Alljährlich kürt Pantone einen neuen Farbton zur Farbe des Jahres, die sich dann in allen Bereichen des Lebens präsentiert. Diesmal fiel die Wahl auf "Greenery". Der Frühling grünt also. Nicht nur in der Mode.
Farbe ist eine physikalische Schwingung und hat die gleiche Frequenz wie Musik. Selbst mit geschlossenen Augen fühlen sogar blinde Menschen, ob eine Farbe beruhigend oder belebend auf sie wirkt. "Aber Grün ist besonders, ist es doch die Energieschwingung des Planeten und steht im Zyklus der Jahreszeiten als ein ewiger Neuanfang", sagt Christiane Grübbel. Sie ist ganzheitliche Stil- und Farbberaterin in Berlin und weiß um die Kraft der Farbresonanzen. Die ist messbar: Schauen wir zum Beispiel über ein grün bewachsenes Areal, trifft ein energetischer "Schwingungsreiz" zwischen 540 und 640 Hertz direkt in unser Sehzentrum. Aber da Grün nicht gleich Grün ist, können wir innerhalb dieser messbaren Spannweite von 100 Hertz bis zu 40 verschiedene Grüntöne wahrnehmen. Diese lediglich mit einem hellen Gelbgrün oder einem Tannengrün (die Vertrauen erweckende Farbe der Zunftgewänder von Jägern, Chirurgen und Polizisten) zu bezeichnen, wäre fast ein bisschen simpel. Gibt es doch zahlreiche Namen für die Schattierungen dieser vierten Farbe des Farbkreises von Jade über Mint bis zu Smaragd oder Petrol.
"Schaut man bewusst direkt in die Sonne und schließt die Augen danach, sieht man grüne und rote Zonen. So merkt man sich das Komplementärfarbenpaar am besten", schmunzelt Christiane Grübel und setzt dabei entschlossen ihre therapeutische Farbbrille auf. Die soll bei Winterdepressionen wahre Wunder bewirken und angeblich auch den Blutdruck senken. "Jeder erinnert sich ja auch noch an die Schiefertafeln in der Schule. Die waren auch tannengrün, hier konnten die Augen der hibbeligen Schulkinder lange verharren." Grün ist beruhigend und trifft uns als Farbe der Mitte mitten ins Herz(-Chakra) so wird sie mancherorts auch gerne im Rahmen von Meditationen eingesetzt. Das Wissen um die Kraft der Farben ist uralt und gerade in turbulenten Zeiten wie diesen sehnt sich der Mensch nach einer Urvertrauen- und Lebensmut schenkenden Farbe. Erinnert sich an das, was eigentlich schon lange in den Schubladen der Gelehrten und Hochkulturen schlummerte oder für immer verloren ging. Die Zeit ist reif für Grün.
"Eine trans-saisonale Schattierung für viele Kombinationen"
In der Mitte der Grünpalette liegt das Maigrün, das den Duft von frischem Rasen und den Geschmack eines frisch gemixten Smoothies assoziieren lässt. Farbtherapeuten sind sich sicher, dass dieser satte Immergün-Ton mit seinem sonnigen Gelbanteil die Gemüter zum Strahlen bringen und Ruhe und Angstfreiheit verbreiten wird.
"Der frische, gelbgrüne Farbton symbolisiert das Wiedererwachen der Natur im Frühling und ist Sinnbild für Neubeginn. Greenery ist auch ein Symbol für die aufkeimende Sehnsucht nach neuer Hoffnung in einem komplexen sozialen und politischen Umfeld", erklärt Leatrice Eiseman, Executive Director des Pantone Color Institute unter ihrer Leitung sammelt ein rund zehnköpfiges Team jedes Jahr international Farbeinflüsse, Inspirationen und Farbwirkungen, um den globalen Zeitgeist in Farbe wiederzugeben. Pantone positioniert sich als "Marktführer im Segment der Farbkommunikation und -technologie für die Grafik- und Designbranche, das Verlags- und Druckwesen sowie die Textil- und Kunststoffindustrie und setzt Standards. Jedes Jahr trifft der selbstgekrönte Farb-Guru und Meister der weltweit genormten Farbpaletten eine symbolische Farbauswahl.
Als eine Art "Farbschnappschuss" color-codiert Pantone alles, was wir in unserer globalen Kultur sehen, als Ausdruck einer Stimmung und einer Haltung. 2016 gabs der It-Farben gleich zwei: Rose Quartz und Serenity (ein Himmelhellblau) ebenfalls eine Turbulenzen ausgleichende Wahl gegen die Stürme der bösen Welt.
Auf den Pantone-Trendfarbenzug springen natürlich auch die Trendsetter aus der Lifestyle-& Fashion-Branche auf. Interior-Designer (Terrarien, Tapeten, Wandfarben), Kosmetik (Nagellack), Accessoires- und Modemacher, aber auch die Foodszene (Matcha, Algen und Avocados) und selbst die Autoindustrie zeigen Farbe nach Nummer.
In Greenery sieht Pantone eine "neutrale" Farbe, die sich "wie eine trans-saisonale Schattierung für viele Farbkombinationen eigne". Bei der Stilberatung unterscheidet Christiane Grübbel über 25 Farbtypen (Jahreszeitentypen), wobei man aber niemanden prinzipiell in eine Farbschublade stecken könne. "Entscheidend sind der Hautunterton und die Augenfarbe. Die Farbe sollte die Augen zum Leuchten bringen, nicht entkräften. Das sonnige For-Ever-Frühlings-Grün kann gerne auch mit den anderen Mitgliedern der großen Grünfamilie kombiniert werden." Helle Schattierungen treffen dabei auf dunkle Statements.
Achtung: Ein grüner Vollflächen-Ganzkörperlook wird schnell zum Wandfarbenlook degradiert und sollte mit knalligen Kontrasten, Blumenmustern, Erd- oder Nichtfarben wie Schwarz, Weiß, Beige akzentuiert und kombiniert werden. Reduzierte Pastellfarben oder Metallic-Töne sind perfekte Begleiter. In der Fashionsaison 2017 tauchte Greenery eher noch verhalten auf den Catwalks der großen Designer auf. Unter den Greenery-Vertretern der Fashionsaison sind Ackermann, Gucci, Prada, Kenzo, Mary Katrantzou, Michael Kors oder Zac Posen, Balenciaga, Etro, Lacoste, oder Cynthia Rowley.
Aber der Frühling und die Saison fangen ja gerade erst an. Es bleibt abzuwarten, wie viele Greenery-Jünger mit deutlich sichtbaren Textilien dieser erfrischenden "Herzfarbe" uns auf dem Weg durch den Alltag begegnen werden.
Ein Tipp: Nicht so "Grünmutige" sollten erst mal zaghaft mit Accessoires starten, die Hoffnungsfarbe dann auf ein paar Basics übertragen, und dann reicht gegebenenfalls auch ein Gang zur nächsten städtischen Grünfläche, um die Sehnsucht nach der verlorenen heilen Welt ein bisschen zu stillen. Und davon gibt es zukünftig immer mehr, denn Stadtplaner, Architekten aber auch Bürgerinitiativen setzen sich zum Beispiel über Urban Gardening verstärkt für die Begrünung ihres Lebensraums ein. Immer mehr wollen endlich ihre Sehnsüchte über die Herz-Frequenz stillen. Greenery ist dabei durchaus ein Weg zum vierblättrigen kleegrünen Ziel.
Anke Sademann