Sport auf Top-Niveau, ein mitreißender Krimi und Freudentränen am Ende. Das alles gab es am vergangenen Samstag live in der Stadtgartenhalle. Nach einer phänomenalen Aufholjagd sicherte sich Handball-Zweitligist HG Saarlouis vor 1.850 Zuschauern in der ausverkauften Arena ein 27:27-Unentschieden gegen TUSEM Essen und damit den Klassenverbleib.
Normal geht nicht bei der HG Saarlouis. Das Gewöhnliche ist irgendwie nicht das Ding der Zweitliga-Handballer. Demnach war die Art und Weise, wie Saarlands beste Handballmannschaft am Samstagabend den Klassenverbleib klargemacht hat, wieder einmal speziell.
Sich selbst und ihren Fans verlangten die Spieler beim 27:27 (8:15)-Unentschieden gegen TUSEM Essen einmal mehr alles ab. Zur Halbzeit lagen die Hausherren in der mit 1.850 Zuschauern ausverkauften Stadtgartenhalle mit sieben Toren in Rückstand. Am Ende reichte es dennoch erstmals seit drei Jahren aus eigener Kraft zum sportlichen Ligaverbleib. Die 25:30-Niederlage bei der HSG Nordhorn-Lingen bedeutet für die SG Leutershausen den Abstieg in die Dritte Liga. Durch das Unentschieden in Saarlouis bleibt auch der Traditionsclub aus Essen zweitklassig.
"Ich habe es meiner Mannschaft zugetraut, dass sie sich das Spiel zurückholen kann", sagte Jörg Bohrmann nach dem letzten Saisonspiel, in dem er auf die verletzten Ibai Meoki und Philipp Kessler verzichten musste. Kapitän Jonas Faulenbach, der beste Feldtorschütze der Liga, musste nach einer Woche Krankheit anfangs ebenfalls passen.
Dass Nordhorn gegen Leutershausen permanent hoch in Führung lag und damit den Klassenverbleib der HG auch im Falle einer Niederlage sicher schien, wollte der HG-Trainer während des Spiels gar nicht wissen: "Ich wollte, dass wir unsere Leistung bringen. Deshalb hat mich der Zwischenstand nicht interessiert. Wir sind bis zum Schluss diszipliniert geblieben und haben vor einem tollen Publikum alles herausgeholt. Ich bin stolz auf das Team." Auch Gedanken an die Saarlouiser Partymeile in der Altstadt wollte Bohrmann direkt nach dem Spiel nicht zulassen: "Ich muss das erst einmal sacken lassen. Die Jungs sollen feiern. Ich werde jetzt mit meiner Frau etwas in Stimmung kommen und dann schauen wir weiter."
Zurück zum Spiel: "Ich hätte die Mannschaft in der ersten Halbzeit besser unterstützen müssen. Da waren ein paar Bälle dabei, die zu mir gehörten", gab Torwart Patrick Schulz zu. Diese Bälle holte er sich dann in der zweiten Hälfte und zeichnete wie der souveräne Siebenmeterschütze Lars Weissgerber (sieben Treffer aus acht Versuchen) für die erfolgreiche Aufholjagd mitverantwortlich. Aus sieben Toren Rückstand wurden nach Wiederanpfiff schnell drei (16:19), die sich mühselig weiter reduzierten (21:23, 23:24), ehe in der 54. Minute der 25:25-Ausgleich fiel.
Kurz vor Schluss lag Saarlouis sogar mit 27:26 in Führung. Ein HG-Sieg hätte für Essen, das von über 200 mitgereisten Fans lautstark angefeuert wurde, den Abstieg bedeutet. Doch dann erzielte Noah Beyer per Siebenmeter den 27:27-Endstand. "Ein Riesenkompliment an die Jungs. In der zweiten Halbzeit waren bei TUSEM die Kräfte aufgebraucht, aber wir haben weitergemacht", freute sich Schulz. "So ein Spiel, in dem es um alles geht, bekommst du in deiner Karriere nicht oft. Wir wollten unbedingt noch einmal zurückkommen", erklärte der nach Ferndorf abwandernde HG-Kapitän Jonas Faulenbach, der nach dem Schlusspfiff offiziell verabschiedet wurde: "Drei Jahre sind schon was. Das macht man nicht einfach so. Ich habe mich hier immer sehr wohlgefühlt. Jetzt stehen wir am Saisonende über dem Strich und haben sogar noch eine Mannschaft hinter uns gelassen", sagte der Rückraumspieler und ergänzte: "Heute können wir mal so richtig feiern. Darauf haben wir lange gewartet, und das haben wir uns verdient."
Für die Unterstützung von den Rängen sorgte einmal mehr federführend der neue Fanclub "HG Mania", der sich vor etwa einem halben Jahr um die Vorsitzenden Patrick Collet und Alexander Zang formierte. "Das Spiel war für uns nervenanspannend ohne Ende. So einen Krimi kann kein Autor schreiben. Aber wir haben immer daran geglaubt, dass die Mannschaft es noch schaffen kann. Auch, als wir sieben Tore Rückstand hatten haben wir Fans weiter alles gegeben", sagt der Clubsprecher Frank Bernard am Sonntag mit heiserer Stimme: "Wir wissen aber, dass wir die Halle noch mehr mitreißen müssen. Dafür setzen wir uns in der Sommerpause zusammen."
Nach dem Abpfiff war die Stadtgartenhalle ein einziges Tollhaus der Emotionen. HG-Kreisläufer Peter Walz herzte seinen Gegenspieler Michael Hegemann, den er Sekunden zuvor noch in gleicher Haltung an einem Torwurf hinderte, Trainer Jörg Bohrmann ließ sich nicht lumpen und brüllte der Mannschaft vor dem Fanblock die obligatorische "Humba" entgegen und Martin Murawski taufte Kapitän Jonas Faulenbach noch auf dem Spielfeld mit dem Inhalt zweier Bierflaschen. Wie ein begossener Pudel stand "Fauli" nicht da, obwohl es sein letztes Spiel für die Saarlouiser war. Er wechselt in seine Heimatregion zum TuS Ferndorf und verabschiedete sich mit Worten des Dankes von seiner Mannschaft, dem Team hinter dem Team und den Zuschauern. "Er kam als junger Mann und geht als Persönlichkeit, als Gentleman neben und auf dem Platz und auch als bester Feldtorschütze der Liga. Wir werden dich sehr vermissen", sagte HG-Vorsitzender Richard Jungmann zu Faulenbach, der im Anschluss jeden einzelnen HG-ler umarmte, den er zu fassen bekam.
"Verdient, in der
Liga zu bleiben"
Auch Ibai Meoki (ThSV Eisenach), Lars Walz (HSG Völklingen) und Philipp Kessler (Karriereende) wurden verabschiedet. Wobei Kessler dem Club als Co-Trainer erhalten bleibt. "Ich hätte unheimlich gerne mitgespielt, das hat mich schon gefuchst", sagte der 32-Jährige, der wegen einer Schulterverletzung nicht mitwirken konnte: "Das wäre der perfekte Abschied gewesen. Aber so war es auch in Ordnung. Man wird sehen, wie das in Zukunft wird, wenn ich immer an der Außenlinie stehen werde." Am Samstag stand allerdings die Freude über den Klassenverbleib im Vordergrund. "Wir haben noch gut gefeiert. Zuerst mit den Fans an der Halle, danach ging es bis in die Morgenstunden in die Altstadt. Wir haben es richtig krachen lassen. Einige von uns machen auch noch eine Abschlussfahrt nach Mallorca", verriet Kessler am Tag danach. Richard Jungmann ließ dieses Spiel einmal mehr staunend zurück: "Ich komme einfach nicht dahinter, wie die Mannschaft immer wieder in der Lage ist, solche Rückschläge auszumerzen. Es ist unglaublich", schwärmte der Vereinschef, "Man kann vor der emotionalen und körperlichen Leistung der Spieler nur den Hut ziehen. So eine Mannschaft hat es wahrlich verdient, in der Liga zu bleiben." Mut gemacht hatte Jungmann der positive Zuspruch aus der saarländischen Sportwelt: "Ich war in letzter Zeit auf einigen Großveranstaltungen unterwegs. Es wurden so viele Daumen für uns gedrückt. So eine breite Zustimmung zur HG Saarlouis habe ich selten erlebt." Der für den Abstieg vorgesehene "Plan B" kann demnach in der "untersten Schublade" verstaut bleiben.
Sebastian Zenner