Smart City – das scheint in der Energiedebatte so ein Modebegriff zu sein wie „Dekarbonisierung" oder das inflationär gebrauchte „nachhaltig". Doch dahinter steckt etwas anderes.
Es geht einfach darum, dass künftig immer mehr Menschen auf engstem Raum zusammenleben werden. Das ist der Trend zur Megastadt – und er hält an. Anfang 2017 lebten etwa 7,5 Milliarden Menschen auf der Erde, Prognosen nach sollen es bis 2050 knapp zehn Milliarden sein. Die meisten von ihnen werden in Ballungsgebieten leben, den sogenannten Mega-Citys. Das sind Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Davon gibt es heute bereits 500, im Jahr 2030 sollen es über 650 sein.
In den meisten herrscht Wohnungsmangel, die Straßen sind verstopft, Strom fällt immer wieder aus, sauberes Wasser ist ein Problem, der Abfall verrottet auf offenen Müllkippen, Müllhalden brennen ab. Diese Gebilde funktionieren nur, wenn es ein Konzept gibt, das die Verwaltung, die Planung, den Verkehr, die Energieversorgung und die Entsorgung sinnvoll verknüpft. Und bei alldem die Anwohner einbezieht. Digitale Technologie kann so etwas schaffen. In einer Smart City sind moderne Technologien aus den Bereichen Energie, Mobilität, Stadtplanung, Verwaltung und Kommunikation miteinander vernetzt, so der Bundesverband Smart City. „Leise, sauber, grün – so sieht die Stadt der Zukunft aus", schreibt Kristina Pezzei in der „FAS". „Dort fahren Autos, die vor einer Schule selbstständig das Tempo drosseln, in den Häusern stimmen Uhren per Sensor die Raumtemperaturen auf den Alltagsrhythmus der Bewohner ab, und in den Straßen lassen sich entspannte Menschen per App das passende Verkehrsmittel für den wahlweise schnellsten, sichersten oder CO2-ärmsten Weg zur Arbeit anzeigen. Klingt wie eine Utopie? Ist es auch. Bisher."
Denn es gibt sie noch nirgends in voller Schönheit, aber zumindest in Teilbereichen haben sich die Planer hinreißen lassen und skizziert, was in einer Smart City anders wäre. So besäße kein Einwohner mehr ein Auto. Alle setzen auf Carsharing. Per App bestellt man sich ein „Roboter-Taxi", ein selbstständig fahrendes Auto, das Passagiere sicher von A nach B bringt. Die autonomen Fahrzeuge tauschen ihre Verkehrsinformationen drahtlos aus und optimieren je nach Verkehrslage eigenständig ihre Routen. Sollte es auf den Straßen zu viel Verkehr geben, weichen die Robo-Taxis auf Tunnelsysteme aus, in denen sie zum Beispiel auf ebenfalls autonom agierenden Schlitten schnellstmöglich transportiert werden.
Oder die Abfallentsorgung: Müllautos fahren nicht wie bisher stur ihre geplanten Routen ab. Stattdessen steuern die selbstständig fahrenden Lkws nur die Ziele an, wo tatsächlich der Müll geleert werden muss. Die dafür benötigten Informationen erhalten die Fahrzeuge durch intelligente Mülltonnen, die mit Sensoren erkennen, wie voll sie sind. Diese Daten schicken sie eigenständig an das Netzwerk des Entsorgungsbetriebes. Der erkennt, ob die eigene oder die nächstgelegene Verbrennungsanlage noch Kapazitäten hat.
In Bürokomplexen entscheidet eine zentrale Anlage, wann die Klimaanlage startet oder ob es reicht, Türen oder Fenster zu öffnen. Defekte Leitungen, Stromschwankungen, Wasserqualität – darüber weiß das vernetzte Gebäude der Zukunft von selbst Bescheid. Die intelligenten Häuser sorgen dafür, dass Ressourcen sinnvoller genutzt werden und keine Energie verloren geht.
Berlin hat mit einem Modellprojekt begonnen, das sich „Berlin lebenswert smart" nennt und sich um fünf Teilbereiche dreht: Umgestaltete Innenstadtplätze (wie der Hardenbergplatz), eine datengetriebene schnelle Verwaltung (bitter nötig für Berlin), Zusammenarbeit mit Bürger-Projekten wie City-Lab oder BBBlockchain und eine bezirksübergreifende Arbeitsgruppe Wasser und Klima, die sich um die zunehmende Trockenheit in der Stadt kümmert. Typisch Berlin: Der Start war geplant für 2022, jetzt soll er 2023 erfolgen.
Barcelona zeigt, wie es smart weitergehen könnte
Die Stadt Hamburg arbeitet an einer intelligenten Infrastruktur für den Hafen („Smart Port"), die dank vernetzter Informationen Waren- und Verkehrsströme optimiert und Pendler per E-Mobilität zur Arbeit bringt. Außerdem wollen Verwaltung und Hafenbehörden die Industriegebiete um die Elbe zu einem Schaufenster für Energietechnik, alternative Energiequellen und ressourcenschonende Wirtschaft machen. Ein Maßnahmenbündel von der Prüfung von Solarstandorten bis zu alternativer Energiezufuhr für liegende Schiffe soll die Energiewende im Hafen einleiten.
Tatsächlich können zumindest in den Großstädten der industrialisierten Länder viele Dinge, die heute noch analog oder nur teilweise digital funktionieren, künftig voll digitalisiert sein. Bis es in den Großsiedlungen in den Ländern der Dritten Welt soweit ist, kann es dauern. Aber der Zwang, Energie zu sparen, Wasserknappheit, der Moloch Verkehr zwingen zu Veränderungen. Für Städte wie Jakarta (10,5 Millionen Einwohner), Mumbai (12 Millionen), Mexiko-City (8,8 Millionen) oder Kairo (9,5 Millionen), die mit immer größeren Slums und Armutsvierteln zu kämpfen haben, mag das alles utopisch klingen: Hightech, E-Autos und selbstfahrende Müllwagen.
Wo es hingehen kann, zeigt das Beispiel Barcelona: Dort arbeitet die Stadtverwaltung mit tausenden Kameras, die fest in Straßenlaternen angebracht sind (in Deutschland allein schon wegen Datenschutz schwer vorstellbar). Die Laternen messen auch Luftverschmutzung und Lärm. Die Stadt ist aufgeteilt in sogenannte Superblocks: Quartiere, durch die keine Hauptstraßen mehr führen und die in sich geschlossene Einheiten bilden, zum Einkaufen, mit Schulen, Kindergärten, Handwerksbetrieben. Und das neueste katalanische Projekt: Häuser, die den Strom von über Nacht parkenden E-Autos nutzen und umgekehrt Elektroautos dann mit Strom versorgen, wenn sie selbst genug gesammelt haben. Dass die Sache ausgewogen abläuft, dafür sorgt eine Künstliche Intelligenz.
In Barcelona haben sich die Anwohner zunächst gegen die Superblocks verbissen gewehrt. Die Stadtverwaltung musste sich durchsetzen. Heute leben dort alle gern und sind überzeugt, dass ihr Viertel das schönste ist. Neben der Einsicht scheint also ein gewisses Maß an Zwang dazu zu gehören, zwar nicht im chinesischen Stil, aber doch zielbewusst. Wie soll man die Einwohner sonst überzeugen, ihr Auto zu verkaufen? Oder davon, ihre Wohnung nicht frei wählen zu können?
Nur wenn sich die Stadtmanager und Planer an die Probleme heranwagen, kann es einen Ausweg für die Megastädte geben. Digitale Lösungen wie etwa die Eindämmung des Verkehrs zugunsten neuer öffentlicher Verkehrssysteme oder die Zuteilung von Stromkontingenten stoßen auf Ablehnung. Am Ende aber müssen die Einwohner überzeugt sein, sonst nützt alles nichts. Überall in den europäischen Städten laufen die unterschiedlichsten Versuche mit der Smart City, und in Barcelona geben sich Planer aus aller Welt die Klinke in die Hand.