Würde Donald Trump seine Wahlkampfversprechen wahr machen, wäre das nichts weniger als eine Kehrtwende in der US-Außen- und Sicherheitspolitik.
Die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika hat Beobachter im In- und Ausland überrascht. Gerade aufgrund seiner außen- und sicherheitspolitischen Positionen sorgen sich viele verbündete Staaten um die künftige Rolle der USA in der Welt. Und in der Tat: Würde Trump seine Wahlkampfversprechungen umsetzen, wäre das eine Revolution der US-Außenpolitik. Schließlich wurde am 8. November 2016 zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Kandidat gewählt, der die Grundprinzipien der von Amerika aufgebauten liberalen Weltordnung ablehnt. Gleichwohl gibt es in Politik und Gesellschaft erhebliche Widerstände gegen eine derartige Revolution.
Blickt man auf Trumps Aussagen zur internationalen Politik, fällt zunächst deren Widersprüchlichkeit auf. Ob zur Frage des Klimawandels, der Bewertung des Irakkriegs oder zur Bedrohung durch Nordkorea Trump veränderte seine Positionen mit bisweilen atemberaubender Geschwindigkeit. Konstant sind dagegen vor allem drei Punkte auf seiner Agenda: die Ablehnung von Freihandelsverträgen, die Kritik an bestehenden Allianzen der USA sowie seine zumindest in Teilen isolationistische Grundausrichtung. Trumps Kritik an bestehenden Freihandelszonen wie der Nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta) und gegenüber neuen Verträgen wie der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) gehörten zu seinen Kernaussagen während des Wahlkampfs. Bisher hatten sich alle Präsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg für den Abbau von Handelsschranken und die Ausbreitung der freien Marktwirtschaft eingesetzt. Trumps Kritik speist sich aus der Wahrnehmung, andere Staaten wie China oder Mexiko würden die USA ausnutzen und amerikanische Arbeitsplätze in der Industrie vernichten. Obwohl die Wirtschaftslage in den USA vergleichsweise stabil ist, beklagen wachsende Teile der unteren Mittelschicht, dass die Früchte des Wirtschaftswachstums nicht bei ihnen ankämen. Trump wird daher insbesondere diesem Aspekt seiner Wahlkampfagenda besondere Aufmerksamkeit schenken und versuchen, bessere Handelsbedingungen, etwa gegenüber China, auszuhandeln. Die starke ökonomische Position Chinas wird diesem Ansinnen enge Grenzen setzen.
Russland-Beziehungen auf eine neue Grundlage stellen
Der zweite Kernbestandteil von Trumps Außenpolitik betrifft Amerikas Allianzen. Auch hier wittert Trump eine unfaire Behandlung der Vereinigten Staaten: Amerika würde für die Sicherheit befreundeter Länder militärisch garantieren, hierfür aber nicht angemessen entschädigt. Kritiker einer unfairen Lastenteilung gab es zu jeder Zeit der transatlantischen Beziehungen. Donald Trump geht jedoch weiter als die meisten Nato-Skeptiker in den USA. Im Wahlkampf stellte er gar die zentrale Bündnispflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags in Frage, wonach ein Angriff auf einen Bündnispartner als Angriff auf alle gewertet wird.
Trump scheint hier, wie auch beim Thema Handelspolitik, zu versuchen, für die USA bessere "Deals" zu vereinbaren etwa die Verbündeten zu einer Erhöhung eigener Verteidigungsausgaben zu drängen. Gleichzeitig erzeugt Trumps Poltern gegen Alliierte Verunsicherung und Misstrauen. Besonders die osteuropäischen Nato-Staaten sehen Trump mit Sorgen entgegen, denn seine Kritik an bestehenden Allianzen paart sich mit Annäherungsversuchen gegenüber Russland. Trumps Lob für Russlands Präsidenten Putin sowie seine Zurückhaltung gegenüber den russischen Interventionen in der Ost-Ukraine und in Syrien zeugen davon, dass der nächste US-Präsident die Beziehungen zu Russland auf eine neue Grundlage stellen möchte.
Drittens tragen Donald Trumps außenpolitische Vorstellungen isolationistische Züge. Trumps Credo "Make America Great Again" zielt auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in den USA. Mit diesem innenpolitischen Schwerpunkt unterscheidet er sich nicht von seinem Vorgänger Barack Obama. Dieser hatte jedoch anders als Trump nicht eine Abkehr vom Anspruch der USA als Verteidigerin westlicher Werte ausgerufen. Trump dagegen fordert, dass sich die Vereinigten Staaten nicht mehr weltweit für Demokratie und Menschenrechte engagieren, sondern verstärkt ihre eigenen Interessen verfolgen müssten. Das bedeutet einerseits die Ablehnung von humanitären Interventionen und gewaltsamer Demokratieförderung (Beispiel Irakkrieg 2003), die auch in Deutschland unpopulär sind. Andererseits stellt sich hier die Frage, wie die Weltgemeinschaft künftig auf aggressive Diktatoren, die Menschenrechte mit Füßen treten, reagieren soll, wenn sich die westliche Führungsmacht zurückzieht.
Eine Ausnahme von dieser isolationistischen Haltung macht Trump lediglich beim Thema islamistischer Terrorismus. Hier versprach der gewählte Präsident eine unnachgiebige, militärische Antwort wenngleich sein immer wieder angeführter "Masterplan" nach wie vor unklar ist.
Würde Trump gemäß dieser Leitlinien regieren, stünde die Außen- und Sicherheitspolitik der USA vor einer Revolution. Protektionistische Maßnahmen könnten den globalen Handel gefährden. An ein transatlantisches Freihandelsabkommen ist ohnehin kaum zu denken. Die Weigerung, an der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens mitzuwirken, würde die jüngsten Fortschritte in diesem Feld zunichtemachen. Eine Annäherung an Russland könnte Ängste in Osteuropa auslösen. Ein Ende der Ein-China-Politik, wie es Trump nach seinem Telefonat mit der taiwanesischen Präsidentin andeutete, würde eine Konfrontation zwischen den beiden mächtigsten Nationen heraufbeschwören. Eine unilaterale Aufkündigung des Irandeals würde die sicherheitspolitische Stabilität der gesamten Nahostregion gefährden.
Doch soweit muss es nicht kommen. Donald Trump stehen gewichtige politische Akteure entgegen. Mit Ausnahme seiner Kritik am iranischen Atomabkommen und an einer verbindlichen Klimapolitik lehnen weite Teile der republikanischen Partei seine außenpolitischen Zielsetzungen ab. Auch innerhalb von Administration und Militär würden allzu extreme außenpolitische Entscheidungen auf Widerstand treffen.
Die Nominierung von General James Mattis als Verteidigungsminister deutet bereits auf eine Abschwächung von Trumps Wahlkampfpositionen hin, denn Mattis vertritt ebenfalls einen traditionellen außenpolitischen Kurs. Hinzu kommt, dass der amerikanische Kongress auch in der Außen- und Sicherheitspolitik über Instrumente verfügt, um die Politik des Präsidenten zu blockieren oder zu zügeln.
Ob Trumps Außenpolitik tatsächlich umgesetzt wird, hängt letztlich vor allem auch von der amerikanischen Gesellschaft ab. Präsidenten können nicht auf Dauer gegen den Willen der Mehrheit Politik machen, da sie wiedergewählt werden wollen, und wenn Donald Trump diese Grundpositionen missachtet, droht ihm der Verlust innenpolitischer Unterstützung. Diese benötigt er aber dringend, um sein Ziel "Make America Great Again" zu realisieren.
Ein Gastbeitrag von Dr. Florian Böller
Zur Person:
Dr. Florian Böller arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Kaiserslautern im Fachgebiet Politikwissenschaft II. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Innen- und Außenpolitik der USA sowie die transatlantischen Beziehungen.
Von Januar bis Mai 2017 forscht er als Visiting Fellow an der Harvard University in den USA.