Tom Hanks glänzt in der Geschichte des Heldenpiloten Chesley "Sully" Sullenberger, der sich nach der Landung eines Flugzeugs auf dem New Yorker Hudson River nicht als Held sehen wollte. Regie führte Clint Eastwood.
Wenn es einen Hollywoodstar gibt, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt, so ist es Tom Hanks. Nur der zweimalige Oscar-Preisträger ("Philadelphia", 1994 und "Forrest Gump", 1995) wirkt so bedächtig, gefasst und zugleich menschlich, dass viele Menschen ihm wohl ohne zu zögern ihr Leben anvertrauen würden. Und spätestens seit "Captain Philipps" (2013) wissen wir, dass der inzwischen 60-Jährige für seine Mitmenschen sein Leben riskiert. Hanks Mischung aus Distinguiertheit, einem niedlichen und niemals künstlich aufgesetzten Dackelblick sowie einer angenehm sonoren Stimme hat auch Clint Eastwood erkannt und Hanks für die Hauptrolle seines neuen Filmes "Sully" besetzt.
Die Geschichte: Am 15. Januar 2009 erlebt die Welt das "Wunder auf dem Hudson", als Captain "Sully" Sullenberger sein defektes Flugzeug im Gleitflug auf dem eisigen Wasser des Hudson Rivers in New York notlandet und das Leben aller 155 Menschen an Bord rettet. Doch während Sully noch von der Öffentlichkeit und in den Medien für seine flugtechnische Meisterleistung gefeiert wird, beginnen die Behörden bereits mit der Untersuchung des Falls. Sully muss sich in vielen Verhören für sein Handeln rechtfertigen.
Ein voll besetztes Flugzeug, ein Maschinenschaden, ein mutiger Pilot und eine Notlandung in einer Stadt, die mit Flugzeugen katastrophale Erfahrungen gemacht hat: Das hätte ein Filmkracher werden können, der Klassiker wie "Airport" (1970) oder "Giganten am Himmel" (1977) wie Kinderfilme aussehen lässt. Weil es aber Clint Eastwood meisterlich versteht, komplexe Charaktere in ungewöhnlichen Geschichten spannend und unterhaltsam darzustellen ("Million Dollar Baby", 2004 oder "American Sniper" 2015), konzentriert sich "Sully" auf die Nachwirkungen des Unfalls. Eine gute Idee, weil das glückliche Ende der Notlandung inzwischen jeder Nachrichtenleser kennt, während unbekannt sein dürfte, was anschließend in dem Heldenpiloten vorgegangen ist.
Sully wird nach seiner Notlandung von zwei Seiten gequält. Zum einen fragt er sich, was er besser hätte machen können, während zum anderen eine Gruppe von National Transportation Safety Board-Forschern den Piloten in Untersuchungszimmern und Gerichtssälen mit Fragen bombardieren.
Starke Performance von Tom Hanks
Eastwood nutzt eine kluge Strategie des Geschichtenerzählens und präsentiert mehrere Eindrücke des Vorfalls: Der Kinozuschauer sieht ausgedehnte Rückblenden, grobe Simulationen sowie einen Alptraum Sullys mit dem wohl schlimmstmöglichen Ausgang der Notlandung salopp gesagt: Der Zuschauer sieht mehrere Flugzeugabstürze für den Preis von einem und erlebt spannende 90 Minuten, weil "Sully" weitestgehend verschweigt, was tatsächlich im Cockpit passiert ist. Eine gute Idee Eastwoods, Spannung durch "Nicht-Zeigen" zu erzeugen. So ist "Sully" eine Hommage an einen tadellosen Charakter, der sich trotz außergewöhnlichen Aktionen weigert, sich als Held zu sehen.
Dennoch ist "Sully" nicht einer der ganz großen Clint-Eastwood-Filme "Million Dollar Baby" ist dramatischer, "American Sniper" politisch brisanter. Es ist Tom Hanks, der den Film sehenswert macht. Obgleich der Charakter typisch ist für Tom Hanks Rollenauswahl des Gutmenschen, liefert der Hollywood-Star als Captain "Sully" Sullenberger eine starke Performance ab, die seine Mitschauspieler (unter anderem Laura Linney als Ehefrau und Aaron Eckart als Kopilot) zu Nebendarstellern macht. Mit seinem schneeweißen Haar und seinem Schnurrbart sieht Hanks dem echten Sully zum Verwechseln ähnlich. Kombiniert mit seinem bewährten schauspielerischen Können zeigt Hanks einen Mann, der zwar an seine Fähigkeiten glaubt, seine Handlungen jedoch kritisch betrachtet
und der letztlich von Selbstzweifeln fast zerstört wird. "Sully" bildet nach einigen schwächeren Mainstream-Filmen wie zuletzt "Inferno" (2016) und den zwischen Kitsch und Anspruch gescheiterten "Ein Hologramm für den König" (2016) wieder einen Höhepunkt in Hanks Karriere. Gut möglich, dass er für seine Leistung mit einer "Oscar"-Nominierung belohnt wird.
Holger Lodahl
INFO: Sully
Drama, USA 2016
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Todd Komarnicki
Produktion: Clint Eastwood, Frank Marshall, Tim Moore,
Allyn Stewart
Musik: Christian Jacob
Kamera: Tom Stern
Schnitt: Blu Murray
Länge: 96 Minuten
Darsteller: Tom Hanks, Anna Gunn, Laura Linney, Aaron Eckhart, Sam Huntington, Autumn Reeser, Holt McCallany, Max Adler
Bundesweiter Kinostart:
1. Dezember 2016
Im Internet:
www.film.info/sully