Wenn am 26. März Landtagswahl im Saarland ist, werden viele Wahlberechtigte erst im letzten Moment entscheiden, welche Partei sie mit ihrer Stimme beglücken. Unentschlossenen wird gern der sogenannte Wahl-O-Mat als Orientierungshilfe empfohlen. Wir haben getestet, was er als Entscheidungshilfe taugt.
Knapp 800.000 Saarländer dürfen bei der Landtwagswahl ihre Stimme abgeben. Doch wer die Wahl hat, hat häufig auch die Qual. Bei welcher Partei soll ich mein Kreuzchen machen, wer vertritt wirklich meine Interessen? Eine der etablierten Parteien oder vielleicht doch eine der kleineren, deren Wahlplakate landauf landab hängen? Die meisten Menschen, die zur Wahl gehen, haben eine feste Vorstellung davon, bei welcher Partei ihre politische Heimat liegt. Doch Hand aufs Herz: Wer kennt tatsächlich die Wahlprogramme der 16 antretenden Parteien und wofür sie wirklich inhaltlich stehen? Deckt sich die gefühlte Nähe zu einer Partei mit der tatsächlichen?
Um dies herauszufinden, haben Teile der FORUM-Redaktion einen Selbstversuch gestartet. Grundlage des Tests war der sogenannte Wahl-O-Mat. Wobei der Wahl-O-Mat keine Wahlempfehlung geben will, sondern nur eine Orientierungshilfe sein möchte. Ursprünglich von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) 2002 ins Leben gerufen, um vor allem junge Menschen, potenzielle Erstwähler, neugierig auf Politik zu machen und an die Wahlurne zu bringen, erfreut sich das Informationsprogramm im Internet seit 15 Jahren quer durch alle Altersschichten großer Beliebtheit. Unter www.wahl-o-mat.de hat die Bundeszentrale für politische Bildung für die Landtagswahl im Saarland in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale des Saarlandes, des Landesjugendrings Saar und der Arbeitskammer des Saarlandes die 16 zur Wahl stehenden Parteien zu ihren Positionen und Vorhaben befragt. Allerdings beantworteten nur 15 der 16 Parteien die Fragen, die "Freie Bürger Union" (FBU), eine programmatisch nationalistische und ausländerfeindliche Partei, verweigerte die Teilnahme.
Aus den Antworten der Parteien entwickelte dann ein Redaktionsteam aus 13 Jungwählerinnen und Jungwählern aus dem Saarland im Alter zwischen 18 und 26 Jahren einen Fragenkatalog mit 38 Thesen und Inhalten. Beantworten lassen sich die Fragen mit den Antwortmöglichkeiten "Ich stimme zu", "Ich stimme nicht zu" und "Neutral". Zudem gibt es die Möglichkeit, Thesen komplett zu überspringen, die dann auch nicht in die Auswertung einfließen. Themenfelder, die einem besonders am Herz liegen, lassen sich am Ende in einer Gesamtübersicht noch einmal gesondert hervorheben, womit auch deren Gewichtung doppelt in die Auswertung einfließt.
Zum Schluss kann man aus den 15 zur Wahl stehenden Parteien acht auswählen und sich die möglichen Übereinstimmungen in Prozentzahlen anzeigen lassen. Warum sich nur acht Parteien auswählen lassen und nicht alle 15, bleibt allerdings unklar. Wer die Ergebnisse aller Parteien sehen möchte, muss umständlich auf "zurück" klicken, die zuvor acht ausgewählten Parteien wieder aus der Auswahl entfernen und kann nun die verbliebenen sieben Parteien anklicken und sich deren Ergebnisse anzeigen lassen.
Alle Nutzer waren am Schluss von den Ergebnissen überrascht
Um bei unserer vergleichsweise kleinen Testgruppe von nur fünf Teilnehmern dennoch aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, waren die Teilnehmer angehalten, den Fragenkatalog unter verschiedenen Voraussetzungen mehrmals durchzuarbeiten von links, über gemäßigt-links, liberal, konservativ bis rechts-konservativ. In allen Fällen waren die Parteien mit den größten Übereinstimmungen nahezu identisch und auch so, wie von den Teilnehmern im Vorfeld erwartet. Wurden die Fragen also aus eher linker Sicht beantwortet, spuckte der Wahl-O-Mat auch die größten Übereinstimmungen mit linken Parteien aus und die geringsten mit eher rechtsorientierten oder erzkonservativen Parteien. So weit, so vorhersehbar.
Ganz anders sahen die Ergebnisse allerdings aus, als die Test-Teilnehmer die 38 Fragen ganz persönlich beantworten sollten, also fernab von partei-ideologischen Grundsätzen. Auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung ist nachzulesen: "Aus unseren Nutzerbefragungen zum Wahl-O-Mat wissen wir, dass bei etwa 90 Prozent der Nutzer das Wahl-O-Mat-Ergebnis mit ihrer politischen Position genau oder ungefähr übereinstimmt. Nur zehn Prozent der Nutzer sind von ihrem Wahl-O-Mat-Ergebnis überrascht."
Diese Aussage kann die FORUM-Redaktion nach ihrem eigenen Test nicht unterstreichen. Ganz im Gegenteil: Alle fünf Teilnehmer waren von ihrem ganz persönlichen Ergebnis überrascht. Nicht einer konnte sich vorstellen, die Partei zu wählen, die am Ende jeweils die angeblich größte Übereinstimmung hatte. Selbst die zweit- oder drittgenannten Parteien schieden für die meisten aus. Oftmals lagen in der Auswertung spogar Parteien, die auf den ersten Blick völlig konträre Politikinhalte vertreten, prozentual nur wenige Punkte auseinander.
Mehr als nur eine lustige Spielerei
Doch woran liegt das? Augenscheinlich ist das gewählte Prinzip der ausgewählten Fragen schlicht zu akademisch, die Antwortmöglichkeiten zu ungenau. Politische Sachverhalte sind zu komplex, um sie generell mit einem "ja", "nein" oder "neutral" zu beantworten. Zu oft gibt es im Alltag differenzierte Antworten zu unterschiedlichen Themen. Diese Differenzierung lässt sich auch nicht dadurch erreichen, dass man gewisse Themenschwerpunkte nochmals besonders stark gewichtet. In aller Regel sind Wähler auch nicht strikt auf Parteilinie, sondern differenzieren inhaltlich. Wenn ich bei Partei A ein Thema gut finde, bedeutet dies nicht, dass ich bei einem anderen Thema auch die Meinung dieser Partei vertrete. Und je mehr Parteien bei meinen Antworten "bedient" werden, umso ungenauer wird das Bild in der Gesamtauswertung.
Ist der Wahl-O-Mat damit überflüssig oder nur eine lustige Spielerei? Darauf in beiden Fällen ein eindeutiges "Nein". Auch wenn unser zugegebenermaßen nicht repräsentativer Test für uns persönlich wenig aufschlussreich war, so hat er doch bewirkt, dass wir uns mit den zur Wahl stehenden Parteien beschäftigt haben und gleichsam spielerisch jede Menge Informationen zu den Parteien, ihren Ansichten und ihrem Wahlprogramm erhalten haben. Wir sind definitiv besser informiert als vor unserem Test und können nun auch die ganzen kleineren Parteien, die nicht so im Fokus stehen, besser einordnen. Und das hilft letztlich auch bei der Frage aller Fragen nämlich an welcher Stelle jeder Einzelne von uns nun am 26. März sein ganz persönliches Kreuzchen setzen wird. Deshalb unsere Empfehlung: den Wahl-O-Mat einfach mal selbst testen.
Von Jörg Heinze