Eine "kleine" Weile von 16 Jahren hat es gedauert bis John Southworth die verdiente Aufmerksamkeit zuteil wurde. Erst "Niagara" faszinierte vor zwei Jahren mehr Leute als ein paar Insider. Zunächst ist es die unaufgeregte, gleichwohl feste Stimme des Kanadiers, die auch auf "Small Town Water Tower" sofort in ihren Bann zieht.
Irgendwo zwischen David Bowie und Lloyd Cole lässt diese sich verorten. Eine aussagekräftige stilistische Beschreibung dieser erneut wundersamen Lieder zu finden, ist schon weit schwieriger. Leichter als bei der so turbulenten wie machtvollen, aber kaum greifbaren Eröffnung "Blue Sleeves" gelingt das bei "Champion Of Love", schraubt sich hier doch immerhin ein raffiniert verzögerter, mit Streicher-Stakkato befeuerter Refrain ins Ohr.
Zwischendurch überrascht ein mächtiges Saiten-Riff, köstlich rumpelt die Rhythmus-Sektion. "Lucid Love" schaltet einen Gang zurück, entführt sanft in schummerige Sphären, gleichwohl sich auch hier zahlreiche Details entdecken lassen. "Make No Mistake" wählt ebenfalls die zurückgenommene Gangart, bevor ein polterndes Schlagwerk einen schwebenden Refrain nachhaltig in die Erinnerung treibt. "Ombudswoman" prahlt mit Bowiescher Opulenz samt Extravaganz, "When The Angel" schiebt als saftig pulsierender, vergleichsweise einfach gestrickter Track mit Macht auf die Tanzfläche und "Main Library At Goodwood" stößt mit dunkel wallenden Streichern und süßem Frauen-Chorus geradezu in Leonard Cohensche Sphären vor ... Sanft pluckernd zielt "Second Childhood" ins Herz, mit einem weiten Melodiebogen gesegnet ist "Last Passenger In Ohio".
Wie wunderbar uneitel und doch effektiv der Künstler die Tasten seines Klaviers (nicht nur hier) in berückende Schwingungen bringt! Ein zerfahrener Kessel Buntes ist "Small Town Water Tower" also keineswegs, zumal diesen langlebigen Weisen reichlich Mystik und Magie innewohnt. Bequeme Einordnungen in Sparten wie Pop, Folk oder Glam-Rock kann man sich also getrost sparen ...
Andreas Lüschen-Heimer