In der vergangenen Woche stellte der 1. FC Saarbrücken mit Rüdiger Ziehl überraschend einen neuen Manager vor. Beim Auswärtsspiel in Essen war der 44-Jährige erstmals „am Ball".
Mehr als ein Jahr nach dem Rücktritt von Vizepräsident Dieter Ferner hat Drittligist 1. FC Saarbrücken das sportliche Vakuum in seinen Vereinsgremien geschlossen. In der vergangenen Woche präsentierte der Traditionsverein aus der Landeshauptstadt – auf den ersten Blick – überraschend den 44-jährigen Fußball-Lehrer Rüdiger Ziehl als neuen Manager seiner Profiabteilung.
Der gebürtige Zweibrücker und ehemalige Profi arbeitete zuletzt als Cheftrainer und Sportdirektor in Personalunion beim TSV Havelse, zuvor war er acht Jahre verantwortlicher Trainer im Nachwuchsleistungszentrum des VfL Wolfsburg. Kontakte zum 1.FCS gab es schon länger.
Im Frühjahr 2021, als der Abschied des damaligen Cheftrainers Lukas Kwasniok feststand, traf sich Sportdirektor Jürgen Luginger nach dem Auswärtsspiel beim SC Verl mit Ziehl, um über ein Engagement als Cheftrainer beim FCS zu verhandeln. Ferner, der angesichts des enormen Umbruchs Angst hatte, der FCS könne in ein schwieriges zweites Drittligajahr gehen, setzte mit Uwe Koschinat aber seinen Wunschkandidaten mit entsprechender „Krisenfestigkeit" und Erfahrung durch. Eine Argumentation, die sicherlich nachvollziehbar war. Doch als die Vereins-Ikone sich nur wenige Monate später auf das „Altenteil" zurückzog, blieb eine sportliche Vakanz in der Führungsspitze. Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten wie der frühere U19-Trainer Bernd Rohrbacher oder die Juristin und ehemalige Spielerin Barbara Haupenthal winkten mit Blick auf das zeitintensive Amt ab. „Das ist ein Amt, für das man die nötigen Kapazitäten braucht. Als Berufstätiger kann ich mir nicht ständig das Training ansehen, und Auswärtsspiele unter der Woche sind auch nicht drin. Wenn Du für die sportliche Abteilung zuständig bist, musst du aber präsent sein", begründete Rohrbacher damals. So plätscherten die Monate ins Land, und die Position blieb unbesetzt. „Es ist auch nicht so, dass die Bewerber Schlange stehen. Wir haben viele Vorschläge aufgegriffen und Personalien diskutiert", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Frank Hälsig kürzlich.
Mit der Verpflichtung von Rüdiger Ziehl wurde diese Lücke nun auf hauptamtlicher Ebene geschlossen. Denn in den obersten Vereinsgremien machte sich die Erkenntnis breit, dass das Modell Ferner – sprich sportliche Kompetenz, Verwurzelung im Verein und entsprechende zeitliche Ressourcen – einfach nicht kopierbar ist. „Die Präsidiumsmitglieder, allen voran Präsident Hartmut Ostermann, sind zeitlich sehr gebunden. Es wird meine Aufgabe sein, die entsprechende Kommunikation herzustellen", erklärte Ziehl. Zu seinem Aufgabengebiet wird es also gehören, eine einheitliche Informationslinie zwischen den Entscheidungsträgern, neben Präsident Hartmut Ostermann und Schatzmeister Dieter Weller zählen hierzu Sportdirektor Jürgen Luginger und Geschäftsführer David Fischer, herzustellen.
Auf der Suche nach der Spielstruktur
Die Verpflichtung des 44-Jährigen ist auch ein Signal des Präsidiums, dass es die Strukturen des Vereins ausbauen möchte. So sind zum Beispiel die Räumlichkeiten im FC-Sportfeld begrenzt. Dass beispielweise die U17 ihre Bundesligaspiele auf dem Trainingsplatz der Profis austrägt, ist einerseits ein Zeichen der Wertschätzung der Jugend, andererseits im deutschen Profifußball eine absolute Ausnahme. Es spricht für die Teamfähigkeit von Coach Koschinat, dass er dem zustimmt. Andere Trainer würden sicherlich ihr Veto einlegen. „Die Begebenheiten am Sportfeld sind mir bekannt. Es ist klar, dass wir diese nicht von heute auf morgen verbessern können. Aber es ist ein Thema, das man perspektivisch angehen muss." Und es ist ein Thema, welches weit über das Tagesgeschäft hinausgeht und von Sportdirektor Jürgen Luginger im Alleingang nicht zu bewerkstelligen ist.
Arbeit gibt es ohnehin genug. Zuletzt standen acht Spieler in der Startformation, deren Vertrag am Saisonende ausläuft. Talent Luca Kerber könnte den Verein im kommenden Sommer zudem gegen Ablöse ebenfalls verlassen. „Es ist gut, dass man diese Dinge angehen kann, wenn es sportlich läuft", sagte Ziehl bei seiner Präsentation. Das war allerdings vor dem Spiel in Essen, wo ein merkwürdig uninspirierter FCS beim 0:1 die erste Saisonniederlage kassierte. „Wir sind 65, 70 Minuten hinterhergelaufen und haben viele eigene Fehler gemacht. Daher ist es am Ende eine verdiente Niederlage", sagte Trainer Koschinat. Routinier Mike Frantz war sichtlich angefressen. „Essen hat gekämpft, aber eigentlich viele Räume geboten. Die haben wir ganz schlecht genutzt. Wir haben vor allem die Anfangsphase richtig verschlafen. Wir haben auch einige Spiele gehabt, die wir erst in den letzten Minuten entschieden haben. Man darf sich nicht immer darauf verlassen, dass das passiert."
So herrscht während der LänderspielPause Redebedarf. Die große Frage, die sich angesichts des doch schon stattlichen Sechs-Punkte-Rückstandes stellt, ist die, wie das mit vielen guten Fußballern versehene Team endlich zu einer ansehnlichen Spielstruktur findet. Die von Koschinat angesprochene Tatsache, dass eine einfache Systemumstellung der biederen Essener ausreichte, um den FCS eine Halbzeit lang vor unlösbare Probleme zu stellen, zeigt, dass Anspruch und Wirklichkeit nach neun Spieltagen ein Stück weit auseinanderklaffen.