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WAS MACHT EIGENTLICH...

Joni Mitchell lernte trotz Kinderlähmung das Gitarre spielen und zählt zu den einflussreichsten Musikerinnen, hier ein Foto von 1969
Foto: Picture-Alliance / Photoshot

… Joni Mitchell?

Mit „Both Sides, Now" eroberte sie Ende der 60er-Jahre weltweit die Charts und bekam für ihre 32 Alben bedeutende Auszeichnungen. Als eine der „größten Songschreiberinnen aller Zeiten" hat sie viele Musiker beeinflusst. Nach einem Schlaganfall 2015 kämpft sich die 78-Jährige allmählich wieder in die Öffentlichkeit zurück und erhielt im April ihren zehnten Grammy.

Im Jahr 1969 erhielt Joni Mitchell ihren ersten „Grammy" für ihren autobiografischen Song „Both Sides, Now", der 1967 von Judy Collins veröffentlicht und bis heute mehr als 1.500-mal gecovert wurde. Über ein halbes Jahrhundert später, im April 2022, konnte sie ihren zehnten Grammy für das 2020 veröffentlichte Album „Joni Mitchell Archives – Vol. 1: The Early Years (1963–1967)" entgegennehmen. Dieses Album mit fünf CDs ist der erste Teil einer Zusammenstellung von Mitchell-Songs aus rund 40 Jahren und gewann in der Kategorie „Bestes historisches Album". Weitere Folgen aus der umfangreichen „Schatzkammer" der Sängerin sollen das „Archives"-Projekt noch komplettieren. Neues Material hatte Mitchell zuletzt 2007 in ihrem vom Irakkrieg inspirierten Album „Shine" veröffentlicht, weil sie sich der Malerei widmen wollte.

Entwickelte eigene Technik

Nach einem Schlaganfall 2015 hat sich die 78-Jährige wieder in die Öffentlichkeit zurückgekämpft
Nach einem Schlaganfall 2015 hat sich die 78-Jährige wieder in die Öffentlichkeit zurückgekämpft - Foto: imago images / ZUMA Wire 

Schon zuvor hatte die ehemalige Kunststudentin die Cover ihrer Alben meist selbst gestaltet. In den vergangenen Jahren erschienen allerdings immer wieder Kompilationen und Live-Mitschnitte ihrer früheren Konzerte. Gerade auf den Markt kamen beispielsweise „Early Joni – 1963" und „Live at Canterbury House – 1967". Joni Mitchell, die 2015 durch Aneurysma und Schlaganfall schwer gehandicapt wurde und einige Zeit lang weder gehen noch sprechen konnte, blieb danach längere Zeit der Öffentlichkeit fern. Bei einem Chick-Corea-Konzert 2016 war sie erstmals nach ihrem Schlaganfall wieder bei einer Veranstaltung zu sehen, saß allerdings im Rollstuhl. „Meine Sprache hatte ich relativ schnell wieder zurück, aber ich kämpfe immer noch mit dem Gehen", sagte die „Kämpferin mit irischem Blut" Ende 2021 dem englischen „Guardian". Ihren zehnten Grammy hat sie in diesem Jahr trotz Beeinträchtigung aber ebenso selbst auf der Bühne entgegengenommen wie am 1. April die Auszeichnung als „MusiCares Person of the Year". „Ich humpele herum, aber ich komme klar!", betont Mitchell ihren starken Willen. Den hatte sie schon als Kind gezeigt, als sie mit neun Jahren an Kinderlähmung erkrankt war und eine Schwäche der linken Hand zurückbehielt. Sie entwickelte daraufhin eine ganz spezielle Gitarrentechnik, die ihr das Musizieren ermöglichte und sogar zu einem eigenen Stil führte. Fachmagazine würdigen Mitchell heute als eine der prägendsten Gitarristinnen und setzten sie auf Platz neun der hundert besten Songwriter aller Zeiten. Mitchells Songtexte, die fast wie Gedichte erscheinen, bieten meist eine intime Innenschau: „Ich bin eine Malerin, die Lieder schreibt, meine Songs sind sehr visuell", erklärt Mitchell. Indem sie für ihre oft schmerzlich-persönlichen Texte „in ihrer Seele gegraben" und „mehr Humanität hineingelegt" hat, wollte sie andere Songwriter ermutigen, selbst mehr über ihre eigenen Erfahrungen und Sichtweisen zu schreiben. Vor allem in den 80er- und 90er-Jahren hat Mitchell sich aber immer mehr auch politischen Themen wie Umwelt, soziale Ungerechtigkeit, Machtmissbrauch und Rassismus zugewandt und wurde für ihr Engagement 2002 mit dem höchsten zivilen Orden Kanadas ausgezeichnet.

Legte sich nun mit Spotify an

Ihr Schlaganfall hielt Mitchell aber nicht von der Arbeit ab, auch wenn es danach überwiegend um Neu-Bearbeitungen ihres bisherigen Materials ging: Im September 2018 erschien eine Dokumentation „Both Sides Now: Live at the Isle of Wight Festival 1970", die auch unveröffentlichte Interviews mit der Sängerin enthielt. Ebenfalls 2018 veröffentlichte Mitchell die Fünf-CD-Zusammenstellung „Love Has Many Faces (A Quartet, A Ballet, Waiting To Be Danced)", in der sie 53 ihrer Songs zu einer – bisher noch nicht umgesetzten – Ballett-Geschichte in fünf Akten zusammengestellt hat. Zudem erschienen 2018 das Foto-Buch „The Joni Mitchell Sessions" und Ende 2019 das Buch „Morning Glory on the Vine: Early Songs and Drawings", das faksimilierte Songtexte, Gedichte und Kunstarbeiten enthält. Anlässlich ihres 75. Geburtstags gab es zwei Konzerte bekannter Musiker, die ausgesuchte Mitchell-Songs performten. Im gleichen Jahr erhielt Mitchell für ihre musikalischen Verdienste die Ehrendoktorwürde der Universität Saskatchewan und 2020 als erste Frau den Les Paul Award, mit dem große Gitarristen geehrt werden. Im Vorjahr veröffentlichte Mitchell unter dem Titel „The Reprise Albums (1968–1971)" ihre vier erfolgreichsten Alben in einer remasterten Version. Auch wenn sie selbst schon lange nicht mehr live auftritt, kann man ihre Musik nach wie vor noch auf der Bühne erleben: In den nächsten Monaten sind in den USA mehrere Konzerte geplant, bei denen bekannte Musiker Lieder aus „Joni Mitchells Songbook" präsentieren werden.

Im Januar hat Mitchell sich dem Protest ihres langjährigen Freundes Neil Young angeschlossen und Spotify aufgefordert, ihre Songs von der Plattform zu löschen, weil dort in einem Podcast Corona-Falschinformationen veröffentlicht worden waren: „Unverantworliche Leute verbreiten dort Lügen, die anderen Menschen ihr Leben kosten", schreibt Mitchell dazu auf ihrer Website.

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