Seit Monaten gehen Tierschutzverbände gegen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt auf die Barrikaden. Nun hat sich auch Bärbel Höhn, Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt- und Naturschutz im Bundestag, gegen den CSU-Politiker in Stellung gebracht.
Ob Deutscher Tierschutzbund, Peta Deutschland oder Vier Pfoten, die Tierschutzverbände sind sich einig: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) tut nichts für eine Verbesserung des Tierschutzes in Deutschland. Ganz im Gegenteil: Mit seiner Politik der Freiwilligkeit unterstützt er die fortgesetzte Tierquälerei in den deutschen Ställen, auf den Weiden und im heimischen Aquarium.
Eine Hauptforderung der Tierschützer ist beispielsweise das Ende der Tierversuche. Die Tierschützer von Peta wollen unter anderem gegen das Halten von exotischen Heimtieren vorgehen, denn Jahr für Jahr werden rund 600.000 Reptilien nach Deutschland importiert, meldet der Verband. Viele der Tiere sterben früh, weil sie unter anderem nicht mit den klimatischen Bedingungen in Deutschland klarkommen, ganz abgesehen von der Nahrung. Im aktuellen Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung ist zwar ein Verbot von Exotenbörsen und Wildfangimporten versprochen worden, doch umgesetzt wurde dieser Punkt des Koalitionsvertrages nicht, kritisiert Peta. Zuständig gewesen wäre Umweltministerin Barbara Hendricks, doch die konnte sich nicht durchsetzen.
Die Bundesregierung blockiert seit Jahren
Etwas radikaler tritt der Tierschutzverband Vier Pfoten auf, der zum Beispiel ein absolutes Verbot der Haltung von Wildtieren in Zirkusbetrieben fordert und sich dabei auf Umfragen beruft, wonach sich zwei Drittel der Deutschen für eine solche Maßnahme aussprechen. Auch die Bundestierärztekammer ist davon überzeugt. Politisch ist das Thema nicht neu. Der Bundesrat hat mit einem Beschluss im März 2016 nunmehr zum dritten Mal die Bundesregierung aufgefordert, die Haltung von bestimmten Tieren wildlebender Arten in Zirkusbetrieben zu verbieten. Doch die Bundesregierung blockiert ein Verbot seit Jahren. Begründet wird dies von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt mit einem langwierigen Prüfungsprozess. Im Bundestag haben sich SPD, Grüne und Linke für ein Wildtierverbot im Zirkus ausgesprochen, nicht aber die CDU/CSU, mit dem Hinweis auf das freie Unternehmertum und den ausreichenden Tierschutz in diesem Bereich.
Im FORUM-Interview verweist Minister Schmidt auch auf die juristischen Schwierigkeiten: "Einem Verbot von Zirkustieren sind verfassungsrechtlich hohe Hürden gesetzt. Das hat die erneute Prüfung bestätigt. Bei der Prüfung musste übrigens für jede einzelne betroffene Tierart dargelegt werden, ob die Voraussetzungen für ein Verbot vorliegen. Unsere Stellungnahme wird momentan mit den anderen Ministerien abgestimmt und dann dem Bundesrat zugeleitet." Offen lässt der Minister, ob das noch in dieser Legislaturperiode, also vor der Bundestagswahl, sein wird. Kritiker gehen nicht davon aus.
Eine weitere, exponierte Forderung der Vier-Pfoten-Tierschützer ist die Kennzeichnungspflicht von Hunden und Katzen. Durch solch eine Registrierungspflicht könnte der illegale Handel mit Hunden und Katzen eingedämmt werden, erklärt der Verband, da die Herkunft eines Tieres beim Kauf einfacher festzustellen wäre. Obendrein wäre so ein System einfach und kostengünstig umzusetzen, man müsste einfach nur das bereits existierende nationale Register mit der neuen Kennzeichnungspflicht harmonisieren. Doch die Bundesregierung lehnt eine solche Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Hunde und Katzen ab, weil, so die Antwort auf eine kleine Anfrage im Bundestag, der bürokratische Aufwand und die Belastung für Tierhalter zu hoch und gegenüber dem Nutzen nicht verhältnismäßig sei.
Mit toten Tieren werden Milliarden verdient
Doch die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen), hat in Anbetracht der eher mäßigen Ergebnisse des Umweltministers da eine etwas andere Idee: "Christian Schmidt ist bemüht, die Lobby zu bedienen und setzt in allen Bereichen auf Freiwilligkeit, so auch beim Tierschutz." Ein schönes Beispiel dafür ist das Tierwohl-Label. Wenn Bärbel Höhn allein den Begriff hört, entgleisen ihr die Gesichtszüge: "Der Begriff hört sich gut an Tierwohl-Label aber de facto hat ja schon der Deutsche Tierschutzbund gesagt: Wir steigen da aus, weil es mal wieder eine Show-Nummer ist", ereifert sich Höhn. Dass nun ausgerechnet der Tierschutzbund bei dem Label ausgestiegen ist, kam für Christian Schmidt überraschend, verrät er gegenüber FORUM: "Die Entscheidung des Tierschutzbundes bedauere ich natürlich. Allerdings war ich über den Schritt etwas erstaunt, denn die Zeitachsen, die Gegenstand der Kritik des Tierschutzbundes sind, waren von Anfang an bekannt." Doch schon das Zustandekommen des Labels war in weiten Zügen eher eine Geheimaktion, berichten Insider. Die Sitzungen wurden generell als vertraulich eingestuft und wurden obendrein sehr kurzfristig einberufen. Wer es zeitlich nicht schaffte, hatte eben Pech gehabt. Hauptteilnehmer waren zahlreiche Vertreter des Bauernverbandes, des Bundesverbandes der Geflügel- und Schweinezüchter und natürlich die übermächtige Lobby des Lebensmitteleinzelhandels, also alles Vertreter, die aufgrund beruflicher Tätigkeit weniger mit dem lebenden, als vielmehr mit dem toten und wohlportionierten Tier was anfangen können. Damit das alles nicht so rüberkommt, durften bei der Ausarbeitung des Tierwohl-Labels auch zwei, drei Vertreter der Tierschutzorganisationen dabei sein. Eine Staffage aus Idealisten gegen eine Meute von Lobbyisten, die mit toten Tieren Milliarden verdienen. "Und genau das ist ja dann auch dabei rausgekommen. Klingt gut, nützt den Tieren aber überhaupt nichts, weil alles auf Freiwilligkeit aufbaut", argwöhnt Bärbel Höhn, die auch vom politischen Gegner wegen ihrer Fachkompetenz respektiert wird und nicht unter dem Verdacht steht, politische Ideologien zu verfolgen.
Wie das Tierwohl-Label beispielsweise mit der Kastenhaltung von Zuchtsauen zusammengehen soll, ist der Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Umwelt- und Naturschutz ein Rätsel: "Man muss einfach sehen, dass diese intensive Landwirtschaft ganz furchtbare Auswirkungen hat. So eine Zuchtsau bekommt bei einem Wurf mehr Ferkel, als sie Zitzen hat. Die kann ihre Kinder gar nicht vernünftig ernähren, und damit sie sich nicht versehentlich auf die Ferkel legt, wird sie in den Kasten gesperrt, in dem sie sich nicht mal um sich selbst drehen kann." Das Tierwohl-Label ist immer noch nicht da. Ähnlich wie der Berliner Großflughafen wird es einfach nicht fertig. Auf der Grünen Woche im Januar dieses Jahres konnte der Bundeslandwirtschaftsminister lediglich ein Plakat mit dem grünen Label-Logo und einer Deutschlandfahne vorzeigen, nach dem Motto: So wird es aussehen. Was drinsteckt, ist aber noch in der Abstimmung. Bis zur Bundestagswahl im September will Schmidt aber liefern.
Die ganze Kritik an dem Label versteht der Minister nicht so recht: "Wir wollen Tierwohl in die Breite bringen", sagt der Minister. Aber wie Schmidt im Interview ganz offen zugibt, wird vermutlich Anfang September ein Tierschutz-Siegel das Licht der Welt erblicken, das in erster Linie die Verbraucher beim Einkauf beruhigen soll, extrem gut mit Herstellern und Einzelhandel abgestimmt ist und obendrein auch noch ein bisschen Schutz der Tiere beinhaltet.
Sven Bargel
Info:
Tierversuche
Der überwiegende Teil der Bevölkerung lehnt Tierversuche ab. Das geht aus einer im März durchgeführten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Ärzte gegen Tierversuche e. V. hervor. Mehr als zwei Drittel der Befragten (71 Prozent) befürworten ein gesetzliches Verbot besonders leidvoller Tierversuche. 52 Prozent hält Tierversuche zur Erforschung neuer Medikamente für nicht erforderlich und grausam. Seit 1989 ging die Zahl der Tiere in Versuchen von 2,6 Millionen auf einen Tiefpunkt von 1,5 Millionen im Jahr 1997 zurück. Seither gab es insgesamt betrachtet einen kontinuierlichen Anstieg. Auch 2015 waren die Hauptleidtragenden Mäuse (2.031.338 bzw. 72,6 Prozent), Ratten (326.233 bzw. 11,7 Prozent) und Fische (201.655 bzw. 7,2 Prozent). Aber auch Kaninchen (107.652, 3,9 Prozent), Katzen (502), Hunde (2.437), Meerschweinchen (18.523), Schweine (12.279) und andere Tierarten mussten für Tierversuche herhalten.
(Quelle: Ärzte gegen Tierversuche)