Das Poloshirt kann 2018 nicht nur sein 85-jähriges Jubiläum, sondern diesen Sommer zusätzlich ein fulminantes Comeback in der Herren- wie auch in der Damenmode feiern.
Es ist offenbar ein urdeutsches Phänomen. Eigentlich hat nur hierzulande ein Klassiker der Herrenmode einen derart schlechten Ruf. Im Rest der Welt gilt das Poloshirt als ein solides und ziemlich zeitloses Stück Mode, etwas vornehmer als ein einfaches T-Shirt und das einzige Kurzarmhemd, das im offiziellen Dresscode der Männergarderobe erlaubt ist. Laut der Stil-Kolumne der „Süddeutschen Zeitung" sind Polohemden heute „eigentlich nicht mehr tragbar – es sei denn, man studiert BWL oder Jura". Angeblich fristet dort das Poloshirt ein von Anhängern ebenso bewundertes wie von Gegnern abgelehntes Nischendasein. Es ist an der Uni gewissermaßen zum Marken- oder Kennzeichen der Upper Class oder auch von jungen Leuten geworden, die gern zu dieser Gesellschaftsschicht gehören möchten.
Miuccia Prada scheint von dieser speziellen deutschen Polo-Problematik noch nichts gehört zu haben. Denn auf dem Laufsteg für ihre Herrenkollektion des Sommers trugen fast alle Models die Kragen der ebenso vielfältigen wie meist ziemlich bunten Polohemden hochgestellt im Stil der 80er-Jahre. Und wir wissen ja, dass Miuccia Prada in der Regel den richtigen Riecher für neue Trends hat. Zumal auch noch Ende der Nullerjahre Superstar Kanye West mit hochgestelltem Kragen aufgetreten war. Zuweilen pflegte sich der Rapper sogar mit zwei übereinander getragenen Poloshirts samt hochgestellten Kragen öffentlich zu präsentieren. Kein Wunder, dass danach selbst in den USA der Ruf des Poloshirts für einige Jahre leicht beschädigt war.
Gott sei Dank gibt es natürlich auch hierzulande neben den großflächig bedruckten Camp-David-Modellen eine riesige Auswahl alltagstauglicher Polohemden. Darunter längst nicht mehr nur die Klassiker von Lacoste, Fred Perry oder Ralph Lauren, weil inzwischen neben den Sport- oder Streetstyle-Brands auch jedes Nobel-Designer-Label (von Lanvin bis Tommy Hilfiger) seine eigene Poloshirt-Kollektion führt.
Passend zum Athleisure-Trend
Das Männermagazin „Men’s Health" schrieb: „Poloshirts sind 2018 wieder im Trend. Prollig, spießig, unmodern: Poloshirts hatten lange keinen guten Ruf. Zu Unrecht, wie wir finden. 2018 tragen wir sie wie in den 50er-Jahren. Konkret heißt das: Alle Knöpfe werden geschlossen, und der Kragen bleibt unten. So wirkt das Shirt elegant und modisch." Laut dem Magazin „GQ" sollten die neuen Polohemden möglichst weit, gerade und kantig geschnitten sein – im Skateboarder-Style der 90er-Jahre. Andere Modeexperten verweisen darauf, dass für den Fifties-Look eigentlich nur eng geschnittene Teile in Frage kommen können. Dazu werden auch noch Retro-Kragen oder Streifen auf den Kurzärmeln à la 70er-Jahre als absolute Must-haves genannt.
Wir vermuten einfach mal, dass das (vermeintliche) Revival des Männer-Poloshirts nicht unbedingt auf die mitunter auch ins Spiel gebrachte Athleisure-Dominanz in der aktuellen Mode zurückgeführt werden kann, sondern schlichtweg vom real existierenden Poloshirt-Trend-Phänomen in der Ladys-Fashion abgeleitet wurde. Wie dem auch sei, auf jeden Fall sollten die Herren der Schöpfung einige Regeln beim Polohemden-Tragen beachten: Ein Poloshirt, das längst nicht mehr nur aus dem klassischen Baumwoll-Pikee gearbeitet sein muss, gehört keinesfalls in die Hose. Der Kragen kann mittlerweile durchaus auch offen getragen werden. Auch ein Poloshirt sollte gepflegt daherkommen, wobei das Bügeln im Unterschied zum Hemd in Windeseile erledigt werden kann.
Auch wenn gemeinhin der siebenfache Grand-Slam-Tennis-Turniersieger René Lacoste als Erfinder des Poloshirts gilt, so hatte doch schon 1896 der US-amerikanische Herrenausstatter Brooks Brothers das modische Potenzial der beim Polosport getragenen Hemden mit Kragen und Knöpfen erkannt und sich daher frühzeitig die Rechte an dem Begriff „Polo" gesichert. Lacoste war es allerdings zu verdanken, dass die langen Ärmel abgeschnitten wurden, um sich auf dem Tenniscourt freier und luftiger bewegen zu können. Bei den US-Open 1926 trug Lacoste erstmals ein von ihm entworfenes weit geschnittenes und kurzärmeliges Shirt aus wegen seiner gestrickten Waffelstruktur besonders luftigem und robustem Baumwoll-Piqué. Nach Ende seiner aktiven Laufbahn gründete Lacoste anno 1933 sein eigenes Bekleidungsunternehmen und ging mit seinem Polohemd, dessen aufgesticktes Krokodil wohl das erste Markenlogo der Geschichte war und schnell zum Markenzeichen aufsteigen sollte, in Massenproduktion. Bis 1951 gab es das Lacoste-Shirt mit seinem fein gerippten Kragen und der kurzen Knopfleiste nur in Weiß, danach wurden bunte Uni-Farben eingeführt, ab 1960 kam dann auch noch eine gestreifte Variante hinzu.
Zu dieser Zeit hatte Lacoste mit Fred Perry bereits einen ernsthaften Konkurrenten bekommen. Der ehemalige Tennisstar Perry hatte 1952 sein eigenes Unternehmen gegründet, dessen mit einem Lorbeerkranz als Markenzeichen ausstaffierte Polohemden aus Baumwoll-Piqué wesentlich schmaler geschnitten und daher eleganter waren. Genau das Richtige für die frühen Mods. 1967 stieß noch ein gewisser Ralph Lauren dazu, der von 1964 bis 1967 bei Brooks Brothers als Verkäufer gearbeitet und sich nach Erwerb der Rechte an dem Begriff „Polo" von seinem bisherigen Arbeitgeber mit einem eigenen Label selbstständig gemacht hatte. 1972 brachte Lauren seine erste Polohemden-Kollektion in gleich 24 Farben mit in Brusthöhe aufgesticktem Polospieler auf den Markt.
Gerne mal aufregend anders
Bis weit in die 80er-Jahre sollte das Poloshirt ein sicherer und stabiler Bestseller in der Herrenbekleidung bleiben und zu einem Klassiker aufsteigen. Danach wurde es weltweit etwas ruhiger um das Polohemd. Dass Popper und Preppies seinem Ruf extrem geschadet, ihm ein Image als altmodisch, spießig und yuppiehaft verpasst haben sollen, wird zwar immer wieder behauptet, doch dürfte das vor allem auf das Poloshirt-Segment in der Damenmode zutreffen. Denn dass es ein paar Schnöseln oder Neureichen, die sich am Wochenende in Polohemden gewandet auf dem Golfplatz über die Größe der Perlenohrringe der Gattinnen gestritten haben sollen, tatsächlich, wie beispielsweise vom Magazin „Elle" behauptet, gelungen sein könnte, das Shirt als Herrenoberbekleidung derart in Verruf zu bringen, kann gelinde bezweifelt werden.
Im Frühjahr 2015 wurde in der Damenmode erstmals vom Comeback des einstmaligen Tennis-Klassikers gesprochen. Damals hatten Labels wie Chanel, Jil Sander, Balenciaga, House of Holland, Tory Burch oder Boss erfolgreich versucht, die Poloshirts dank extravaganter Details (von Transparenz bis Bouclé-Kragen) fashiontauglich zu machen. Im Sommer 2017 setzten Labels wie Miu Miu oder Prada bei ihren Polohemden mit Kragen samt Spitze, Strass oder Perlen noch einen drauf. Zudem tauchten neben den casual-sportlichen Shirts auch noch weit geschnittene Teile im Boyfriend-Look auf. Für den Sommer 2018 sagen Magazine von „Elle" bis Harper’s Bazaar" den Polohemden in der Damenmode den großen Durchbruch voraus. Vor allem weil die Shirts neu interpretiert werden und sich daher in überraschend anderer Optik präsentieren. Einiges wird frau mögen, beispielsweise verspielte Details wie Schleifen, Rüschen (Maison Margiela) oder Schößchen-Saum (Balenciaga), einiges andere wie das XL-Format wahrscheinlich weniger.
Für die Figur und natürlich auch für’s Auge zuträglich sind die Polohemden-Kreationen von Fendi, Stella Jean, Tibi, N°21, Carven, Y/Project, Gucci oder Koché. Verblüffend, dass ausgerechnet das Traditionshaus Lacoste mit seinem Kreativchef Felipe Oliveira Baptista mit hochinteressanten Innovationen aufwartet. Beispielsweise mit einem gestreiften Shirt samt Knopfleiste auf der Schulter oder ein asymmetrisches One-Shoulder-Polokleid in Hellblau. Apropos Polokleid: Das Magazin „Elle" hat jüngst die Prognose gewagt, dass wohl bald alle Fashionistas Polokleider tragen werden. Bei Zara oder H&M gibt es sie jedenfalls schon im Sortiment.