze Power in das Label geflossen, jetzt muss es auch wieder in andere Richtungen weitergehen", macht Ingo deutlich. „Die Themen der Zukunft sind eigentlich klar, dazu gehört auch der Klimaschutz, der in der Modebranche oft leider noch zu sehr vernachlässigt wird. Wir stellen selbst höchste Ansprüche an die Qualität unserer Produkte. Aber das reicht nicht aus. Wir haben jetzt jede Phase in der Textil-Branche durchlebt, von der Produktion über Vertrieb und Marketing bis hin zum stationären Einzelhandel. Jetzt ist es unser Auftrag, an den Stellschrauben zu drehen, nach Lösungen zu suchen und es besser zu machen."