Er ist in Leipzig geboren, er hat erfolgreich im Red-Bull-Kosmos gearbeitet, und der neue Sportdirektor Max Eberl ist sein enger Verbündeter – Marco Rose passt zu RB Leipzig so gut, dass man es besser nicht hätte erfinden können.
Auf den ersten Blick passen RB Leipzig und Trainer Marco Rose so gut zusammen, dass es fast schon kitschig und wie erfunden klingt. Sowohl inhaltlich als auch von den Begleitfaktoren her, scheint diese Kombination wie füreinander geschaffen. Rose ist in Leipzig geboren und wurde dort zum Profi. Auch seine zweite Karriere als Cheftrainer begann dort, bei Lokomotive Leipzig. Er ist der Stadt immer verbunden geblieben, Leipzig blieb immer Familien-Stammsitz, auch wenn Rose woanders arbeitete. Als RB nun einen Trainer suchte, war er gerade ohne Job und wohnte in der Leipziger Vorstadt. Auf der anderen Seite ist der 46-Jährige seit seiner Zeit in Salzburg fest im Red-Bull-Fußballkosmos verankert. Um die U16 von Red Bull Salzburg zu übernehmen, hatte er 2013 Lok Leipzig verlassen. Er rückte nach zwei Jahren zur U18 hoch und nach weiteren zwei Jahren für erneute zwei Jahre zu den Salzburger Profis. Mit ihnen wurde er zweimal Meister, er führte sie ins Halbfinale der Europa League und dann nach elf vergeblichen Versuchen auch in die Champions League.
Rose blieb der Stadt stets verbunden
Das hatte das Interesse von Borussia Mönchengladbach geweckt. Der dortige Manager Max Eberl trennte sich für die Vision mit Rose sogar vom eigentlich erfolgreichen Trainer Dieter Hecking. Und ließ Rose auch nicht fallen, als dieser nach seiner Verkündung des Wechsels zu Borussia Dortmund bei fast allen Fans unten durch war und die Diskussionen auch die Mannschaft in einen Abwärtsstrudel rissen. Und Eberl – und das ist der dritte Punkt, der wie erfunden klingt und das Puzzle perfekt macht – war von Club-Chef Oliver Mintzlaff schon als neuer Sportdirektor ausgeguckt, als noch längst nicht klar war, dass Rose neuer Trainer würde. Die Verbindung der beiden hatte nach der Gladbach-Zeit angehalten. Rose hatte Eberl während dessen Auszeit nach dem Rücktritt im Januar in Zürich „mal besucht, um zu wissen, wie es ihm geht". Dass sie nun in Leipzig wieder vereint sind, sei aber Zufall. „Natürlich hatte ich am Ende jetzt auch mal Kontakt mit Max, aber die Gespräche habe ich mit dem Verein geführt, weil Max ja noch nicht da ist", sagte Rose, stellte aber klar: „Ich würde mich über eine Zusammenarbeit sehr freuen. Ich hätte einen Mann an meiner Seite, der mir und uns als Verein sehr guttun würde."
Stadt, Philosophie und wohl sein Lieblings-Manager als künftiger Vorgesetzter – der Posten bei RB Leipzig scheint für Rose also wie gemalt. Ein „Perfect fit" sei dies, sagte auch Mintzlaff auf Neudeutsch bei der Präsentation, „weil er mit unseren Grundsätzen deckungsgleich ist". Ob die Leipziger vielleicht nicht ganz so schnell gehandelt hätten, wenn er nicht auf dem Markt gewesen wäre, ist pure Spekulation. Doch wie schnell sich der Club von Roses Vorgänger Domenico Tedesco entfremdete, mutet schon seltsam an. Schließlich hatte Tedesco im Mai Historisches geschafft, als er mit RB den DFB-Pokal gewann und damit den ersten Titel für das ehrgeizige Projekt. Und als bestes Rückrunden-Team sicherte er auch noch die bei seinem Amtsantritt im Herbst in weiter Ferne liegende Qualifikation für die Champions League.
Tedesco wollte nicht verlängern
Woanders hätte man sich wahrscheinlich hingesetzt und einen langfristigen Vertrag unterschrieben. Doch die Entfremdung von Tedesco und RB begann schon im Sommer. Im Juni lehnte der Trainer eine Vertragsverlängerung ab und ging selbst damit an die Öffentlichkeit. „Ich habe auf Schalke eine schlechte Erfahrung gemacht, als ich nach einem sehr guten ersten Jahr in der Sommervorbereitung verlängerte und wir nicht gut in die Saison starteten", hatte er gesagt und erklärt, bis zur WM-Pause im November abwarten zu wollen. In Wahrheit soll er unter anderem abgewartet haben, wer neuer Sportchef wird – ein Zögern, das ihn wohl nun eine stattliche Abfindung kostete. Doch beim Zusammenstellen des Teams eben ohne diesen neuen Gesamtverantwortlichen im Transfer-Bereich lagen der Verein und Tedesco erstaunlich oft voneinander entfernt. So soll der Trainer nicht unbedingt für die Rückkehr von Timo Werner gewesen sein, weil der Nationalstürmer nicht ganz in sein System passt. Dann misslang der Start, und Mintzlaff erschwerte die Situation, als er schon nach zwei Spielen von einem „beschissenen Start" sprach. Die kleine Krise erreichte durch ein 0:4 in Frankfurt Anfang September in der Liga und ein 1:4 gegen Donezk in der Champions League vier Tage später einen schnellen und heftigen Höhepunkt – und dann hatte RB ja diese Option mit Rose. Dem in Leipzig wohnenden, einen Job suchenden Bundesliga-Trainer mit erfolgreicher RB-Vergangenheit.
Nach ganzen fünf Sekunden habe Rose denn auch zugesagt, als er ihn angerufen und ihm den Job angeboten habe, sagte Mintzlaff bei der Vorstellung des neuen Trainers. Rose saß lachend daneben und korrigierte: „Zehn bis 15 Sekunden habe ich schon gebraucht." Die Zusage erfolgte aber entgegen einiger Prinzipien, die dann auf den ersten Blick doch nicht so passen. Er habe noch nie einen Club während der Saison übernommen, betonte Rose. Und der Kader ist im Kern auch nicht nach seinen Vorstellungen besetzt. Er sei zwar „spannend" und „ausgeglichen" sagte der Coach, dessen bester Freund seit einer gemeinsamen WG-Zeit in Mainz Hertha-Trainer Sandro Schwarz ist. Aber eben auch sehr klein. Was Tedescos expliziter Wunsch war, um nicht Gefahr zu laufen, zu viele unzufriedene Spieler zu haben. Und auch die Spielweise unter seinem Vorgänger entspricht nicht unbedingt der Philosophie Roses. „Ein paar Dinge werden sich jetzt verändern", kündigte er deshalb direkt an: „Wir müssen die Dinge wieder mehr in die eigene Hand nehmen." Man brauche „mehr Aktivität im Spiel". Tedesco hatte viel Wert auf Stabilität gelegt. Auch dadurch bedingt, dass er im November 2021 auf eine verunsicherte Mannschaft getroffen war, die nach dem Abgang von Julian Nagelsmann zum FC Bayern unter Jesse Marsch nicht richtig funktioniert hatte.
Letztlich sagte Rose sofort zu, obwohl mancher meinte, einen ungünstigeren Start hätte es doch eigentlich gar nicht geben können. Erstes Spiel gegen Borussia Dortmund, jenen Club, bei dem Rose trotz der Vizemeisterschaft gerade erst auf hohem Niveau gescheitert war. Dann das zweite in der Champions League bei Real Madrid, dem Titelverteidiger. Und das dritte in Mönchengladbach, wo sie seit dem Bekanntwerden der Trennung im Frühjahr 2021 nicht mehr gut auf ihn zu sprechen sind. Doch Rose kannte keine Angst. Fast schon symbolisch trat er bei seiner Präsentation mit einem schwarzen Shirt mit der Aufschrift „Ohne Risiko gibt es keinen Sieg" aufs Podium. „Es geht für mich nicht darum, gut auszusehen in meinen ersten Spielen", antwortete er auf die Frage, ob er sich nicht andere Aufgaben zum Einstieg gewünscht habe: „Wir spielen alle in einer Liga und irgendwann spielen wir ja eh gegen sie." Zwei Tage nach dem Amtsantritt besiegte RB den BVB mit 3:0.
Eine glückliche Fügung
Doch die so schöne Fügung, dass er nun den erfolgreichsten Club aus seiner Stadt trainieren dürfe, habe nicht nur Vorteile, sagte Rose. „Es ist nie einfach in deiner Heimatstadt. Die Leute erwarten viel von mir." Doch es sei eben nicht nur die Stadt, die ihn zum besagten „Perfect fit" mache, zur denkbar passgenauen Lösung, betonte Mintzlaff. „Marco bringt all die Dinge mit, die uns in unserer DNA auszeichnen. Es ist eine glückliche Fügung, dass er verfügbar war. Er ist ein Trainer der sehr deckungsgleich ist mit unserer Philosophie."
Vor das Träumen von Höherem und weiteren Titeln wollen sie in Leipzig aber erst wieder die Arbeit stellen. In der Clubzentrale am Cottaweg hatten sie im Sommer eine riesige Nachbildung des DFB-Pokals aufgestellt. Damit jeder, der daran vorbeilief, sehen konnte, was möglich ist. Doch nun kündigte Mintzlaff an: „Das große Ding kommt jetzt mal weg, damit alle wissen, das ist wieder unser Brot-und-Butter-Geschäft." Den in jeder Hinsicht passenden Trainer dazu scheint er nun gefunden zu haben.