Gerade wegen der hohen Inflation steuert Deutschland nicht auf eine Immobilienblase zu. Das sagt Dirk Wohltorf, Vizepräsident des deutschen Immobilienmakler-Verbandes (IVD). Banken als auch Käufer aber seien vorsichtiger geworden.
Herr Wohltorf, wie geht es dem deutschen Immobilienmarkt?
Zwiespältig. Der Markt ist weiter geteilt in die Groß- und Universitätsstädte, wo es seit zehn Jahren wenige Wohnungen und hohe Nachfrage gibt, und den Rest. Wir bemerken jedoch, dass es gerade jetzt eine steigende Verunsicherung in der Käuferschaft von Wohnungen und Häusern durch die hohe Inflation, steigende Zinsen und Baukosten, Materialmangel und explodierende Energiepreise gibt. Eine solche Gemengelange habe ich nach 25 Jahren als Immobilienmakler in Berlin noch nie erlebt.
Was hat dies für konkrete Auswirkungen in Ihrem Geschäft?
Ich merke, dass wir mehrmals pro Woche Kaufinteressenten haben, die ihr Budget nach unten korrigieren, die Zahl der Kaufinteressenten nimmt etwas ab. Das kannten wir bislang nur in die andere Richtung. Konkretes Beispiel: Vergangene Woche wurde ein Einfamilienhaus auf dem Markt platziert, zehn Interessenten meldeten sich, sechs kamen zur Besichtigung, fünf davon meldeten Interesse an und letztlich blieb einer über, der kein Aha-Erlebnis nach der Besprechung mit seinem Bank- oder Finanzierungsberater hatte. Die Dynamik der Zinsen von dieser zu vergangener Woche ist eben stärker als noch vor einem Jahr.
Trauen Sie sich eine mittelfristige Prognose zu?
Nein. Es ist unglaublich schwierig, derzeit eine Prognose abzugeben. Das Angebot wird erst einmal weiter knapp bleiben, gerade in den Hotspots der Städte. Ich glaube aber nicht, dass sich die Preise weiter so stark erhöhen wie in den vergangenen Jahren. Das kann bei den erwartbaren Zinsen in den kommenden Monaten und Jahren nicht mehr funktionieren. Dass sich Interessenten gegenseitig überbieten, wird jetzt wahrscheinlich nicht mehr so häufig stattfinden, aber der Markt gibt im Augenblick nicht signifikant nach.
Sie befürchten also kein Platzen einer Immobilienblase?
Nein. Platzen wird der Markt nicht, weil es zu viel Angst vor Inflation gibt und der Aktienmarkt derzeit zu volatil ist. Bei einer Inflation von sieben, acht Prozent geht es vielen Investoren erst einmal darum, ihr Geld in Beton abzusichern. Natürlich nicht in irgendeine Immobilie, Lage, Ausstattung, Alter, darauf kommt es weiter an. Auch Ökonomen sehen derzeit nicht, dass wir auf eine Immobilienblase zusteuern, in der dann bei hohen Preisen plötzlich die Nachfrage einbricht. Deutschland wächst, das Immobilienangebot ebenfalls, aber nicht in dem Maße, in dem es gebraucht wird. Deshalb wird es allenfalls eine Preiskorrektur geben, aber die Nachfrage bleibt derzeit stabil.
Betongold bleibt also Ihrer Meinung nach auch attraktiv als Altersvorsorge. Ich muss mir keine Gedanken über plötzlichen Preisverfall machen?
Nein. Denn auch die junge Generation sucht wieder verstärkt nach Wohnungen und Häusern als Altersvorsorge, da sie verstanden hat, dass die Riester-Rente letztlich ein Flop ist. Ob dass der Startup-Unternehmer ist, der im Grunewald eine Villa sucht oder geringere Einkommen, die eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Spandau bewohnen: Das eigene Dach über dem Kopf wird weiter nachgefragt, ich muss mir keine Gedanken über Gentrifizierung oder Mieterhöhung machen. Das war zu Zeiten niedriger Zinsen sicherlich einfacher, denn am Ende geht es um die Erschwinglichkeit für jeden Einzelnen. Bei hohen Immobilienpreisen, aber niedrigen Zinsen war die monatliche Belastung natürlich nicht so hoch, das kippt nun etwas. Die Preise geben aktuell noch nicht deutlich nach, aber die Zinsen steigen, sodass hier eine Lücke entsteht und viele Kaufinteressenten schauen sich jetzt in einer etwas niedrigeren Preiskategorie um.
Das Angebot wächst auch weiterhin nicht mit. Sagen Sie – woran hängt es?
Es sind die politischen Fehler der vergangenen Jahre: lange Genehmigungsprozesse beispielsweise. Fehlende Fachkräfte und Material sind die anderen Gründe. Vor allem die Ämter kommen nicht hinterher, Bebauungspläne und andere Regeln umzusetzen. Ein Beispiel: Für jedes verkaufte Grundstück in der Gemeinde hat diese ein Vorkaufsrecht. Das macht dort Sinn, wo beispielsweise mal ein Kindergarten erweitert werden muss. Das heißt, Sie als Verkäufer brauchen ein sogenanntes Negativ-Attest, das besagt, dass die Gemeinde auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet. In dem allgemeinen Wohngebiet, in dem ich tätig bin, ist dieses Recht in 25 Jahren nicht einmal genutzt worden – in einem Bezirk mit 250.000 Einwohnern. Trotzdem gibt es diese Regel, ein Negativ-Attest dauert hier bis zu zwölf Wochen, weil das Amt überlastet ist. Wir hören in unserem Verband sehr viele solcher Geschichten aus anderen Teilen Deutschlands.
Der deutsche Bestand müsste stärker saniert werden, sagen Experten, hier gäbe es noch riesiges Einsparpotenzial. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und will die CO2-Bepreisung von Häusern zwischen Mietern und Vermietern aufteilen. Sie sind dagegen. Warum?
Wir sind der Meinung, derjenige, der CO2-Kosten verursacht, soll sie auch bezahlen, also der Mieter. Ein Eigentümer muss mit anderen Förderungen dazu motiviert werden seinen Bestand zu sanieren. Aber dazu gibt es ja derzeit einen Kompromiss.
Aber auch der Vermieter ist, wenn er nicht genügend saniert hat, für höhere CO2-Kosten verantwortlich. Bringt ihn dieses Modell nicht dazu, im Zweifel schneller und stärker zu sanieren?
Die Differenz zwischen den Kosten energetischer Sanierung und den CO2-Kosten wird keinen einzigen Vermieter dazu bringen zu sanieren. Aber immerhin sehen wir in dem Stufenmodell einen gangbaren Weg. Es berücksichtigt die Qualität eines Hauses. Hat der Vermieter gut saniert, muss er weniger zahlen als der Mieter. Am Ende können wir das Modell nicht auf jeden Mieter herunterbrechen, denn was kann der Vermieter dafür, wenn der Mieter im Winter das Fenster offenlässt und heizt? Der gefundene Kompromiss geht also in die richtige Richtung.
Was würden Sie stattdessen vorschlagen?
Worst first, also die am schlechtesten sanierten Häuser zuerst sanieren. Über 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser gibt es in Deutschland. Ihr Wert ist gestiegen, aber für großangelegte Sanierungen oder gar eine Wärmepumpe, wie sie die Bundesregierung fordert, fehlt oft das Geld. Daher braucht es genau hier, bei den Häusern aus den 50er-, 60er-, 70er-Jahren staatliche Förderung zur Sanierung. Altbestand zu haben ist oft etwas Schönes, aber energetisch heute eine Katastrophe. Oft heißt es von Energieberatern in diesen Fällen: Energetisch sei es das Beste, abzureißen und neu zu bauen. Aber das kann ja auch nicht die Lösung sein.