Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Dass sich mittlerweile alle auf Julia Holter einigen, zählt gewiss dazu. Vier maximal herausfordernde, die Möglichkeiten eines modernen Folk-Vokabulars erforschende Alben genügten für diese unwahrscheinliche Entwicklung. Andere Freigeister unter den Songschmieden dürfen sich jedenfalls ermutigt fühlen.
Das Musikalbum "In The Same Room" ist das erste Exemplar einer neuen, vom Londoner Domino-Label ambitioniert in die Bahn geschobenen Serie, die zurecht an die legendären "BBC Sessions" gemahnt. Die Versuchsanordnung ist nicht kompliziert, aber herausfordernd: Label-eigene Künstler sollen unter besten Studio-Bedingungen in maximal zwei Tagen ein ganzes Live-Album einspielen.
Die zierliche Sängerin und Pianistin aus Los Angeles verließ sich dabei auf ihre ständigen, famos eingespielten Tour-Begleiter am Bass (Devin Hoff), Viola (Dina Maccabee) und Schlagwerk (Corey Fogel) und insbesondere auf das Repertoire ihres letzten Geniestreiches "Have You In My Wilderness", jenem Werk, welches für den enormen Karrieresprung sorgte. Drei Tracks von "Loud City Song" (2013) und einer von "Tragedy" (2012) runden den Reigen kongenial ab. Das auch schon atemberaubende 2011er-Debüt "Ekstasis" ist nicht vertreten, durfte aber immerhin den Album-titel stiften.
Was der Vierer nun mit diesen, dem Fan längst ans Herz gewachsenen Liedern anstellt, ist erwartungsgemäß schlicht bezaubernd. Man darf das aber auch gerne drehen: es ist bezaubernd schlicht, sprich: fokussierend und zugleich variierend, nie perfektionistisch und doch formvollendet, organisch pulsierend, wunderbar schwebend, aber beizeiten Halt gebend.
Die Bass-Saiten haben mehr Wucht, die Tasten klimpern heller und beschwingter, der Geigenstrich gerät entfesselter, die Percussion zischelt rustikaler, mitunter werden die Zügel etwas lockerer gelassen.
Und Miss Holters Stimme? Diese dokumentiert bei aller Zartheit mühelos ihre herausragende Stellung als eine der charismatischsten, schönsten und freiesten im Folk-Genre.
Andreas
Lüschen-Heimer